Das Mischkonsum-Problem
Bei der Vollversammlung des Vereins HANDS in Bozen wurde deutlich, wie vielfältig und komplex Konsumstörungen heute auftreten.
Alkohol, Medikamente, illegale Drogen, Glücksspiel – und zunehmend neue Risikoverhalten wie Ketamin-Konsum, missbräuchliche Medikamenteneinnahme, Crack, exzessives Gaming oder problematische Mediennutzung:
Bei der Vollversammlung des Vereins HANDS in Bozen wurde deutlich, wie vielfältig und komplex Konsumstörungen heute auftreten. Vereinspräsident Georg Senoner und Direktor Bruno Marcato berichteten von konstanten Gesamtkontakten – rund 1.500 Personen jährlich –, aber sich wandelnden Herausforderungen: vor allem bei jungen Erwachsenen und in Zusammenhang mit psychischen Krisen, familiären Konflikten und digitalem Rückzug.
Die Entwicklungen im Jahr 2024 zeigen: Konsumstörungen betreffen zunehmend jüngere Menschen unter 30 Jahren. Alkohol bleibt die häufigste Problematik; betroffen sind rund 85 Prozent der Klient:innen, ein Drittel davon Frauen. HANDS beobachtet verstärkt Mischkonsum und komplexe Lebenssituationen.
Direktor Bruno Marcato berichtet: „Immer mehr junge Erwachsene konsumieren Alkohol in Kombination mit Substanzen wie Ketamin, Crack oder verschreibungspflichtigen Medikamenten.“ Häufig gehen damit depressive Verstimmungen, familiäre Überforderung und Isolation einher.
Mit flexiblen, modular aufgebauten Angeboten reagiert HANDS auf diese Entwicklungen.
Ein zentrales Element: der Ausbau des Zentrums in Rentsch, insbesondere für Frauen und deren Reintegrationsprojekte. „Es reicht nicht, Menschen aus dem Konsum zu holen“, sagt Bruno Marcato. „Wir müssen Übergänge hin zu Stabilität, Arbeitsfähigkeit und sozialer Teilhabe gestalten.“ Die Nachsorge erhält deshalb mehr Gewicht: Ziel ist es, Abstinenz zu festigen und Lebensperspektiven im gewohnten Umfeld zu ermöglichen, mit tragfähiger Unterstützung in den Dörfern und Gemeinden.
Georg Senoner, Präsident des Vereins HANDS, hebt die gute interne Zusammenarbeit hervor: „Wir haben einen engagierten Vorstand, der lösungsorientiert denkt und handelt. Nur gemeinsam können wir unser Hilfsnetz weiterentwickeln.“
Neben dem Team von Fachleuten sind auch Freiwillige eine tragende Säule. Zwar sei es nicht einfach, langfristig Engagierte zu finden, doch mit dem Projekt Hands 4 You gelingt es, themenspezifische Einsätze zu koordinieren: sei es bei der Essensverteilung, dem Fahrdienst zu Therapieeinrichtungen, bei Kreativprojekten, digitaler Unterstützung oder kulturellen Angeboten wie einem Chor.
Auch die strategische Weiterentwicklung stand 2024 im Fokus: HANDS arbeitet intensiv mit Partnern aus dem öffentlichen und privaten Bereich an der Etablierung eines einheitlichen Präventionskonzepts in Südtirol. „Prävention funktioniert nur, wenn sie dauerhaft, systematisch und partizipativ gestaltet ist“, betont Bruno Marcato. Dazu gehört auch Selbstreflexion: „Wir können jungen Menschen nichts über gesunden Konsum erzählen, wenn wir selbst nicht als Vorbild vorangehen und unseren Lebensstil sowie unsere Formen des Konsums und/oder Mediengebrauchs nicht hinterfragen.“
Für die Zukunft will sich HANDS noch stärker als Kompetenzzentrum für Konsumstörungen positionieren.
Forschung, Innovation und eine individuelle, ganzheitliche Begleitung sollen dabei ebenso im Fokus stehen wie die Zusammenarbeit mit Angehörigen. „Veränderung braucht Hoffnung“, sagt Präsident Georg Senoner Nicht alles sei heilbar, aber vieles veränderbar.
Eine zentrale Herausforderung 2024 war auch die Mitarbeiter:innen-Situation. Hohe Lebenshaltungskosten, Inflationsdruck und psychische Belastung im Arbeitsalltag fordern ihren Tribut. HANDS begegnet dem mit gezielter Weiterbildung, innovationsfreundlichen Rahmenbedingungen und fairen Gehältern. „Ein stabiles Team ist das Fundament unserer Arbeit“, unterstreicht Georg Senoner.
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Zahlen und Fakten
Alkohol ist das größte Problem. Etwa 85 Prozent der Klient:innen von HANDS haben Probleme mit Alkohol, davon 35 Prozent Frauen; etwa 10 Prozent sind pathologische Glücksspieler:innen, davon zwei Prozent Frauen. Jährlich begleitet HANDS ca. 1.500 Personen in Südtirol.
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