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Das große Gerangel

Peter Obexer

Der Countertenor JJ hat den ESC nach Österreich geholt. Wie der Musikexperte Peter Obexer das Ergebnis einordnet. Und wie Innsbruck sich als Austragungsort in Stellung bringt.

von Artur Oberhofer

Peter Obexers Urteil ist resolut: „Ein mutiger und verdienter Gewinner.“ Auch der langjährige Rai-Radiomoderator und Musikexperte hatte den österreichischen Kandidaten beim 69. Eurovision Song Contest JJ nicht unbedingt auf dem Radar, und wenn, dann nur als Geheimtipp.

In seinem „Frührentner“-Domizil in Thailand hat Peter Obexer den ESC in Basel natürlich mitverfolgt.

Der österreichische Siegersong „Wasted Love“ war, so Peter Obexer gestern gegenüber der TAGESZEITUNG, eine „musikalische Überraschung“. Der Musikexperte fand die Fusion aus Oper, Pop und Techno bemerkenswert. „Diese Fusion hat den Zeitgeist des heutigen ESC auf den Punkt gebracht“, so Obexer. Und weiter: „JJ, ein ausgebildeter Countertenor an der Wiener Staatsoper, hat mit außergewöhnlicher stimmlicher Präsenz und einem Songaufbau, der von minimalistischer Instrumentierung zu einem kraftvollen, techno-inspirierten Finale überging – und dies alles in strenger Schwarz-Weiß-Optik inszeniert, überzeugt.“

Die großen Favoriten waren die Schweden. Buchmacher hatten eine Gewinnwahrscheinlichkeit von 34 Prozent für KAJ errechnet. „Dass die Saunagänger von KAJ – die im Übrigen aus Finnland kommen – mit dem billig inszenierten Sauna-Song ,Bara Bada Bastu‘ letztlich nur auf Platz vier landeten, war meiner Meinung nach mehr als gerecht“, resümiert Peter Obexer. „Reiner Holzhacker-Pop“ sei das gewesen.

Ähnlich ordnet der Musikexperte Peter Obexer den Drittplatzierten Tommy Cash, der für Estland mit dem tiefgründig betitelten Beitrag „Espresso Macchiato“ antrat, ein. „Stimmlich eine Katastrophe – aber das jüngere Publikum tanzte offenbar trotzdem begeistert mit“, so Obexer.

Natürlich gelte: Geschmack ist verschieden – und Schmerzempfinden auch. „Letzteres meldete sich bei mir bei etwa zwei Dritteln der Beiträge. Besonders beim Auftritt von Vorjahressieger Nemo, der als Stargast mit einem Outfit irgendwo zwischen Applaus und Notruf polarisierte“, so Peter Obexer.

Die Favoriten des ehemaligen Rai-Moderators Peter Obexer waren Frankreich, die Schweiz (vom Publikum mit null Punkten abgestraft – „ein Skandal!“), Österreich, Israel und die Niederlande.

Italien sicherte sich – wie fast immer – solide den fünften Platz. Deutschland erreichte Platz 15. „Besser als in manch früherem Jahr“, findet Peter Obexer, „aber ehrlich gesagt wirkt das Konzept ,ESC-Chefsache Stefan Raab‘ auch ein wenig überholt.“

Mit seinem Sieg in Basel hat JJ den 70. Eurovision Contest nach Österreich geholt. Es ist dies ein Event, der über 160 Millionen Fernsehzuschauer erreicht – der aber eine schöne Stange Geld kostet.

Die Ausrichtung des ESC in Basel hat über 60 Millionen Euro gekostet. Allerdings: die finanzielle Wertschöpfung für den Austragungsort soll ebenfalls bei 60 Millionen liegen (175.000 Hotelübernachtungen, 780.000 BesucherInnen, 160 Millionen TV-ZuseherInnen).

Beim ORF geht man davon aus, dass der öffentlich-rechtliche Sender für die Ausrichtung des ESC 2026 selbst rund 30 Millionen Euro aufbringen muss.

Das restliche Geld muss der Austragungsort irgendwie auftreiben.

Das Rennen zwischen den österreichischen Städten, die als Ausrichter für den nächsten ESC in Frage gekommen, ist bereit seit Sonntag eröffnet.

Der SPÖ-Kulturminister Andreas Babler sprach von einem „großen Moment für die österreichische Musikszene“ und zeigte sich zuversichtlich, dass man die Finanzierung des Mega-Events zustande bringen werde. 2015 wurde der ESC in Wien ausgetragen. Bürgermeister Michael Ludwig hat bereits Ansprüche angemeldet. Es sagte, der ESC 2026 in Wien wäre eine „wunderbare Chance“ für seine Stadt. „Wir haben 2015 eindrucksvoll bewiesen, dass wir internationale Großereignisse mit Professionalität, Gastfreundschaft und kultureller Strahlkraft ausrichten können – wir sind bereit, auch diesmal Bühne Europas zu sein.“

Doch auch Innsbruck hätte den ESC gerne. Der Innsbrucker Bürgermeister Johannes Anzengruber bekundete gegenüber der APA ein „großes Interesse“. Schließlich müsse nicht alles in Wien stattfinden, Österreich sei größer.

Laut Anzengruber wäre die Olympiahalle in Innsbruck mit einem Fassungsvermögen von 12.000 Zuschauern „prädestiniert„ für ein solches Event. Man könnte die Bergewelt einbauen, sagte der Innsbrucker Bürgermeister, in jedem Fall werde seine Stadt „ein Topangebot liefern“.

Etwas zurückhaltender gab sich der Nordtiroler Landeshauptmann. Anton Mattle erklärte, man werde eine Bewerbung Innsbrucks „ideell unterstützen“, finanzielle Mittel des Landes stünden aber keine zur Verfügung, erklärte der Landeshauptmann.

Während Salzburg abwinkt, weil die Stadt eine 40-Millionen-Last nicht stemmen könne, kommen aus Graz positive Stimmen. Graz sei 2003 Kulturhauptstadt Europas gewesen, „wir haben gezeigt, dass wir das können“, erklärt die Grazer SPÖ-Chefin Doris Kampusch, „und der ESC passt zu uns als Menschenrechtsstadt“.

Auch in Basel hofft mach, dass der ESC eine nachhaltige Wertschöpfung zur Folge hat, dass die Stadt generell bekannter geworden ist durch die Ausrichtung der 69. Auflage des ESC.

Allein die Stadt Basel hat für den ESC 2025 ein Bugdeht von 41 Millionen Euro freigegeben.

 

 

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