Der Vielfaltsbauer

Michael Pfeifer: Ich kann nicht für alle Bauern sprechen, ich weiß nur, dass ich glücklich bin.
Der junge Vielfaltsbauer Michael Pfeifer baut auf seinem Hof in Deutschnofen auf 1350m über 500 verschiedene Sorten Gemüse, Kräuter, Getreide und Obst an. Ein Gespräch, wie es ihm gelingt, von seinem Hof zu leben und warum Vielfalt für eine gesunde Kulturlandschaft unverzichtbar ist.
Tageszeitung: Herr Pfeifer, was ist ein Vielfaltsbauer?
Michael Pfeifer: Ein Vielfaltsbauer ist, wie das Wort schon sagt, ein Bauer, der auf Vielfalt setzt. Es geht darum, nicht nur eine Art oder eine Sorte anzubauen, sondern viele verschiedenen Arten und Sorten. Jede Sorte hat andere Ansprüche und somit schafft man es, ein resilientes System zu schaffen mit stabilen Erträgen. Und das Kulinarische kommt auch nicht zu kurz.
Wie viele Sorten haben Sie?
Wir bauen auf unserem Hof über 500 verschiedene Sorten an, Gemüse, Kräuter, Getreide und Obst.
Warum ist Sortenvielfalt so wichtig?
Sortenvielfalt ist so wichtig, weil sie Resilienz bedeutet. Manche Sorten kommen mit nassen Jahren gut zurecht, manche mit trockenen. Mit einer Vielzahl verschiedener Sorten ist immer eine dabei, welche gut wächst. Sortenvielfalt ist aber auch im ökologischen Sinn sehr wichtig. In der Natur gibt es keine Monokulturen, jedes Ökosystem ist vielfältig und jede Art ist wichtig, weil alles zusammenhängt. Für eine gesunde Kulturlandschaft ist Vielfalt wichtig, weil sonst Schädlinge Überhand nehmen und das System aus dem Gleichgewicht kommt. Greift man dann noch großflächig zu chemischen Pflanzenschutzmitteln beginnt ein Teufelskreislauf. Sortenvielfalt ist aber auch ein wichtiger Teil unserer Kultur und unserer Identität, man denke nur an den Vinschger Kobis oder an die Tomate Bozner Dattel, alles Sorten, die eine direkte Verbindung zu ihrer Herkunft haben.
Wie haben Sie vorher gewirtschaftet und was hat Sie bewogen, umzustellen?
Bevor ich den Hof übernommen habe, waren unsere Felder verpachtet. Ich habe somit nicht umgestellt, sondern dem Hof neues Leben eingehaucht. Im Gemüsebau sah ich eine Möglichkeit, etwas mit unserem kleinen Hof zu erwirtschaften. Die vielen verschieden Sorten zogen mich langsam aber stetig in ihren Bann und unsere Anbaufläche wuchs dank guter Nachfrage soweit an, dass ich heute von meinem Hof leben kann.
Macht ein Vielfaltshof mehr Arbeit als ein konventioneller Bauernhof?
Diese Frage ist nicht so leicht zu beantworten, zumal ich keine Erfahrung mit einem konventionellen Bauernhof habe. Für mich ist es aber keine Frage der Arbeit, sondern der Genugtuung, welche mich antreibt.
Ihr Motto ist, sich selber und regional versorgen. Gelingt das und können Sie von ihrem Hof leben?
Ich finde, das gelingt uns im Großen und Ganzen sehr gut. Wir müssen das ganze Jahr über kein Gemüse kaufen und auch viele andere Produkte haben wir selbst. Den Rest beziehen wir möglichst regional, aber auch bei uns gibt es morgens ganz klassischen Kaffee.
Sie sagen, Sie wollen Geschmack produzieren und nicht Menge. Wie verkaufen Sie die Produkte ihres Hofes?
Unsere Produkte verkaufen wir auf verschieden Wegen: Saatgut auf Märkten, Jungpflanzen direkt ab Hof. Gemüse und Kräuter verkaufen wir direkt an die Gastronomie und seit einigen Jahren auch im Rahmen eines „Gemüseabo’s“ an Privathaushalte.
Wie reagiert Ihre Umgebung? Die anderen Bauern?
Die Umgebung reagiert zumeist positiv auf unsere Arbeit, viele Menschen sehen aber auch den Aufwand und die Arbeit, die dahintersteckt.
Gibt es andere Bauern, die auf diese Weise ihren Hof führen?
In Südtirol gibt es immer mehr „Vielfaltsbauern“, das gefällt mir sehr. Als ich vor 9 Jahren angefangen habe, kannte ich nur eine Handvoll, heute sind es sehr viele mehr.
Gewinnen Sie ihr Saatgut selbst und warum ist das eine politische Frage?
Wir gewinnen von rund 250 Sorten das Saatgut. Eine politische Frage ist das deswegen, weil man von manchen Sorten das Saatgut nicht handeln darf. Aber was soll ich tun, wenn mir eine Sorte besonders gut gefällt? Dann darf ich von eben jener Sorte kein Saatgut kaufen, und das finde ich, ist sehr schade, denn dadurch gehen sehr viele Sorten verloren. Mit all den negativen Nebenwirkungen, die dieser Sortenschwund mit sich bringt.
Was bedeutet Nachhaltigkeit für Sie?
Eine Frage, die ich gar nicht so einfach beantworten kann. Nachhaltigkeit bedeutet in meinen Augen, alles zu tun, dass auch zukünftige Generationen und wir selbst noch in der Vielfalt und der Reichhaltigkeit leben können, die es momentan noch gibt. Ich glaube nicht, dass Klimaforscher nur aus Spaß vom Klimawandel sprechen. Ich bin eigentlich sehr vorsichtig damit, andere Menschen zu beurteilen, denn jeder hat seine Geschichte und seine Gründe, aber Klimaleugner finde ich wirklich dumm.
Nachhaltigkeit hat in meinem Denken aber auch damit zu tun, sich für die eigene Region, für die eigenen Wurzeln einzusetzen und diese zu pflegen. Lebendige Regionen mit gelebten Kreisläufen wären am nachhaltigsten für alle, denn viele unserer Probleme hätten wir in einer weniger globalisierten Welt nicht. Nachhaltigkeit ist aber leider in dem System, in dem wir leben, nur sehr schwer von einzelnen Menschen umzusetzen, geschweige denn von der gesamten Gesellschaft. Für „wahre“ Nachhaltigkeit bräuchte es eine andere Politik, und sehr, sehr viel Zeit.

Der Eisathhof auf 1350m in Deutschnofen im Eggental.
Haben Sie bereits mit den Folgen des Klimawandels zu kämpfen?
Ich habe schon mit den Auswirkungen des Klimawandels zu kämpfen. Das vergangene Jahr wäre ohne den Klimawandel vermutlich anders verlaufen, und das brachte sehr viele Herausforderungen mit sich. Lange Trockenphasen im Sommer, aber auch Spätfröste und Stürme welche ganze Wälder umreisen – das sind alles Konsequenzen des Klimawandels.
Können Sie Ihren Weg zur Nachahmung empfehlen?
Wenn jemand die Begeisterung hat definitiv. Ich finde, man sollte immer die Dinge tun, die einem gefallen. Wichtig ist, dass man klein anfängt, dann kann man sich gut um alles kümmern, alles gut beobachten und damit wächst die Begeisterung. Fängt man zu groß an und es kommt nicht gleich so, wie man es sich vorstellt, ist man bald demotiviert.
Ist ein Vielfaltsbauer glücklicher als ein Monokultur-Bauer?
Ich kann nicht für alle Bauern sprechen, ich weiß nur, dass ich glücklich bin.
Interview: Heinrich Schwazer
Bt: Michael Pfeifer: Ich kann nicht für alle Bauern sprechen, ich weiß nur, dass ich glücklich bin.
Der Eisathhof
Der Eisathhof ist ein kleiner, familiengeführter Bergbauernhof auf 1350m in Deutschnofen im Eggental. Hier wachsen über 500 verschiedene Gemüsesorten, Kräuter und Getreide, daneben gibt es Schafe, Schweine und Hühner. Der Vielfaltshof vermarktet das Gemüse direkt an die lokale Gastronomie im Eggental, es gibt auch wöchentliche Abokisten für Privatpersonen. Die Erhaltung alter Sorten ist ein weiteres, zentrales Anliegen in der permakulturellen Arbeitsweise des Eisathhof’s. Man findet das Saatgut auf den verschiedenen Saatgutmärkten im Land, im Frühjahr gibt es auch eine Vielzahl an Gemüsejungpflanzen direkt ab Hof.
Neue Bauern, alte Sorten
Zwei Kurzfilme über den Erhalt von alten Sorten und die Geschichte der weltweiten Monopolisierung von Saatgut sind am 12. März beim Filmabend „Neue Bauern, alte Sorten“ im Filmclub Bozen zu sehen.
Der Filmabend am Mittwoch, 12. März um 20 Uhr im Filmclub Bozen findet im Rahmen der Reihe „Oben bleiben. Landwirtschaft und Gesellschaft“ zur Situation der Landwirtschaft statt, die vom Zentrum für Regionalgeschichte, dem Naturmuseum Südtirol, der Freien Universität Bozen, Geschichte und Region und dem Ethnologischen Verein Südtirol organisiert wird.
Es werden zwei Filme gezeigt: Zuerst der Kurzfilm der Gruppe Farmfluencer of South Tyrol „Der Vielfaltsbauer. So schmeckt die Erhaltung alter Sorten“: Der Protagonist, der junge Bauer und Koch Michael Pfeifer, hat den Hof seiner Familie in Deutschnofen neu belebt und setzt auf Geschmack, Vielfalt und den Erhalt alter Sorten, indem er im Einklang mit der Natur arbeitet. Saatgutgewinnung ist für ihn eine politische Frage und ein nachhaltiges Wirtschaften ist ein Muss in einem kollabierenden Agrarsystem (Deutsch, 7 Min).
Der Dokumentarfilm „Seed: Un Untold Story“ von Jon Betz und Taggart Siegel erzählt dagegen die Geschichte der weltweiten Monopolisierung von Saatgut: In den vergangenen 100 Jahren sind 94 Prozent der Saatgutvielfalt verloren gegangen. Zehn Agrochemiekonzerne wie Syngenta, Bayer und Monsanto kontrollieren über zwei Drittel des weltweiten Saatgutmarktes und machen immense Profite. „Seed“ zeigt Bäuerinnen und Bauern, Wissenschaftler:innen und indigene Völker, die das 12.000 Jahre alte Saatguterbe schützen und sich für die Qualität der Nahrung einsetzen (englisch, deutsche Untertitel, 1 St. 34 Min.).
Im Anschluss findet ein Gespräch mit der Farmfluencerin und Co-Regisseurin des Kurzfilms Meike Hollnaicher und dem Protagonisten des Kurzfilms Michael Pfeifer statt. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Kommentare (2)
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