Das Hakenkreuz
Eine Gruppe junger Rechter navigiert im Wipptal zwischen Tuifl, Schützen, Schießübungen in Tschechien und Nazis. Ein Blick in das Innenleben der Revolte Wipptal.
Der Hintergrund ist eindeutig. Der eine trägt einen Gürtel mit Hakenkreuz, der andere klebt auf seiner Motocross-Maschine ganz bewusst die Nummer 88. Dazu kommen Videos von Schießübungen in Karlsbad in Tschechien. Und weil es auch ein gemeinsames Erkennungszeichen braucht: Schwarze T-Shirts mit der Aufschrift „Revolte.Wipptal“ und an der Schulter eine stilisierte „Schwarze Sonne“, das Symbol der Neonazis.
Aber auch das Selbstbewusstsein und die Arroganz sind da. Nachdem die TAGESZEITUNG vorvergangene Woche über die Pusterer rechten Jugendgruppe „Junge Aktion“ berichtet und ein berechtigter, öffentlicher Sturm über die „patriotische Sportgruppe“ hereingebrochen war, zeigte sich die „Revolte.Wipptal“ auf Instagram noch voller Stolz. „Wir waren schon rechts, bevor es cool wurde“, steht neben einem Foto von zwei Männern vor einer Feuerstelle. Die Gesichter unkenntlich gemacht und beide mit einem T-Shirt „Revolte Wipptal“.
Inzwischen sind der Post und die Seite der „Revolte.Wipptal“ auf Instagram wieder verschwunden. Auch einige andere Posts wurden in den sozialen Medien inzwischen entfernt oder gesperrt. Der Grund dafür ist ein Artikel der SALTO-Redakteurin Anna Luther, der vor zwei Tagen die rechte Wipptaler Gruppe nicht nur in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt hat, sondern auch ins Visier der Sicherheitsbehörden. Laut Auskunft des Bozner Quästors Paolo Sartori hat die „Abteilung für allgemeine Ermittlungen und Spezialoperationen“ (DIGOS) Vorermittlungen aufgenommen.
Dabei werden die Beamten der politischen Polizei nicht nur auf eine Gruppe junger Menschen stoßen, die zwischen Tuifln, Schützen, Schießübungen und Nazis herum navigieren, sondern auch auf einen Kollegen in Uniform, der das Gedankengut der Wipptaler Nazis anscheinend uneingeschränkt teilt.
Ein besorgter Bürger hat sich bereits vor Monaten beim Autor gemeldet, um über eine Gruppe junger Wipptaler zu berichten, die ins rechtsradikale Fahrwasser abgedriftet sind. „Das sind keine Lausbuben“, sagte der Mann damals, „sondern die machen Kampfübungen und verbreiten übelste Nazi-Ideologie“.
Die Gruppe „Revolte.Wipptal“ ist ein Abbild Dutzender ähnlicher rechtsradikaler Aktionsgruppe in Deutschland, die sich zwischen AfD und NPD bewegen. Zum harten Kern der Gruppe gehören rund ein halbes Dutzend junger Pfitscher. Allesamt in das Dorf- und Talleben integriert, sind sie ein ganz natürlicher Teil der Traditionsvereine. So engagieren sie sich seit Jahren bei den „Tuifln“ in Wiesen.
Der Sprecher und Auffälligste unter ihnen ist Lukas Kasslatter. Kasslatter wurde erst vor zwei Jahren von Bürgermeister Stefan Gufler als neues Mitglied der Feuerwehr angelobt. Vor allem
aber ist er als Schütze aktiv. Vergangenes Wochenende zelebrierte der knapp über 20-jährige Elektriker im Schulhaus von St. Jakob den offiziellen Auftakt zur Wiedergründung der Schützenkompanie Innerpfitsch. Vor zahlreichen Besuchern wurde die Dokumentation „Luis Amplatz – Im Labyrinth von Leben und Tod“ des ehemaligen FPÖ-Nationalratsabgeordneten Werner Neubauer vorgestellt. Mit dabei auch die Spitzen der Wipptaler Schützen und Landeskommandant-Stellvertreter Christoph Schmid.
Man muss sich fragen, ob die Ehrengäste der Schützen dabei die tätowierten SS-Runen auf Kasslatters Zeige- und Mittelfinger übersehen haben.
„Spricht man mit Menschen in der Gemeinde, sind die extremistischen Ansichten Kasslatters auch bei vielen bekannt“, sagt ein anderer Pfitscher Bürger. Er ist sich sicher: „Das sind nicht übermotivierte Anhänger etablierter rechtspopulistischer Parteien, sondern handfeste Neonazis.“
Auch Profile in den sozialen Medien weisen eindeutig in diese Richtung. Da finden sich Verweise auf „Germanische Sparta“ einem Lied der Neonazi-Band „Stahlgewitter“ genauso, wie Reels mit dem Eisernen Kreuz oder Marschlied „Erika“ der deutschen Wehrmacht, dessen Komponist Herms Niel Mitglied der NSDAP war. Eine Symbolik mit einem klaren Bezug zum Nationalsozialismus.
Besonders interessant aber ist ein etwas älteres Mitglied der „Revolte.Wipptal“. Der heute 33-Jährige tritt dabei gleich unter mehreren Namen auf. Etwa als Heinz Wilhelm Kaiser. Oder als Heinz W. C. (Name der Redaktion bekannt). In seinem Facebook-Profil beschreibt sich der Mann als „Unschuldig Waltsch“ aber „ Im Herzen Tiroler“.
„Er ist einer, der in der Gruppe das große Wort führt“, sagt ein Pfitscher. C. ist es dann auch, der mit einem Gürtel mit Hakenkreuz herumläuft. Auf manchen Fotos ist er auch in militärischen Tarnhosen zu sehen. Oder mit Wehrmachthelm. Der junge Mann sammelt Militaria und praktiziert den Fechtsport auf Wettkampfniveau.
In Wirklichkeit aber heißt das Mitglied der „Wipptaler Revolte“ nicht Heinz, sondern er hat einen italienischen Vornamen (Name der Redaktion bekannt). Und er ist von Beruf Beamter der italienischen Finanzwache. Man kann davon ausgehen, dass seine Mitstreiter diesen Hintergrund kennen.
Die brisante Frage aber ist: Weiß man auch bei der Finanzwache, was der Beamte tut, wenn er seine Uniform auszieht?
Kommentare (17)
Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen
Du musst dich EINLOGGEN um die Kommentare zu lesen.