Ein Zitronenfalter

Kaminkehrerdialog. Es geht auch um Sex
„Sex“ eignet sich diesmal zum Einstieg, weil der Film gut zu erklären ist. Schwieriger wird’s mit „Black Tea“, der so global ist, dass kurz die Orientierung durcheinander kommt.
Von Renate Mumelter
Sex
Tja, wie reagieren, wenn einer erzählt, er habe sich spontan und aus Neugier auf Sex mit einem Mann eingelassen, sei aber weiterhin hetero? Und wie reagieren, wenn einer das Gefühl hat, von David Bowie als Frau betrachtet zu werden? Genau das widerfährt zwei Kaminkehrern aus Oslo, die sich auf den Dächern der Stadt über ihre Dilemmata unterhalten.
„Sex“ wäre eigentlich der erste Teil von Dag Johan Haugeruds „Oslo Stories“, auch wenn der Verleih in Italien das Ross andersherum aufzäumt.
Haugerud wollte nämlich zuerst solide Paarbeziehungen hinterfragen, wie er das in „Sex“ tut, dann mit „Dreams“ eine erste Liebe erforschen und schließlich in „Love“ nachfragen, was Liebe sein kann, wenn sie rücksichtsvoll und möglicherweise romantisch zugleich ist. Zur Erinnerung: Haugerud erzählt unaufgeregt aber aufregend, lässt seine Figuren viel sprechen und schafft es, intensive Verbindungen in den Kinosaal zu bauen.
Black Tea
Weniger um Sex geht es in Abderrahmane Sissakos „Black Tea“, obwohl es auch in diesem Film, der zwischen Afrika und Asien spielt, um mehr oder weniger glückende Beziehungen geht.
Der Mauretanier Abderrahmane Sissako ist einer der wenigen Regisseure der Subsahara, die es geschafft haben. Von 1983 bis 1989 studierte er in Moskau am Gerassimow-Institut für Kinematographie. Anfang der 1990er-Jahre ließ er sich in Paris nieder.
„Black Tea“ beginnt mit einer Mehrfachhochzeit, von denen eine gleich platzt. Wir sind zuerst an der Elfenbeinküste und versuchen zu heiraten, und dann sind wir plötzlich in der „Chocolat City“, einem Viertel der chinesischen Stadt Guangzhou, in dem vor allem Schwarze leben, wie schon der Name sagt. Das erfordert eine Neuorientierung. Unter den Schwarzen in Chocolat City lebt auch Aya, jene Braut, die nein gesagt hatte.
Sie arbeitet für einen Teehändler, und ab sofort nehmen der Tee und die Rituale rundum breiten Raum ein. Die Erzählweise wird bedächtig wie eine Teezeremonie und schrammt zwischendurch knapp am Kitsch vorbei, wenn z.B. der Zitronenfalter in der Teeplantage zutraulich wird.
Sissakos Erzählrhythmus wäre ruhig und entspannend, wäre da nicht dieser emotionale Misston, den Teehändler Cai erzeugt, weil er nicht redet. Er behauptet schlicht, er könne das nicht. Erschwerend kommt die Haltung der Frauen dazu, die sich Cais Faxen widerspruchslos unterordnen. Das macht mich nervös.
Ein Tag ohne Frauen
Mag sein, dass meine Schwarztee-Nervosität daran lag, dass ich genau einen Tag vorher den Dokumentarfilm „Ein Tag ohne Frauen“ gesehen hatte, der davon erzählt, wie es in dem kleinen Island (400.000 Einwohnerinnen) 1975 gelungen war, an nur einem Tag das Bewusstsein für die Bedeutung der Frauen so zu schärfen, dass es bis heute nachwirkt. Das ist historischer, heiterer und zukunftsfreudiger Film, der sich aus den wenigen Zeitzeugnissen und Zeitzeuginnen und ein paar Animationen zaubern ließ. Damals, 1975, hatten sich die Frauen freigenommen, und das bewirkte etwas.
Eine animierte Szene, die bei mir hängenblieb, spielt auf einem Hochseeschiff, wo sich die paar dienenden Frauen für diesen Tag weggesperrt hatten. Draußen vor der Tür klopften die Männer und baten um Dienstleistung – Kaffee kochen, Klo putzen, Hemden bügeln – aber nix da. Der Film dauert zwar nur eine Stunde, ist den etwas anderen Kinobesuch aber wert.
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