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Seidls desolate Männerwelt

Überzeugend: Hans-Michael Rehberg in seiner letzten Rolle

Ursprünglich hätte „Sparta“ gemeinsam mit „Rimini“ Teil des filmischen Dyptichons „Böse Spiele“ werden sollen. Dann wurden zwei Filme draus.  „Sparta“ machte Schlagzeilen. 

von Renate Mumelter

Ausgangspunkt für „Rimini“ und „Sparta“ ist eigentlich ein alter Mann, der verwitwet und abgetreten im Altersheim „Waldesruh“ lebt und zwei Söhne hat, den extrovertrierten Richie, Schlagersänger in Rimini, und den introvertierten Ingenieur Ewald. 

In „Sparta“ geht’s um Ewald und seinen Versuch, die eigenen pädophilen Neigungen in Rumänien zu bannen. Dieses Thema brachte den Film in Verruf. Das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ warf Seidl vor, am Set nicht korrekt gearbeitet zu haben. Seidl wehrte sich vehement gegen diese „Enthüllungen“. Die Gerüchte haben leider zur Folge, dass viele der Themen in „Sparta“ nicht beachtet werden, beispielsweise das Altern.

Rehbergs starker Abgang

Gealtert ist der Vater der Brüder. Er lebt in einem Altersheim und wird von Hans-Michael Rehberg in dessen letzter Rolle beeindruckend gespielt. Vater bettet das Foto seiner Frau aufs Kissen, wird von Ewald zum Friedhof begleitet, damit er ihre Urne herzen kann, und am Ende des Films ist er allein im Zimmer. Dieser einsame Mann, dieser Altnazi, summt und singt Schuberts Winterreise und ruft nach seiner Mama: „Nun ist die Welt so trübe….“ Schon allein wegen dieser Schlussszene lohnt es sich, bis zum Filmende sitzen zu bleiben. 

Trübe

ist nicht nur das Altersheim, wo die Rollator-SeniorInnen mit öden Quiz-Spielen bespaßt werden, trübe sind auch das Wetter in Rumänien und die Stimmung der Menschen im Waldesruh und in Baba Novac. Dort sucht Ewald inmitten von Baufälligem eine alte Schule aus, und er sucht sich Buben aus. Gemeinsam errichten sie eine Judoschule, eine Einrichtung, in der er den Buben Gutes tun will und sich selbst auch. 

Seidl zeigt Ewald auf einer gefährlichen Gratwanderung der Zurückhaltung. Ob mehr passiert, lässt er offen. Seidl zeigt auch, wie er sich die Väter dieser Buben vorstellt: grob und grob und grob. Seidls Männerwelten.

Buben

Dass Kinder schauspielerisch in einen Pädophiliekontext gestellt werden, ist problematisch, und es fragt sich schon, ob die Eltern wirklich über die Tragweite der möglichen Assoziationen bei der Rezeption aufgeklärt wurden. Bei erwachsenen Darstellern ist das anders. Die entscheiden selbst, womit sie umgehen können wollen. Ich hätte mir diesen Bubenteil des Films gerne erspart. 

Bis zum Ende im Kino zu bleiben, lohnte sich aber trotzdem. Siehe oben. Und gelohnt hat es sich zu sehen, was für eine Stimmung erzeugt werden kann, wenn eine desolate Location an die andere gereiht wird und auch noch das schlechte Wetter mitspielt. 

Regenwetter gab es übrigens auch in Teil 1 des Dyptichons und Nebel und geschlossene Hotels. 

„Wer nicht gerade in einem akuten Gemütstief steckt, kann sich „Rimini“ ruhig ansehen“, schrieb ich damals. Dasselbe gilt für „Sparta“. Bilder, Schnitt und Spiel lohnen sich, das Thema ist „boh“.

Das Lehrerzimmer

„Boh“ ist übrigens auch „Das Lehrerzimmer“, wo eine junge Lehrerin im Mittelpunkt steht, die alles gut machen will aber fast alles falsch macht. Für mich als ehemals Unterrichtende war es schwer dabei zuzusehen, wie sie sich nicht von den Schülerinnen und Schülern sondern vom Lehrerzimmer drangsalieren lassen muss. Mit Schülerinnen und Schülern ist nämlich viel Positives möglich. Das hat erst wieder der wunderbare Dokumentarfilm „Il cerchio“ gezeigt. 

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