„Helfende Hand“
Der Athesia-Medienkonzern beglückt auch heuer wieder alle Maturaklassen des Landes mit der Tageszeitung „Dolomiten“. Das Begleitschreiben ist das Pamphlet eines Monopolisten, der allen Ernstes glaubt, die Wahrheit gepachtet zu haben.
von Artur Oberhofer
Sepp Kusstatscher kennt den Spruch vom geschenkten Gaul, dem man nicht ins Maul schauen sollte. Aber das Begleitschreiben von Athesia-Direktor Michl Ebner und „Dolomiten“-Chefredakteur findet der ehemalige EU-Parlamentarier und Lehrer aus Villanders „überheblich, geschmacklos und schamlos“.
Um was geht es?
Die Athesia AG schenkt auch in diesem Schuljahr allen Maturaklassen im Lande ein Abo des Tagblattes der Südtiroler.
So weit, so gut. Grundsätzlich habe er keine Schwierigkeiten, wenn Schulklassen Gratisexemplare von Zeitungen oder Zeitschriften bekommen, sagt auch Sepp Kusstatscher. Doch das Begleitschreiben hat es in sich.
Die Athesia AG, die sich im Laufe der Jahre in der Region Trentino-Südtirol ein für westeuropäische Verhältnisse einzigartiges Medienmonopol aufgebaut hat, sieht sich selbst als Quelle der Wahrheit, ob das nun den Ukraine-Krieg oder den Landtags-Wahlkampf angeht.
In dem Brief des Athesia-Direktors und seines schreibenden Bruders heißt es wörtlich:
„Liebe Schülerinnen, liebe Schüler, unsere mediale Welt ist voll von falschen und unzuverlässigen Informationen. ,Fake News‘ verbreiten sich rasant über die sozialen Medien, teilweise gesteuert von einzelnen Gruppe, Parteien oder Personen. Viele Leserinnen und Leser fühlen sich verunsichert, verlieren den Überblick und können Dinge nicht mehr richtig einordnen. Und dies kann leider auch Auswirkungen auf die konkrete Welt haben – sei es bei globalen Themen wie dem Ukraine-Krieg oder lokalen wie den anstehenden Landtagswahlen in Südtirol.
Um eine helfende Hand anzubieten, schicken wir – die Athesia AG – auch heuer wieder allen Abschlussklassen der Südtiroler Oberschulen von Montag bis Freitag täglich ein Exemplar unseres Tagblatts ,Dolomiten‘ zu.
Nur wenn Quellen überprüft, Meldungen gründlich recherchiert und Nachrichten von gut ausgebildeten Redakteuren verfasst werden, kann man sich auf deren Inhalte verlassen. In unseren Redaktionen gehen engagierte Journalisten tagtäglich ihrem Handwerk nach – jeder Artikel wird genau geprüft und nur veröffentlicht, wenn er unseren hohen Qualitätsstandards entspricht.
Wir hoffen, dass Euer Unterricht durch die Lektüre der ,Dolomiten‘ um tagesaktuelle Geschehnisse gut ergänzt wird und wir somit zu Eurer Ausbildung beitragen können …“
Die Botschaft ist klar: Athesia hat über sein Flaggschifft, die Tageszeitung „Dolomiten“, die Wahrheit gepachtet.
Dass sich die Tageszeitung „Dolomiten“ in einem Begleitschreiben an angehende MaturantInnen – also an mündige BürgerInnen – als die ultimative und alleinige Quelle der Wahrheit darstellt, ist nicht nur ein Akt der Selbstüberschätzung und der Arroganz, sondern eine Beleidigung der SchülerInnen.
Sepp Kusstatscher würde gerne wissen, wie viele Schulen das Geschenk abweisen und wie viele es annehmen.
Einem geschenkten Gaul …
Kommentare (33)
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