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„Harmloser und banaler Schritt“

Foto: Sabes

Der Impfstoff Vaxzeriva ist in der EU nicht mehr zugelassen. Christian Wiedermann vom Institut für Allgemeinmedizin erklärt, warum sich Geimpfte keine Sorgen machen müssen.

von Markus Rufin

Seit jeher weist Südtirol die geringste Impfrate in Italien auf. Das hat verschiedene Ursachen, doch wie das Institut für Allgemeinmedizin in einer kürzlich präsentierten Studie herausfand, verstärkte die Pandemie die Skepsis gegenüber der Impfung. Die aktuellen Entwicklungen rund um den Impfstoff Vaxzeriva des schwedischen-britischen Herstellers AstraZeneca könnten diesen Effekt sogar bestärken.

Der Impfstoff ist in der EU nämlich nicht mehr länger zugelassen. Die Marktzulassung wurde durch die Europäische Arzneimittelagentur EMA zurückgezogen. Im ersten Moment hört sich das wie ein handfester Skandal an. Liest man sich aber die Erklärung der EU und des Herstellers durch, ist es weit weniger dramatisch. AstraZeneca hat den Rückzug nämlich selbst beantragt – ausschließlich aufgrund der geringen Nachfrage.

In den letzten Jahren ebbte diese deutlich ab, zumal der Impfstoff bereits in Vergangenheit negative Schlagzeilen machte. Nachdem Anfang des Jahres 2021 erste Nebenwirkungen bekannt wurden, verhängten mehrere Länder einen Impfstopp, der aber bald aufgehoben wurde. Der Schaden war zu diesem Zeitpunkt aber bereits angerichtet, viele Menschen bevorzugten andere Vakzine, da diese auch leicht verfügbar waren.

Auch Christian Wiedermann, Internist und Koordinator der Forschungsprojekte des Institutes für Allgemeinmedizin und Public Health Bozen weiß von der geringeren Nachfrage: „Der Überschuss an angepassten Impfstoffen gegen Varianten des Coronavirus hat zu einem Rückgang der Nachfrage nach dem AstraZeneca-Mittel Vaxzevria geführt. Dieser auf Vektorviren basierende Impfstoff wird daher nicht mehr hergestellt oder geliefert.“

Wiedermann unterstreicht, dass die Rücknahme nichts mit medizinischen Gründen zu tun hat: „Eine Vertreterin der Europäischen Kommission bestätigte ausdrücklich, dass es keine Bedenken hinsichtlich der Sicherheit oder Wirksamkeit von Vaxzevria gebe. Der Antrag auf Rücknahme des Impfstoffs wurde hauptsächlich mit einer veränderten Marktdynamik und einem signifikanten Nachfragerückgang begründet. AstraZeneca argumentierte außerdem, dass die Verfügbarkeit zahlreicher neuerer COVID-19-Impfstoffe die Nachfrage nach Vaxzevria verringert habe.“

Besonders in impfkritischen Kreisen hat sich aber bereits die Meinung durchgesetzt, dass mit der Rücknahme des Vakzins erneut bestätigt wird, wie gesundheitsgefährdend die Covid-Impfstoffe seien. „Irreführende Darstellungen, die Sicherheits- oder Wirksamkeitsbedenken als Grund für den Zulassungswiderruf des Impfstoffs anführen, sind haltlos“, erklärt der Klinische Pharmakologe.

Die Rücknahme eines Medikaments durch die zuständige Behörde sei nicht nur ein gewöhnlicher Vorgang, sondern sogar gesetzlich vorgeschrieben: „Die regulierende Behörde muss zu jeder Statusveränderung zu einem Arzneimittel Meldung erhalten. Wenn eine Firma die Produktion einstellt, muss das von der Behörde genehmigt werden, um zu verhindern, dass die Gesundheit der Bevölkerung gefährdet wird, weil es möglicherweise einen Engpass geben könnte.“

Wenn ein Arzneimittel also vom Hersteller eingestellt wird, erfolgt automatisch die Rücknahme der Marktzulassung. Wiedermann schätzt, dass pro Jahr bis zu 20 Medikamente so vom Markt genommen werden.

Die Nebenwirkungen des Impfstoffes hätten dagegen überhaupt nichts mit der Rücknahme zu tun. Die Impfreaktion habe bei einigen Personen zu einer erhöhten Gerinnselbildung in den Blutgefäßen und somit zu einem höheren Thromboserisiko geführt. Dieselben Nebenwirkungen habe man später bei anderen Impfstoffen gesehen. „An sich hat das nichts mit dem Impfstoff, sondern nur mit der Reaktion, die das Vakzin im Körper auslöst zu tun“, berichtet Wiedermann. „Diese Reaktion ist ähnlich wie eine kleine Infektion, die den Körper nicht gefährdet. Im Körper führt es aber zu einer leichten Entzündungsreaktion. Die Stichstelle kann anschwellen und wehtun, man kann Fieber oder Kopfschmerzen bekommen und wenige Personen haben eine erhöhte Gerinnselbildungsbereitschaft, die zu Thrombosen führt.“

Wiedermann führt aus, dass behauptete Langzeitfolgen bisher nicht nachgewiesen wurden. Sollte es diese aber geben, hätten Patienten weiterhin Anspruch auf Schadensersatz. Auch der Immunschutz, die Geimpften aufgebaut haben, bleibe unverändert, zumal die Möglichkeit bestehe, sich mit genügend anderen Impfstoffen aufzufrischen. Somit bestehe für die mit AstraZeneca geimpften Personen kein Grund zur Sorge, unterstreicht Wiedermann.

Beunruhigt zeigt sich der Koordinator für Forschungsprojekte im Institut für Allgemeinmedizin aber wegen der aufkommenden Fake News von Impfgegner: „Diese lassen sich mit einem Faktencheck schnell und einfach widerlegen. Es ist nicht zuletzt deswegen wichtig, dass die Behörde feststellt, dass die Rücknahme nichts mit der Sicherheit zu tun hat und dass seriöse Medien diese Information unters Volk bringen. Es ist Teil der Transparenz, die vertrauensbildend ist.“ Wiedermann warnt davor, seine Informationen aus den sozialen Medien zu beziehen, da diese nicht überprüfbar seien.

Er weiß aber auch, dass es Menschen gebe, die diesen „harmlosen und banalen Schritt“ versuchen, in die andere Richtung zu interpretieren. Dass die Rücknahme zu einem weiteren Vertrauensverlust der Bevölkerung in Sachen Impfstoffe führt, glaubt der Internist hingegen nicht: „Ich glaube, dass der harte Kern der verschwörungstheoretischen Impfgegnern nicht von Zusatzinformationen beeinflussen lassen. Zweifler bekommen hingegen ergänzende Informationen. Somit muss das nicht zu einer weiteren Verschlechterung führen.“

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