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„Ich traue der Sache nicht“

Mit Franz Hintner, dem Amtstierarzt von Meran und Präsidenten der Tierärztekammer, befeuert jetzt auch ein ausgewiesener Experte die Verschwörungsthese im Fall des zerkratzten Autos im Völser Ried. 

TAGESZEITUNG: Herr Dr. Hintner, Sie sind ein erfahrener Tierarzt. Mal ganz ehrlich: Ist ein Hund imstande, ein Auto so zuzurichten wie jenes im Völser Ried? 

Franz Hintner: Ich bin gegen vieles skeptisch, was derzeit verbreitet wird. Wenn jetzt nach so viel Zeit gesagt wird, dass ein Hund das getan hat, dann ist das für mich nicht ganz logisch. Aber ehrlich gesagt: Für mich war auch die Bären-These nicht ganz logisch. 

Warum? 

Dass ein Bär ein Auto angreift, ist eher unwahrscheinlich. Aber auch dass ein Hund auf ein Auto losgeht, ist nicht ganz einleuchtend …

Wenn ein Marder unter der Motorhaube an den Schläuchen genagt hat?

In dem Fall hätte man ja Spuren vom Marder finden müssen, etwa abgebissene Leitungen usw. Das mit dem Marder kann theoretisch sein, aber so eine Verwüstung ist für einen Hund kaum machbar …

Sie glauben also doch eher an einen Bären?

Ein Bär hat mehr Gewicht, für einen Hund wäre das sehr schwer … Wie gesagt: Für mich ist das eine wie das andere nicht ganz nachvollziehbar.

Also befeuern auch Sie die Verschwörungstheorie, wonach man nur nicht offen sagen will, dass es ein Bär war, um die erregten Deutschen zu besänftigen und die Touristen nicht zu verschrecken?

(lacht) Ich sage nur: Ich traue der Sache nicht, und daher kann ich nicht ausschließen, dass man aus der Not eine Tugend macht und sich eine Wahrheit zurechtzimmert, die schlussendlich niemand beweisen kann.

Aber am Auto wurden Hundehaare gefunden?

Das müssen wir so glauben …

Sie glauben das nicht?

Es wurde so kommuniziert.

Gehen wir recht in der Annahme, dass Sie nicht ausschließen, dass die Hundehaare in einem zweiten Moment auf die Motorhaube gelangt sein könnten? 

Ich weiß nicht, ob und wie die Haare auf das Auto gekommen sind, und Sie wissen es auch nicht. Wir müssen also das glauben, was man uns sagt.

Zerkratzes Auto in Völs (Foto: Tom Beier)

Sie glauben die offizielle Version also nicht?

Ich sage nur: Für mich ist die offizielle Version nicht ganz schlüssig. Und ich selbst bin mit der Zeit auch etwas misstrauischer geworden, das muss ich zugeben.

Noch einmal: Sie schließen eine Verschwörung der Touristiker und/oder der Politik zum Zwecke der Beruhigung der Touristen nicht aus?

Das ist eine gute Frage. Natürlich geht nach der tödlichen Bären-Attacke im Trentino die Angst um, es gibt Stornierungen im Tourismus. Dass da jemand zu beschönigen versucht und sagt: Wir müssen den Ball flach halten, das kann ich nicht ausschließen. Sie haben ja in der Vergangenheit gesehen, wie schnell eine Stimmung kippen kann …

Damit meinen Sie?

Ich glaube so vieles nicht mehr. Können Sie sich noch erinnern an die zwei Frauen, die letztes Jahr in Ulten Wölfe steif und fest behauptet haben, sie wären Wölfen begegnet. Dann hat sich herausgestellt, dass es Gemsen waren. Und so nahe können die Gemsen den Frauen nicht gekommen sein, denn jeder weiß, dass Gemsen nicht auf Menschen zugehen, sondern das Weite suchen. Ich, jedenfalls, hatte noch nie das Glück, einer Gams über den Weg zu laufen.

Sie halten es also mit dem Italiener, der sagt, die offizielle Wahrheit in Bezug auf das zerkratzte Auto in Völs sollte man mit den „pinze“ nehmen?

Richtig. Viele Informationen, die man den Menschen gibt, lassen sich nicht beweisen. Ich glaube so vieles nicht mehr.

Zurück zum Völser Auto: Schließen Sie aus, dass ein Hund einen Pkw – auch wenn es „nur“ ein Fiat war – so zurichten kann?

(lacht) Schauen Sie: Ein Hund schafft es, eine Autokarosserie zu zerkratzen. Aber so wie ich das Auto in der Zeitung gesehen habe, waren das nicht nur Kratzer, sondern Dellen, also tiefe Kratzspuren. Ich zweifle stark, dass ein Hund, auch wenn er 50 Kilogramm wiegt, so tiefe Kratzspuren verursachen kann.

Und wenn es zwei Hunde waren?

Ich zweifle stark. Denken Sie nur daran, wie fest Sie mit einem Nagel drücken müssen, um tiefe Kratzer in eine Karosserie zu machen. Dasselbe gilt umgekehrt für den Bären, der 150 oder gar 200 Kilogramm wiegt: So ein Bär hat eine ganz andere Gewalt …

Das Auto würde im Falle einer Bären-Attacke noch brutaler aussehen?

Ja, davon ist auszugehen. Ich kann daher nur noch einmal wiederholen, dass für mich beide Thesen schwer zu beweisen sind.

Interview: Artur Oberhofer

 

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