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„Limit überschritten“

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Kinder- und Jugendanwältin Daniela Höller warnt vor dem zunehmenden Konsum von nikotinhaltigen Produkten. Vor allem Vapes, E-Zigaretten und Snus seien problematisch.

Tageszeitung: Frau Höller, Produkte, wie Vapes oder E-Zigaretten, mit denen man sich das Rauchen leichter abgewöhnen sollte, finden immer mehr Anklang bei Jugendlichen. Auch bei denen, die zuvor nie geraucht haben. Was war der Anstoß, um sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen?

Daniela Höller: Seit knapp einem Jahr haben wir uns als Kinder- und Jugendanwaltschaft mit diesem Thema auseinandergesetzt. Grund dafür war unsere Zusammenarbeit mit Schulen: Bereits in den Mittelschulen sind E-Zigaretten und Vapes ein häufiges Thema, weshalb sich mehrere Lehrpersonen nach der rechtlichen Lage erkundigt haben. Gleichzeitig wurden wir immer öfter von Mittelschulen gebeten, das Thema bei unseren Besuchen in den Schulen zu vertiefen. Aus diesem Grund entschlossen wir uns, dieses Thema anzuschneiden, um die Jugendlichen über die rechtliche Grundlage aufzuklären, insbesondere was den Verkauf und das Aushändigen von Tabakwaren beziehungsweise neuartigen Produkten, die Nikotin enthalten, betrifft.

Wie ist die aktuelle rechtliche Lage?

Die Verbote zu Tabakwaren richten sich immer an die Erwachsenen, welche die Produkte verkaufen oder aushändigen. Hierbei hat die italienische Regierung verschiedene Maßnahmen ergriffen, um den Konsum von E-Zigaretten durch Minderjährige zu beschränken. Dazu gehört das Verbot, elektronische Zigaretten und Nachfüllflüssigkeiten, welche Nikotin enthalten, an Personen unter 18 Jahren zu verkaufen. Bei Zuwiderhandeln ist mit Verwaltungsstrafen zu rechnen, welche von einer verwaltungsrechtlichen Geldbuße zwischen 500 und 3.000 Euro bis zu einer zeitweiligen Suspendierung der Gewerbegenehmigung reichen. Auf der anderen Seite gibt es auch Produkte, die grundsätzlich in Italien verboten sind, wie beispielsweise Snus und Nikotinbeutel. Abgesehen davon tragen wir als Erwachsene auch eine gewisse Verantwortung, näher hinzuschauen und die Jugend dafür zu sensibilisieren.

Die Vapes werden immer kleiner, handlicher und bunter. Auch die verschiedenen süßen Geschmacksrichtungen lassen darauf schließen, dass vor allem junge Menschen damit angesprochen werden sollen. Sind solche Marketing-Strategien heutzutage noch vertretbar?

Das ist der Angelpunkt, da es gesetzlich verboten ist, Tabakwaren an Minderjährige auszuhändigen oder zu verkaufen. Auf der anderen Seite ist es offensichtlich, dass es sich bei der Zielgruppe um junge Menschen handelt, denen man manche nikotinhaltigen Produkte wie Spielzeug verkauft. Gleichzeitig werden sie meist als tabakfrei beworben, was durch den fehlenden Beigeschmack von Tabak unterstrichen wird, weshalb man Vapes nicht mehr mit der ungesunden braunen Substanz in Verbindung bringt. Nichtsdestotrotz enthalten sie Nikotin, weshalb wir nach wie vor zur Vorsicht mahnen. Ein weiterer Punkt ist, dass die Tabakindustrien sich vermehrt darum bemühen, ihre Produkte augenscheinlich gesünder wirken zu lassen, was wir als besonders gefährlich empfinden, vor allem bei Minderjährigen, die dadurch verführt werden. Neben dem gesundheitlichen Aspekt handelt es sich meistens um Einwegprodukte, welche, wenn sie nicht ordnungsgerecht entsorgt werden, umweltschädlich sind. Auch der moralische Aspekt sollte nicht außen vor gelassen werden, weshalb es moralisch betrachtet, kritisch ist, genau die Altersgruppe ansprechen zu wollen, für die die Produkte verboten sind, und damit auch Profit zu machen. Meiner Meinung nach ist das Limit erreicht worden, weshalb man solche Werbestrategien einen Riegel vorschieben sollte.

Sollte auch auf Social-Media, wo viele Jugendliche unterwegs sind, die Werbung solcher Produkte verboten werden?

Ja, da Werbung auf Social-Media-Plattformen praktisch auf junge Menschen zugeschnitten ist, weshalb dort strengere Bedingungen für die Unternehmen herrschen sollten. Gleichzeitig sollte man beachten, dass es zwar Altersbeschränkungen für verschiedene Applikationen gibt, diese jedoch nicht eingehalten werden, weshalb man den Zugriff zu Social-Media strenger regulieren und kontrollieren sollte. Deutlich wird diese Notwendigkeit aufgrund der Tatsache, dass bereits Grundschüler Zugriff zu Formaten haben, die nicht für sie geeignet und somit mit Werbung konfrontiert sind, die sie nicht richtig einordnen können. Um dem entgegenzuwirken ist es einerseits wichtig, die Eltern zu sensibilisieren, andererseits sollten auch die Netzwerkbetreiber entsprechend in die Mangel genommen werden. Ein weiterer Vorschlag der nationalen Kinder- und Jugendanwältin wäre eine Art Spid für Minderjährige, damit das tatsächliche Alter des Nutzers bereits vorab verifiziert werden kann.

Warum konsumieren die Jugendlichen Vapes, trotz der Gefahren, die von ihnen ausgehen?

Warum die Jugendlichen Vapes konsumieren, ist vermutlich ein ähnlicher Diskurs wie der, den wir bei Alkohol und Zigaretten führen. Zum einem macht es die Tatsache, dass es verboten ist, spannender. Auf der anderen Seite sieht man Erwachsene, die das Produkt dennoch konsumieren, was einen interessanten Anblick für Jugendliche bietet. Ich glaube, dass es sehr eng mit diesem Mechanismus verknüpft ist. Hinzukommt, dass es sich bei den Vapes nicht um die klassische stinkende Zigarette handelt. Im Gegenteil sie ist bunt, handlich und teilweise ist sie auch nicht in den Innenräumen verpönt, was sie von Zigaretten deutlich unterscheidet. Diese Unterschiede nehmen junge Menschen deutlich wahr und kommen aus der Summe solcher Informationen zum Entschluss, dass es nicht so gefährlich ist.

Interview: Stefanie Putzer

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