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Auf den Barrikaden


Die SVP schnürt das Autonomiepaket wieder auf – mit einem klaren Bekenntnis zum Minderheitenschutz und gegen das nationale Interesse. Die Koalitionspartner FdI und Forza Italia sind empört.

von Matthias Kofler

„Die rechtsnationalen Partner der SVP hatten nie Sympathien für Autonomie und Minderheitenrechte – das wusste man immer. Jetzt hat man den Beweis.“

Mit dieser Breitseite kommentiert Oppositionsführer Paul Köllensperger (Team K) die hitzige Sitzung im Sonderausschuss zur Autonomiereform. Zwar wurde das Gutachten mit breiter Mehrheit (28 Ja-Stimmen) angenommen – doch inhaltlich krachte es gewaltig. Grund war der politische Sprengstoff zweier Änderungsanträge, die von der Opposition eingebracht, von der SVP überraschend mitgetragen und von den Koalitionspartnern Forza Italia und Fratelli d’Italia erbittert bekämpft wurden.

Konkret geht es um zwei sogenannte „Anmerkungen“ zur Reform, die mit jeweils 31 Ja-Stimmen beschlossen wurden. Erstens: Auf Antrag von Andreas Leiter Reber (Freie Fraktion) wird der Minderheitenschutz ausdrücklich als tragendes Prinzip im Stellungnahmetext des Landtags zum überarbeiteten Autonomiestatut verankert. Demnach darf das römische Parlament künftig keine Statutsänderungen mehr vornehmen, die die „besonderen Bedingungen der Autonomie“ (sprich die Autonomiestandards) oder den Minderheitenschutz beeinträchtigen – zumindest nicht ohne Einvernehmen des Landtags.

Zweitens: Die Grünen-Abgeordnete Brigitte Foppa setzte im Zusammenspiel mit Thomas Widmann eine Passage durch, in der sich der Landtag verpflichtet, sich in den künftigen Verhandlungen mit Rom zu bemühen, dass gesetzgeberische Schranken wie das Prinzip der „nationalen Interessen“ abgebaut werden – ein Dauerbrenner in der laufenden Autonomiedebatte.

Während die SVP beide Anträge der Opposition unterstützte, gingen ihre italienischen Regierungspartner auf Distanz – und zwar deutlich. FI-Fraktionschef Christian Bianchi sagt zwar, seine Partei stehe „selbstverständlich zum Minderheitenschutz“, dieser sei aber bereits in Verfassung, Statut und internationalen Verträgen verankert. Es brauche nicht bei jeder Gelegenheit ein neuerliches Bekenntnis: „Der Minderheitenschutz ist das Fundament unserer Autonomie – das muss man nicht überall wiederholen.“ Das wäre „absolut überflüssig und unnötig“, so Bianchi.

Noch klarer fällt Bianchis Absage an die Streichung des nationalen Interesses aus. Die Autonomie sei eine „delega“, mit der der Staat den Autonomen Regionen und Provinzen gesetzgeberische Befugnisse übertragen habe, sagt er, doch „diese Befugnisse dürfen niemals im Widerspruch zu den nationalen Interessen stehen oder diese zur Disposition stellen.“ Als Beispiel nennt der Landesrat ein hypothetisches Südtiroler Gesetz zur Errichtung von Atomkraftwerken: „Wenn so etwas auf gesamtstaatlicher Ebene verboten ist, kann eine Provinz nicht eigenmächtig gegensteuern.“
Bianchi kritisiert zudem, dass „einige politische Kräfte“, etwa die Süd-Tiroler Freiheit, „mit Provokationen“ die Kommissionsarbeit belastet hätten – und damit das friedliche Zusammenleben im Land riskierten.

Noch schärfer schießt FdI-Fraktionschefin Anna Scarafoni. Sie zweifelt nicht nur die politische Absicht, sondern auch die rechtliche Zulässigkeit der beiden Anmerkungen an: „Der Text, der aus der Verhandlung zwischen Landeshauptmann, Ministerium und Regierung hervorgegangen ist, kann nach dem Durchlauf im Sonderausschuss und Landtag zwar mit Bemerkungen versehen, aber nicht mehr verändert werden. Welchen Sinn hätte es, eine ohnehin im gesamten Statut enthaltene Formulierung zusätzlich aufzunehmen? Das wäre eine unzulässige und dazu noch überflüssige Änderung.“ Scarafoni spricht sogar von einer Art „Bedingung“, die der italienischen Regierung aufgezwungen werden soll – aus ihrer Sicht ein inakzeptables Vorgehen des Landtags.

Bemerkenswert: Mit Sandro Repetto (PD) stimmte nur ein italienischsprachiger Abgeordneter für beide Anträge. Angelo Gennaccaro (Civica) enthielt sich – ganz in christdemokratischer Tradition. Gegenüber der Tageszeitung erklärt er sein Verhalten mit dem „chaotischen“ Sitzungsverlauf: „Da wurden hunderte Anträge abgestimmt, manche spontan zusammengefügt. Es hieß nur: Hand hoch oder nicht. Deshalb habe ich mich lieber enthalten.“ Die Aufregung darum sei, so Gennaccaro, dem Wahlkampf geschuldet. „Furbetti“ wie Paul Köllensperger spielten sich als Empörte auf, um zu punkten: „Wir stehen voll hinter der Reform und natürlich auch zum Minderheitenschutz.”

SVP-Fraktionschef Harald Stauder sagt, er habe sich über die ablehnende Haltung der Koalitionspartner „etwas gewundert“. „Die Argumentation war: Der Minderheitenschutz steht eh schon drin – also brauchen wir das nicht extra. Wir sagen: Je öfter wir ihn betonen, desto bewusster wird er wahrgenommen – und desto sicherer steht er auch.“

Mit breiter Mehrheit angenommen wurde auch ein Zusatzantrag von Köllensperger, wonach unter dem Begriff „Autonomiestandards“ sämtliche bis zum Zeitpunkt der Statutsänderung erreichten Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen verstanden werden – inklusive jener, die in Durchführungsbestimmungen geregelt sind. Der Antrag erhielt 35 Ja-Stimmen – ein seltener Moment der Einigkeit in einer von Misstönen geprägten Sitzung.

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