Du befindest dich hier: Home » Politik » „Will ein politischer Bürgermeister sein“

„Will ein politischer Bürgermeister sein“

Juri Andriollo (Foto: TZ)

Juri Andriollo, war bisher für den PD Sozialstadtrat in Bozen. Nun will er Bürgermeister werden, mit einem Programm, das, etwa beim Müll, auch auf null Toleranz setzt.

TAGESZEITUNG Online: Herr Andriollo, Sie sind Anwalt mit eigener Kanzlei. Warum wollen Sie Bürgermeister von Bozen werden?

Juri Andriollo: Weil ich die Fähigkeiten und die Erfahrung habe, es zu machen. Ich lebe nicht von der Politik, ich will mich aber für die Bürger einbringen. Ich liebe die Stadt und nicht die Politik der Slogans. Ich will die Lebensqualität der Bozner verbessern, auch angesichts von Problemen wie Überalterung, Abwanderung, Wohnungsnot und Teuerung.

Für Ihre Kandidatur kam eine Koalition mit allen Mitte-links-Kräften nicht zustande, weil es keine Einigkeit zu Ihrer Person gab. Wie wird sich das bei der Wahl am 4. Mai auswirken?

Das Mitte-links-Bündnis, das die Stadt seit vielen Jahren regiert, ist einig. Dann gibt es andere Parteien, die ihren eigenen Weg gehen wollen. Nach dem 5. Mai werden wir mit ihnen sprechen und sehen, ob sie mit unserem Programm übereinstimmen. Die Koalition für eine Regierung muss zu jenem Zeitpunkt gebildet werden. Wir müssen den Wählern eine Perspektive für eine Regierungskoalition geben.

Sie versuchten im Wahlkampf einerseits die Kontinuität zur Regierung Caramaschi zu betonen, andererseits sich von ihm abzugrenzen? Glauben Sie, die Wähler verstehen das?

Es gibt kein Prinzip der Kontinuität, es gibt aber einen Stil, Politik zu machen. Und hier meine ich die Art, wie man auf die Dinge zugeht. Etwa, indem man, so wie ich, die jungen Leute nicht als ein Problem, sondern eine Ressource ansieht. Ich will außerdem die beiden großen Gruppen, die Jungen und die älteren Menschen, zusammenbringen. Erstere müssen die Freiheit wiederfinden, etwas zu unternehmen, sich kreativ zu entfalten, für Zweitere brauchte es besondere Dienste, um ihre Selbstständigkeit, etwa beim Wohnen, sicherzustellen. Ich bin 49 Jahre alt, also in der Mitte zwischen den beiden Gruppen, und davon überzeugt, beide ansprechen zu können. Es gibt in Bozen auch viele neue Bürger, die sehr fleißig sind. Es ist wichtig, die Kohäsion herzustellen. Ein Bürgermeister muss versuchen, die verschiedenen Gruppierungen in einer Stadt zusammenzuhalten. Ich werde ein politischer Bürgermeister sein, also nicht ein reiner Verwalter. Bozen kann eine der schönsten und lebbarsten Städte Europas werden. Mit großen Chancen und Möglichkeiten, auch durch die Universität und die klugen Köpfe, die hierherziehen.

Was wollen Sie gegen das teure Wohnen in Bozen unternehmen, das viele junge Leute offenbar dazu zwingt, die Stadt zu verlassen?

Es muss gebaut werden, immer ausgehend von der Frage für wen. Es gibt viele Leute, die wir aus Arbeitsgründen nach Bozen holen. Sie brauchen Mietwohnungen. Sie wollen zumeist zeitweise bei uns bleiben, wie die Studenten. Beispiel Trient: Laborfonds hat mit Eurogio Finance und der Gemeinde Wohnungen zu günstigen Preisen errichtet. Auch die Sparkassenstiftung könnte solche Gebäude bauen. Es gibt freie Flächen innerhalb der Stadt und öffentliches Eigentum wie das Ex-Grundbuch in der Duca d‘ Aosta-Straße oder beim Schwefelbad. Ich bin dafür, dass solche Projekte auf Flächen errichtet werden sollten, die derzeit dem Wohnbauinstitut gehören, so wie das Ex-Lehrlingsheim in Haslach. Doch das WoBi baut nichts, weil das Geld fehlt, außerdem ist seine Verwaltung katastrophal. Es gibt Kondominien, in denen die Gesetzlosigkeit herrscht, in denen nichts funktioniert.

Soll für den Wohnbau auch landwirtschaftliche Grün angetastet werden?

Es sollte Schritt für Schritt gehen, wenn die Flächen nicht reichen, kann auch Grünland angetastet werden. Es können Varianten vor der Verabschiedung des GEP gemacht werden. Wir haben ein neues Spital errichtet, aber wenig Wohnungen für das Personal vorgesehen. Und dann gibt es Möglichkeiten der Wiedergewinnung für Private.

Können die Bozner damit rechnen, in den nächsten fünf Jahren Verkehrsbelastung zu erleben?

Die Agenda Bozen wird hier große Ergebnisse bringen. Mit Software und KI bei der Einfahrt in die Stadt kann der stadtinterne Verkehr bereits besser reguliert werden. Es braucht außerdem einen großen Pendlerparkplatz im Westen. Und eine bessere Zusammenarbeit mit den umliegenden Gemeinden, bisher wurde das Verkehrsproblem zu viel aus städtischer Perspektive betrachtet.

Hat Bozen ein Sicherheitsproblem?

Ich spreche von Sicherheiten im Plural. Für große Unsicherheit sorgt das Wohnproblem, das bei den Menschen großen Stress auslöst. Die Stadt ändert sich, so wie die sie umgebende Welt. Deshalb schlage ich die Einführung von Stadtviertelpolizisten vor, und es braucht Überwachungskameras auf allen Recyclinginseln. Es wird meine erste Amtshandlung sein. Hier bin ich für null Toleranz, es kann nicht sein, dass die Leute ihre Matratzen einfach ablegen. Das tun auch solche Bozner, die ihre Wohnungen schwarz an Touristen vermieten. Ich will eine saubere Stadt, in der man auch abends sicher Spazierengehen kann. Es braucht auch soziale Prävention mit Streetworkern. 

Warum sollten Sie deutschsprachige Wähler wählen?

Weil ich einen Sinn für Gemeinschaft habe, so wie ich das Gemeinsame als grundlegend für eine Gesellschaft sehe. Im Wahlkampf erlebe ich viel Zustimmung von deutschsprachigen Wählern.

Wie sieht mit Ihren Deutschkenntnissen aus?

Ich muss mich hier eindeutig verbessern. Ich hatte im Kindergarten keine Gelegenheit mit Deutschsprachigen zusammenzukommen, der Pausenhof war durch einen Zaun getrennt. Der Deutschunterricht in den italienischen Schulen hat nicht funktioniert. Das hängt damit zusammen, dass die italienischen Rechtsparteien, die sich nun plötzlich zu Autonomisten gewandelt haben zu scheinen, stets auf Spaltung gesetzt haben. Dieses Trennende habe ich in meiner Familie sehr stark wahrgenommen. Inzwischen funktioniert der Deutschunterricht wesentlich besser, mein Sohn spricht drei Sprachen, auch wenn er eine italienische Schule besucht. Die Zeiten haben sich glücklicherweise geändert.

Was erwarten Sie von der Volkspartei, sollte ihr Kandidat nicht in die Stichwahl kommen?

Das, was sie immer getan hat, sich nämlich blockfrei zu verhalten und mit den Wahlgewinnern Diskussion zum Programm durchführen. Es ist klar, dass sich inzwischen eine neue Situation ergeben hat. Die Volkspartei unterstützt die Regierung in Rom und regiert mit den Rechten auf Landesebene. Die deutschsprachigen Wähler machen den Bürgermeister in Bozen. Mehr noch als die übrigen Mitte-links-Parteien. Ich laufe keiner anderen Partei nach, sondern stehe zu meinen Überzeugungen. Ich habe keine Angst vor einem Machtwechsel. Ich halte es für positiv, dass die Stadt – anders als 2005 nach der Wahl von Giovanni Benussi – mehrere Optionen für eine Regierungsbildung hat. Die SVP muss entscheiden, ob sie mit Casapound und anderen stark nationalistischem Parteien wie die Fratelli d‘ Italia und die Lega regieren will. Im Wahlkampf in Bozen wurden viele unserer Plakate von den Wänden heruntergerissen, das ist besorgniserregend. 

Interview: Thomas Vikoler

Zur Person

Juri Andriollo, 49, Anwalt mit Kanzlei in Bozen, derzeit Sozial- und Sportstadtrat in Bozen. Er ist Mitglied des PD und hat für die Wahlen die Bürgerliste des scheidenden Bürgermeisters übernommen. Er wird unterstützt vom PD (Spitzenkandidat: Stefano Fattor), den Grünen (Chiara Rabini) und der Liste Andriollo (Pietro Borgo).

 

 

 

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (5)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

Du musst dich EINLOGGEN um die Kommentare zu lesen.

2025 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen