„Kein Platz für extreme Positionen“
Der Unternehmer Claudio Corrarati führt als Bürgermeisterkandidat ein Bündnis aus drei nationalen Parteien und einer Bürgerliste an. Wie er sie zusammenhalten will.
TAGESZEITUNG Online: Sie sind Unternehmer und waren langjähriger Präsident der italienischen Dienstleisterverbandes CNA. Warum wollen Sie nun Bürgermeister von Bozen werden?
Claudio Corrarati: Ich habe viel von dieser Stadt bekommen, meine zwei Firmen mit 67 Angestellten haben hier ihren Sitz. Ich bin Träger der Verdienstmedaille des Landes Tirol, ich habe alles erreicht, was ich wollte. Weil ich sehe, wie weit die Politik sich von den Bürgern entfernt hat, will ich mich meiner Stadt für eine bestimmte Zeit zur Verfügung stellen. Sicher nicht wegen des Geldes.
Politisch wurden sie in der Vergangenheit Mitte-links, speziell dem PD, zugerechnet und Ihr Name wurde immer wieder im Zusammenhang mit Kandidaturen genannt.
Es stimmt, CNA wurde 1948 von der Gewerkschaft CGIl und dem Partito Comunista gegründet. In den 1990er Jahren wurde aber klargestellt, dass der Verband parteiunabhängig sein soll. Ich war immer in einem guten Dialog mit den linken Parteien, speziell als Matteo Renzi wirtschaftspolitische Reformen durchgesetzt hat. Konkret zu einer Kandidatur aufgefordert wurde ich aber nie.
Wie hat die scheidende Stadtregierung aus Ihrer Sicht gearbeitet?
Es wäre ein Mangel an Respekt, zu sagen, sie hat schlecht regiert. Ich sehe die Stadt aber sehr wohl als eine Lampe, deren Licht in den vergangenen Jahren dunkler wurde. Etwa in Sachen Sicherheit und Sauberkeit. In der Stadtregierung gab es, etwa zum Projekt für eine Ostumfahrung über die Staatsstraße 12, einen unnötigen Schwenk, der dazu geführt hat, dass Infrastrukturprojekte zurückblieben. Ich finde die Agenda Bozen notwendig und nützlich, finde aber, dass ein Tunnel Guntschna dazugehören müsste. Bis die Agenda umgesetzt wird, brauchte es schnelle Lösungen zum Verkehrsproblem. Meine Vorschläge sind: Ein Drainage-System für größere Staus, wo Fahrzeuge rasch umgeleitet werden können. Es braucht ein Management für den Touristenverkehr mit Hilfe von KI, Parkplätze im Westen, weiters eine Verstärkung des öffentlichen Verkehrs in Richtung Industriezone.
Sie haben erklärt, Sie wollten die Stadt als Bürgermeister wie ein Unternehmen führen. Können Sie das näher erklären?
Ich meine damit ein Unternehmen der Bürger, wo die Organisation, die Programmierung und die Kontrolle, sowie die Einhaltung der Regeln im Vordergrund stehen. Die Pflichten liegen auf beiden Seiten, bei der Verwaltung und den Bürgern, wobei zweitere mehr Verantwortung übernehmen müssen. Die Arbeit der 2.300 Angestellten und der Ägide der Gemeinde muss besser koordiniert werden. Es braucht wieder einen City Manager und nicht einen Bürgermeister wie Renzo Caramaschi, der alles gleichzeitig macht. Ich würde mich als Bürgermeister als Verwalter eines riesigen Kondominiums sehen. Einen der den Bürgern schnelle Antworten gibt und hier selbstgegebene Fristen einhält.
Sie versprechen im Wahlkampf die Errichtung von tausend Wohnungen. Wie soll das gehen?
Die Gemeinde wird von den Unternehmen vielfach als eine Behörde des Neins angesehen. Es ist auch klar, dass die Verwaltung nicht immer Ja sagen und den Privaten alles geben kann. Es gibt Grundeigentümern, welche die Flächen für den Bau der tausend Wohnungen bereithalten: 500 Wohnungen auf Flächen am Bozner Boden, 200 im Ex-Gandolfi-Areal in der Drususallee, weitere anstelle der Villa Melitta der Ex-Staatstelefone an der Reschenbrücke, der Polizeischule in der Drususallee. Alle mit 60 Prozent der Wohnungen mit Preisbindung. Es braucht es eine Beschleunigung der Prozeduren, denn das Gemeindeentwicklungsprogramm könnte bis zum Ende der nächsten Amtszeit nicht genehmigt sein. Es wäre auch notwendig, mit RFI über die Abtretung von einzelnen Baulosen am Bahnhofsareal zu verhandeln und Studentenheime in der Stadt zu errichten.
Soll für den Wohnbau auch landwirtschaftliche Grün angetastet werden?
Erst wenn keine anderen Flächen mehr zur Verfügung stehen. Das Gesetz für Raum und Landschaft sagt klar, dass man zuerst auf dem Gebauten bauen soll.
Hat die Stadt ein Sicherheitsproblem?
Wenn in einem Dorf etwas schiefläuft, gibt es Bürger, die darauf hinweisen. In der Stadt ist das schwieriger. Deshalb schlage ich vor, wie in Arezzo oder Reggio Emilia Bürger für die Nachbarschaftskontrolle einzusetzen, natürlich nach einer Vereinbarung zwischen Gemeinde, Quästur, von Regierungskommissariat. Dazu braucht es Stadtviertelpolizisten, Sicherheitsschalter, mehr Beleuchtung und mehr Kameras.
Warum sollten Sie deutschsprachige Wähler wählen?
Ich glaube, dass ich ein Bürger bin, stets die Zusammenarbeit mit der anderen Sprachgruppe gesucht hat. Auch weil ich überzeugt bin, dass beide Kulturen zusammen einen großen Mehrwert ergeben. Die Deutschsprachigen sind vielleicht pragmatischer und konkreter, die Italiener kreativer.
Wie sieht es mit Ihren Deutschkenntnissen aus?
Ich bin nicht perfekt, aber ich bemühe mich jeden Tag. So halte ich seit einiger Zeit die Arbeitssicherheitskurse auf Deutsch. Wenn ich mit Deutschsprachigen zusammen bin, neige ich dazu Deutsch zu sprechen. Aber, ich gebe es zu, ich muss noch viel dazulernen.
Die nationalen Parteien aus ihrer Koalition machen Wahlkampf mit der Autonomiereform. Glauben Sie, dass das die Bozner überhaupt interessiert?
Ich glaube, dass man mit der Autonomiereform nicht Wahlkampf machen sollte. Bei den Gemeindewahlen geht es um die Dinge vor Ort. Aber ich kann verstehen, dass speziell die Fratelli d‘ Italia und Forza Italia zeigen wollen, dass sie etwas für dieses Land tun. Wahlkampf von Fratelli d‘ Italia für die Autonomie war bis vor wenigen Jahren nicht vorstellbar.
Was erwarten Sie von der Volkspartei, sollte ihr Kandidat nicht in die Stichwahl kommen?
Wir verlangen nichts, nur Respekt. Ich finde, die Volkspartei, sollte sich blockfrei und ausgeglichen verhalten.
Welche Garantien können sie der SVP im Hinblick auf eine mögliche Regierungskoalition mit Ihnen als Bürgermeister geben?
Ich werde sicherstellen, dass extreme Positionen bei Mitte-rechts keinen Platz haben. Forza Italia ist sehr moderat, die Fratelli d‘ Italia haben gezeigt, dass sie sehr gewachsen sind. Die Lega wählt gern starke Töne und ich werde dafür sorgen, dass sie im Rahmen unseres Programms bleiben.
Was sagen Sie zur Kandidatur von Ex-Casapound-Gemeinderat Maurizio Puglisi Ghizzi bei der Lega?
Die Lega wird sicherstellen, dass er sich an die Vereinbarungen der Koalition hält. Es wird aber sicher eine Herausforderung.
Interview: Thomas Vikoler
Zur Person
Claudio Corrarati, 57, ist Unternehmer im Bereich der Dienstleistung und der Verlegung von Industrieböden. Mit seiner Kandidatur hat er alle bisherigen Ämter, etwa als Präsident von CNA, bei Garfidi, dem Paritätischen Komitee für das Bauwesen und der Handelskammer. Er wird als Bürgermeisterkandidat von der Civica-Liste (Bürgermeisterkandidat: Roberto Zanin), Fratelli d‘ Italia (Anna Scarafoni), Forza Italia (Patrizia Daidone) und Lega (Roberto Selle).
Ähnliche Artikel
Kommentar abgeben
Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.