„Das tut sehr weh“
Jetzt geht die Firma OberAlp in die Offensive: Heiner Oberrauch hofft noch immer, dass er die vorgestreckten 30 Millionen Euro zurückbekommt. Wenn nicht …
von Artur Oberhofer
Heiner Oberrauch ist ein schlechter Schauspieler. Der OberAlp-Chef versucht zwar den souveränen und unverwüstlichen Wirtschaftskapitän zu mimen. Doch mehrmals auf der Pressekonferenz kämpft Oberrauch gegen die Tränen an.
Ja, die Geschichte geht ihm nahe. „Das alles tut sehr weh“, sagt Südtirols Vorzeigeunternehmer mehrmals. Wenn er dann erzählt, dass „an einem 23. Dezember um 06.00 Uhr früh die Carabinieri im Zimmer seiner Enkel gestanden haben“, muss Heiner Oberrauch schlucken. „Das war brutal.“
Heiner Oberrauch und sein CEO Christoph Engl haben zu einer Pressekonferenz in das OberAlp-Headquarter geladen, um in der Masken-Geschichte „aufzuklären“.
In einem sehr professionell gestalteten, zehn Seiten starken Promemoria wird die Chronik des Masken-Skandals aus der Sicht der Firma OberAlp dargestellt. Der Succus: Man habe eine Hilfsaktion zum Schutz des Landes und der Bevölkerung gestartet – und sitze jetzt auf einem 30-Millionen-plus-Zinsen-Schuldenberg.
Der Zeitpunkt dieser Medien-Offensive ist nicht zufällig gewählt. Denn in den nächsten Wochen entscheidet sich an zwei Fronten – am Rechnungshof und am Landesgericht in Bozen –, ob der Masken-Skandal auch juridisch ein Skandal war. Und es entscheidet sich, ob Heiner Oberrauchs Firma die vorgestreckten 30 Millionen Euro zurückbekommt oder nicht. Oder zumindest einen Teil davon.
Die Hauptbotschaft auf der Pressekonferenz lautet: OberAlp habe in einer hochsensiblen Situation helfen wollen. Man habe nie ein Geschäft machen wollen.
Und vor allen Dingen: OberAlp sei nie Importeurin der Schutzausrüstung aus China gewesen, sondern nur Vermittlerin.
Und weil die öffentliche Hand – Sanitätsbetrieb und Land – außerstande gewesen sei, die Ware im Voraus zu bezahlen – was die Voraussetzung war, die Ware zu erhalten –, sei eben OberAlp eingesprungen, nachdem Heiner Oberrauch den Familienrat einberufen und grünes Licht erhalten hatte. „Ich habe damals in die Runde gefragt: Wie hätte mein Vater entschieden? Der hätte sich für das Helfen entschieden. Deswegen habe auch ich so entschieden.“
Heiner Oberrauch und Christoph Engl legen auf der PK eine E-Mail vom 13. März 2020 vor, in welcher der damalige Generaldirektor des Sanitätsbetriebes, Florian Zerzer, schrieb:
„Ihr Angebot entspricht unserer Anfrage und somit bestätige ich mit diesem Schreiben den Auftrag. Die Vertragsbedingungen gehen in Ordnung. Die Auftragsabwicklung erfolgt über den Südtiroler Sanitätsbetrieb gemäß Absprache mit LH Arno Kompatscher und den Landesräten Schuler und Widmann. Die Bezahlung erfolgt bei Lieferung.“
Am 15. März 2020, ein Sonntag, habe er den Landeshauptmann angerufen, erzählt Heiner Oberrauch. Dieser habe wörtlich zu ihm gesagt: „Ja, wenn du einen Auftrag hast, dann bekommst du das Geld sicher.“ Kompatscher habe noch hinzugefügt: „Wenn alles vorbei ist, dann gehen wir feiern.“
Er sei immer davon ausgegangen, dass der Landeshauptmann sein Versprechen halten würde, sagt Heiner Oberrauch.
Im Gegensatz zu seinem Chef Heiner Oberrauch, bei dem menschliche Enttäuschung mitschwingt, merkt man bei Christoph Engl, dass er auch in eigener Sache, um sein Image kämpft. Engl kämpft verbissen gegen die Optik, dass er es war, der Heiner Oberrauch die Geschichte eingebrockt hat. Mehrere Male sagt Christoph Engl: „Es war eine Ausnahmesituation, natürlich haben wir Fehler gemacht, aber nicht zu helfen, hätte bedeutet, dass die Ärzte und die Spitalsbediensteten sich Müllsäcke hätten überstülpen müssen.“ Und in Sachen Bezahlung, so räumt der OberAlp CEO jetzt ein, „waren wir unvorsichtig, ja, wir waren nicht vorsichtig genug“. Aber, so wird Christoph Engl nicht müde zu betonen, „um eine Ausnahmesituation managen zu können, kann nicht immer der normale Iter eingehalten werden“.
Sprich: Eine Ausnahmesituation erfordere auch mal unbürokratische Handlungen.
Das große Dilemma im Südtiroler Masken-Skandal besteht darin, dass die Südtiroler Bevölkerung Heiner Oberrauch und OberAlp ohne Zweifel abnimmt, dass er nur helfen hat wollen.
Oberrauch hat durch sein gesellschaftspolitisches Engagement bewiesen, dass er eine soziale Ader hat. Aber, und das ist die Gretchenfrage: Warum haben die Hauptakteure im Südtiroler Masken-Skandal – und insbesondere die Verantwortlichen im Südtiroler Sanitätsbetrieb – die Öffentlichkeit nicht sofort informiert, dass die aus China herbeigeschaffte Ware qualitativ mangelhaft ist? Warum hat man die negativen Materialtests mit allen Mitteln vertuschen wollen?
Hätte man der Öffentlichkeit sofort reinen Wein eingeschenkt, hätte es vermutlich keine gerichtliche Ermittlung gegeben. Und niemand hätte sich daran gestoßen, wenn die öffentliche Hand damals, in der Urphase des Skandals, mit der Firma OberAlp, die ihrerseits den chinesischen Herstellern auf den Leim gegangen ist, eine Lösung in Sachen Finanzierung gefunden hätte.
Mit den Vertuschungsversuchen hat man alles viel schlimmer gemacht und eine Spirale in Gang gesetzt, die kaum mehr zu stoppen war.
Die Mutter aller Fragen ist nun: Wie kann die öffentliche Hand (mit dem Rechnungshof im Nacken) der Firma OberAlp die 30 Millionen Euro zurückzahlen, wenn ein Gutteil der Ware nie geliefert wurde, bis heute auf einem chinesischen Flughafen lagert und – weil verfallen – keine 30 Cent mehr wert ist?
Heiner Oberrauch hat noch Hoffnung, das Geld zurückzubekommen. Gebetsmühlenartig betonen der OberAlp-Chef und sein CEO: „Unsere tatsächliche Rolle war die als Kontaktvermittlerin und als Geldleiherin, wie waren nie Lieferantin, ein Lieferverhältnis hat es zu keinem Zeitpunkt gegeben.“
Genau diese Vermittlerrolle ist auch auf juridischer Ebene die Stoßrichtung. OberAlp-Anwalt Gerhard Brandstätter erklärt auf der Pressekonferenz: OberAlp habe seine Rolle als Vermittlerin und Warenbeschafferin erfüllt, sobald die Ware auf dem chinesischen Flughafen bereitgestanden hat. Also müsse die öffentliche Hand das geliehene Geld zurückzahlen.
Konkret will OberAlp das Geld vom Sanitätsbetrieb zurück, erklärt Gerhard Brandstätter.
Frage an Heiner Oberrauch: Was geschieht, wenn sein Unternehmen das Geld nicht zurückbekommt?
„In dem Fall“, sagt der OberAlp-Chef mit ernsthafter und besorgter Miene, „übergebe ich meiner Tochter einen Betrieb in einer schwierigen Lage, in einer Situation, die sich nicht nur negativ auf das Unternehmen, sondern auch negativ auf ganz Südtirol auswirken kann.“
Kommentare (9)
Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen
Du musst dich EINLOGGEN um die Kommentare zu lesen.