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Zoff ums Fleisch 

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Rom verbietet den Import und Vertrieb von Laborfleisch und schürt damit Zwietracht in den politischen Reihen. Warum EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann es befürwortet und Senatorin Julia Unterberger hingegen von Nonsens spricht.

von Christian Frank

Für Furore sorgte letztlich ein in Rom verabschiedetes Gesetz, welches den Import und Vertrieb von Laborfleisch in Italien verbietet. Die Entscheidung spaltete unmittelbar die Geister der Politiker. So kam es vor dem Palazzo Chigi zu einem mit Morddrohungen beschallten Handgemenge zwischen dem Verbotsbefürworter und Präsidenten des Landwirtschaftsverbandes Coldiretti, Ettore Prandini, und dem oppositionellen +Europa Parlamentarier Benedetto Della Vedova. Auch in Südtirol polarisiert das nun verpönte Fleisch, dabei wird es in Europa noch nirgends vertrieben.

Bei Laborfleisch oder kultiviertem Fleisch wie es im allgemeinen Diskurs genannt wird, handelt es sich um von Tieren entnommenen Stammzellen, welche in einem Labor kultiviert und herangewachsen werden. Das Endprodukt soll echtes Fleisch sein, wofür kein Tier sterben, sondern lediglich eine Stammzelle entbehrt werden musste. Des Weiteren soll durch den eingeschränkten Bedarf von Tieren, Massentierhaltung und die damit zusammenhängenden Treibhausmissionen, Wasser- und Landverbrauch gesenkt werden.

Trotz der rasant fortschreitenden Entwicklung dieses kultivierten Fleisches wurde der Vertrieb in der gesamten Europäischen Union noch nicht zugelassen. Dennoch brüstet sich die Regierung Meloni mit dem erlassenen Gesetz.

„Völlig zurecht“, sagt Südtiroler EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann. Er unterstütze das klare Signal, welches Italien mit diesem Gesetzesbeschluss sende.

„Wir sagen mit dem Gesetz klar: So einen Blödsinn brauchen wir nicht“, postuliert Dorfmann. Ihm zufolge habe Italien eine ausgezeichnete Agrarproduktion, welche keinen im Labor gezüchteten Fleischersatz nötig habe.

„Bei diesem kultivierten Fleisch entsteht lediglich Ramsch, welcher in den billigsten Ausprägungen der Fleischproduktion zum Einsatz kommt. Hier wird kein Bistecca alla fiorentina hergestellt, sondern eine Fleischmasse für minderwertige Streichwürste und Ähnliches“, sagt Dorfmann.

Der EU-Abgeordnete sieht im potenziellen Einsatz von Laborfleisch die Bedrohung der bäuerlichen Fleischproduktion, auf Anlass der Großindustrie: „Hier handelt es sich um ein reines Interesse der Industrie. Wenn der Bauer Fisch, Fleisch oder Milch produziert, hat das einen Mehrwert. Diesen Mehrwert will sich die Industrie nehmen, indem sie Ersatzprodukte herstellt. Das ist die blanke Wahrheit. Diese wird dann mit Nachhaltigkeit kaschiert.“

Den von der Wissenschaft vermittelten Vorteilen der Nachhaltigkeit kann Dorfmann wenig abgewinnen und tätigt einen Seitenhieb gegen Senatorin und Befürworterin Julia Unterberger: „Es wird sehr wohl viel Wasser beim Herstellen eines solchen Zellhaufens verbraucht. Hierbei, wie meine Kollegin Unterberger, vorzugeben, dass es besonders nachhaltig wäre, ist falsch. Von Nachhaltigkeit kann keine Rede sein, das alles ergibt für mich keinen Sinn. Man muss nicht jeden Blödsinn der Wissenschaft mitmachen.“

Für Dorfmann sei die Lösung die Einschränkung des momentanen Fleischkonsums unter anderem auch durch eine Teuerung der Fleischprodukte, um somit den Bedarf kultivierten Fleisches obsolet zu machen.

„Die Aussagen von Herrn Dorfmann sind Nonsens“, wendet Rechtsanwältin und Senatorin Julia Unterberger ein und zementiert damit ihre oppositionelle Position. Sie gibt zu bedenken, dass Italien mit diesem Gesetz ein Phantom jage, welches es noch gar nicht gäbe und dem die Regierung im Ernstfall überhaupt nichts einwenden könne: „Wenn es irgendwann so weit sein sollte und die europäische Lebensmittelbehörde kultiviertes Fleisch zulässt, hat Italien keine Befugnis mehr, das zu verbieten. Dieses Gesetz ist eine totale Propagandaaktion.“

Sowie italienweit die Befürworter des Laborfleisches das Verbot in seiner Rechtmäßigkeit hinterfragen, verlautet auch Unterberg ihre Zweifel: „Dieses Verbot geht gegen den europäischen Gedanken und den europäischen Markt. Zuerst hat die Regierung dieses Gesetz der EU zustellen wollen, hat die Zustellung aber dann zurückgezogen, weil sie wussten, dass die EU es nicht akzeptieren würde. Präsident Mattarella müsste das Gesetz bereits unterschrieben haben, hat es aber bis heute nicht getan, weil er große Zweifel hegt. So etwas passiert in jeder Legislatur maximal fünf Mal.“

Überzeugt führt Unterberger die nachhaltigen Vorteile an und beruft sich auch auf den Zeitgeist: „Es spart nachgewiesen Ressourcen ein, und wenn auch noch der Strom nachhaltiger wird, kann die Vorteile kein vernünftiger Mensch leugnen. In Italien hat man diesen absolut rückwärtsgewandten, unwissenschaftlichen Ansatz, demzufolge man versucht, alle Alternativen von Fleischproduktion zu unterbinden, weil man befürchtet, dass Bauern zu wenig verdienen könnten. In anderen Ländern mit klügeren Politikern investiert man sogar in diese Technologie.“

Unterberger hegt keine Bedenken, dass die Viehbauern in ihrer Existenz bedroht sein könnten und wendet ein, dass Südtirol, wie auch der Rest Italiens, nicht ansatzweise im Stande sei, so viel Fleisch zu produzieren, wie das Land benötige. Weiteres, so die Senatorin, zielt kultiviertes Fleisch gegen die Massenproduktion ab und nicht gegen Bauern, welche ihr Vieh artgerecht halten.

„Es dauert noch etwas, aber das wird eine Revolution. Ich begrüße den Gedanken an einen im Labor kultivierten Südtiroler Speck, es ist die Zukunft“, sagt Unterberger.

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