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Erstaunliches Können

Der Eppaner Jungpianist Paul Herbst gewinnt die „Goldene Note by Leona König“ 2024. (Foto: ORF/Roman Zach-Kiesling)

Der 14-jährige Eppaner Pianist Paul Herbst ist ein Hoffnungsträger am Klavier. Beim österreichischen Musikförderpreis „Goldene Note“ gewann er in der Kategorie „Tasteninstrumente“ den Klassiknachwuchspreis.

Von Hubert Stuppner

Nach einem privaten Hinweis, dass am Freitag, dem 31. Mai, in einer TV Kultur-Sendung des ORF das Finale eines Junioren Musikwettbewerbes ausgetragen würde, in dessen Verlauf jungen verheißungsvollen Talenten zwischen neun und achtzehn Jahren „Goldene Noten“ im Bereich der Saiten-, Blas-, und Tasteninstrumenten aufgesteckt würden, schaltete ich, zur Hauptsendezeit, erwartungsfreudig den Sender ein. Als Juror des internationalen, in Mailand ausgetragenen Jugendwettbewerbs für „Wunderkinder“ von 6- bis 14 Jahren „Pianotalents“, war mein Interesse groß, umso mehr, als ich erfuhr, dass unter den neun Finalisten auch ein junger Südtiroler Pianist auftreten würde: der 14 Jahre alte Paul Herbst aus Eppan.

Der Preis ist umso erstaunlicher, als man für Pauls Fernsehauftritt nur das unspektakuläre „Claire de Lune“ von Debussy  auswählte, und nicht ein klassisches Klavierkonzert, mit dem sich hingegen seine älteren Mitstreiter pianistisch wirkungsvoll in Szene setzen konnten. Hört man sich jedoch auf Youtube die Werke an, mit denen sich Paul Herbst in der Solo-Vorrunde für das Finale qualifizierte, dann versteht man, dass das Urteil nicht anders lauten konnte.

Mit seinen 14 Jahren beweist Paul in der Tat erstaunliches Können. Das Video enthüllt eine vorteilhafte pianistische Veranlagung, Hände, die für das Klavier gemacht sind und zu anschlagsweichem und flüssigem Klavierspiel disponieren, außerdem Klangsinn und eine Körpersprache, in der sich ansatzweise Persönlichkeit und Selbstbewusstsein offenbaren. Seine Leistung gereicht auch der Eppaner Musikschule zur Ehre, wo er von Gertrud Schneider, einer Absolventin des Konservatoriums und Gattin von Andrea Bonatta – dem wohl erfolgreichsten Südtiroler Pianisten – unterrichtet wird. Gut möglich, dass dieser auch, im wahrsten Sinne des Wortes, bei der künstlerischen Ausrichtung der Didaktik seine „Hände im Spiel hat“.

Der berühmte Talente-Macher des 19. Jahrhunderts Theodor Leschetitzky nannte für den nachhaltigen Erfolg jeder Pianisten-Karriere eine Wunderkind-Veranlagung und kompetente Früherziehung. Aus dieser Erkenntnis heraus werden Talente von Kindesbeinen an in Junior Wettbewerben gefördert. Dass dabei die technischen Fortschritte vor allem durch das Erfolgserlebnis in Wettbewerben und Auszeichnungen hilfreich sind, liegt auf der Hand. Im Goldenen Zeitalter der Virtuosen, als es keine Wettbewerbe gab, taten es die Auftritte bei Hof, privilegiertes Vorspiel bei Kaisern und Zaren. Heute, im medialen Zeitalter, ist der Souverän das Fernsehen.

Es ist daher gewiss das höchste der Gefühle, wenn junge Talente im übernational ausgestrahlten Fernsehen ihr Können unter Beweis stellen dürfen. Allein die im ORF wie ein Eurovisions-Songcontest inszenierte und von Modertoren glamourös aufgezogene Fernsehshow, schoss über dieses Ziel hinaus und verdinglichte Musik zum Design einer gewiss suggestiven, aber irrealen Klangkulisse, in der die originale Aura von Klassischer Musik einer surrealen Disco-mäßigen Multi-Show geopfert wurde.

Diese Inszenierung entsprach im Übrigen der Ästhetik der dreiköpfigen Jury, die Alexei Gudesmann, der Geiger des Cross-Over-Duos Gudesmann& Ki-Joo, mit dem Satz auf den Punkt brachte: „Ich sage immer, es gibt nur E-Musik und U-Musik, nämlich Entertainment & Unterhaltung“. Das Elitäre, sozusagen, zum Populären degradiert. Vordergründig auch durch die drei Moderatoren betont, die nicht nur nach den ersten Anzeichen des Musiktalents fragten und den familiären Kontext beleuchteten – was bei Wunderkindern besonders aufschlussreich ist- , sondern auch die Kandidaten gründlich zu deren Hobbys und außermusikalischen Tätigkeiten befragten: beim einen, wie man fachgerecht Nudeln kocht, beim anderen, wann er die Haare schneidet, oder, im Falle der beiden Pianistinnen, wie man eine Tennis-bzw. Karate- Meisterschaft gewinnt.

Unterhaltung des Publikums, ein wenig Kurzweil bei Klatsch und Quiz, das sind nun einmal die Zutaten für Ernste Musik, wenn sie einem breiten Publikum gefallen soll. Und vor allem soll die Botschaft immer eine heitere und positive sein, und zeigen, wie leicht und lustig es ist, ein klassisches Musikstück aufzuführen. Die Ernsthaftigkeit von Kunst bleibt so leider auf der Strecke, das Bewusstsein, wie sehr für Hochleistungen extremer Leistungswillen, vor allem Ausdauer und „Sitzfleisch“ die Voraussetzung sind, ganz zu schweigen von der Disziplin und der existenziellen Risikobereitschaft, die das mögliche Scheitern miteinschließt.

Wenn Paul Herbst ernsthaft eine pianistische Karriere anstrebt, dann liegt es nahe, dass er, da Klavierspielen im Wesen eine nonverbale Kunst ist, den solitären Klavierästheten Michelangeli zum Vorbild nimmt, der einst auf Schloss Paschbach Meisterkurse hielt.

Die Klavier-Konjunktur, die nach Maximilian Trebo, der in Salzburg studiert, nun auch Paul Herbst als jugendlichen Hoffnungsträger ausweist, wurde gewiss auch durch das kulturelle Klima in Überetsch begünstigt. Dazu gehören heute ein alljährliches hochprofessionelles Klavierseminar „Piano Academy“, der Konzertverein „KulturKontakt Eppan“, in dem kürzlich auch eine weiteres Talent, der Geiger Julian Kainrath, auftrat, der „Musiksommer“ mit dem Bayerischen Jugendorchester, der „Liedsommer“. Nicht zu vergessen, dass in Überetsch noch ein Rest von Adel lebt, dem Zuckmayer mit seiner „Magdalena von Bozen“ damit ein Denkmal gesetzt hat, dass er eine blinde Pianistin einführte, die ihrem Leben mit Beethoven-Sonaten Sinn verleiht. Heute wirkt dieser Rest von Adel, indem er Schlosskonzerte veranstaltet und im Verein mit dem Geldadel das moderne Kunstbedürfnis veredelt und die ideellen und finanziellen Voraussetzungen für einen Eppaner Hot Spot der Talente schafft.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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