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„Weil sonst niemand da ist“

Gabi Janssen, Berta Schweitzer und Toni Pizzecco

Der Verein Südtiroler Ärzte für die Welt betreut 30 Hilfsprojekte in 11 Ländern. Berta Schweitzer erhält den Preis Helping Hands. 

Berta Schweitzer ist geblieben.

Drei Wochen wollte sie den Salesianer-Schwestern zur Hand gehen im Sozialzentrum im äthiopischen Gubrye. Dann die akute Einlieferung der projektverantwortlichen Schwester ins Krankenhaus, die zweite Schwester betreute diese vor und nach den chirurgischen Eingriffen, die folgten. Und Berta Schweitzer blieb drei Monate. Allein. Sie hielt die Stellung. „Ich konnte die Kinder, Frauen, Arbeiter ja nicht im Stich lassen“, sagt die Lehrerin aus dem Vinschgau. Bei der Mitgliederversammlung am vergangenen Donnerstag verlieh der Verein Südtiroler Ärzte für die Welt Berta dafür den Helping Hands Preis 2024. 

Weil sonst niemand da ist. Das ist der Satz, der in allen Projekten des Vereins mitschwingt. Seit 25 Jahren sind die Südtiroler Ärzte für die Welt im Einsatz. „Und jetzt erst recht“, motiviert Präsident Toni Pizzecco die Mitglieder mit Blick auf gestrichene Hilfsbudgets, nicht enden wollende Kriege und Lebensmittel, die vor Gaza hängenbleiben. „Die Mächtigen verrücken die Welt und zeigen damit, wie sehr Entwicklungsarbeit gebraucht wird.“ 

Helfen an der richtigen Stelle. 2024 haben die Südtiroler Ärzte für die Welt 30 Projekte in elf Ländern unterstützt. 90 Prozent des Budgets gingen in Hilfsprojekte. 31 Mitglieder waren in Äthiopien, Indien und Nepal im Einsatz, in Afghanistan nutzten sie ihre Kontakte, denn einreisen darf ins Talibanland niemand. Und die Menschen in Südtirol haben auch 2024 gezeigt, wie sehr sie hinter dem Verein stehen: Um 35 Prozent haben die Spenden zugenommen. Ein großer Dank geht deshalb an die vielen privaten Spender, an die Autonome Provinz Bozen, die Region Trentino/Südtirol und die Gemeinde Bozen. 

Für die Südtiroler Ärzte für die Welt heißt das seit jeher: investieren in Medizin, Bildung, Trinkwasser und seit 2023 ins Projekt Loving Home. In drei Diözesen in Äthiopien werden Menschen aufgeklärt über die Gefahren illegaler Migration. Das Netz der katholischen Kirche reicht in Schulen, Gottesdienste und Frauengruppen hinein. 2024 lancierte der junge Selfmademan Ezedin Kamil vor 500 Schülern und Studierenden die Botschaft: „Illegale Migration ist keine Option, bleibt hier, es gibt Arbeit, tut euch zusammen und startet ein Business.“ In Äthiopien ist Ezedin ein Star, für Loving Home ein glaubwürdiges Testimonial. 

Gleichzeitig bieten die Südtiroler Ärzte für die Welt Menschen Perspektiven zum Bleiben. 42 junge Menschen erhielten einen Beitrag, um ein kleines Gewerbe zu gründen. „Wir sehen, dass Entwicklungshilfe wirkt, wenn sie partnerschaftlich, langfristig und auf Augenhöhe geschieht. Wir fragen immer, was gebraucht wird, das ist für uns der Ansporn weiterzumachen“, erklärt Gabriele Janssen Pizzecco, die Geschäftsführerin des Vereins. 

Seit 25 Jahren arbeiten die Südtiroler Ärzte für die Welt nach der Devise: Projekte folgen Menschen.

In Zahlen ausgedrückt hat der Verein Schulen gebaut für 11.500 Kinder und Jugendliche. 125 Brunnen versorgen 58.000 Menschen mit Trinkwasser. Jeden Monat erhalten 380 alleinstehende Frauen in Afghanistan Geld zum Überleben für sich und ihre Kinder und in Flüchtlingslagern erhalten Kinder vom Jesuiten Flüchtlingsdienst Unterricht. Nähkurse und Mikrokredite sichern konkrete Chancen für immer mehr Frauen. Und die Krankenhäuser Attat in Äthiopien und Dhulikhel in Nepal, zwei Herzensprojekte der Südtiroler Ärzte für die Welt, sind Anlaufstelle für vier Millionen Menschen. 

Es gab auch Neuwahlen.

Der bestehende Vorstand wurde um zwei Mitglieder erweitert, nämlich um den jungen Bozner Rechtsanwalt Florian Brandstätter und die Chirurgin Monika Niederkofler aus Bruneck. Als Revisoren wurden Michael Atzwanger und Lodovico Comploj bestätigt, das Schiedsgericht besteht aus Doris Gluderer, Wolfgang Wielander und Dieter Randeu. 

Viel Arbeit, viel Engagement.

Und 2024 eine Aufgabe dazu: langsam Junge ans Ruder lassen. Ärzte, Volontärinnen, Handwerker sind die neuen Stimmen. Wie Chiara Carmignola, eine von acht Volontären im Sommercamp Attat: „Jeden Tag waren da 70 Kinder und Jugendliche, wir haben gespielt, Wettkämpfe organisiert, wir haben Spaß gehabt.“ Wie Jakob Haller, über den sein Vater Stefan erzählt: „Er hatte sofort einen Draht zu den jungen Handwerkern, viel besser als ich.“ Wie die Hausärzte Simon Schmidt und Sofia Schöpf, die aus der San Marco Clinic mitnehmen: „Die Leute haben drei Stunden gewartet, und niemand war sauer.“ 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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