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Das schleichende Gift

Die „Bachlechner“-Grundschule in Bruneck (Foto: Google-Maps)

Im Kellergeschoss der Grundschule „Josef Bachlechner“ in Bruneck, wo mehrere Klassen untergebracht sind, wurden erhöhte Radon-Werte gemessen. Die Eltern klagen über mangelnde Transparenz.

von Artur Oberhofer

Die Geschichte beginnt vor 15 Jahren.

So wie in allen anderen Schulen Südtirols wurden im Jahr 2008 im Rahmen des sogenannten Radon-Monitorings auch in der „Bachlechner“-Grundschule in Bruneck die Radon-Werte kontrolliert.

Damals noch durch das Landesamt für Luftanalysen und Strahlenschutz. „Bei den Messungen im Jahr 2008 haben wir keinen einzigen erhöhten Wert feststellen können“, sagt Luca Verdi, der Direktor des Landesamtes für Luftanalysen und Strahlenschutz. In der damals m Kellergeschoss der „Bachlechner“-Grundschule untergebrachten Mensa wurde ein Radon-Wert von 400 Becquerel pro Kubikmeter gemessen (Schulklassen war damals noch keine im Kellertrakt untergebracht). Der Radon-Grenzwert lag 2008 noch bei 500 Becquerel pro Kubikmeter.

Im Jahr 2020 wurde der Strahlenschutz in Italien neu geregelt. Seitdem gilt für Radon ein Grenzwert von 300 Becquerel. Im Zuge der gesetzlichen Neuregelung wurde genau definiert, wie die Behörden bei eventuellen Überschreitungen zu reagieren haben. Und: Es wurde mit dem Strahlenschutz-Sachverständigen eine neue Figur geschaffen. Die Strahlenschutz-Sachverständige hat auch die Kompetenz eine Radon-Sanierers.

Kurzum: So wie in anderen Schulen des Landes mussten auch in der „Bachlechner“-Grundschule in Bruneck neue Messungen durchgeführt werden.

Diese Messungen wurden im Spätherbst 2022 nicht mehr vom Landesamt für Strahlenschutz, sondern von einer Bologneser Spezialfirma durchgeführt. Auf Umwegen erfuhren Schülereltern, dass im Kellergeschoss der Brunecker Grundschule, in der seit mehreren Jahren zwei bis drei Klassen, ein Musikraum, ein Informatikraum und eine Kinderküche untergebracht sind, erhöhte Radon-Werte gemessen worden seien.

Das war im Dezember 2022.

Seitdem sorgt das Radon-Thema an der „Bachlechner“-Schule für Missstimmung. Schüler-Eltern werfen der Direktion vor, das Problem bagatellisiert zu haben. Den Eltern wurden monatelang konkrete Daten vorenthalten. Es gab keine Informationen vonseiten der Direktion.

Schuldirektor Oswald Lanz verteidigt sich: „Ich habe alles unternommen, was in meiner Kompetenz liegt“, sagt er auf Anfrage der TAGESZEITUNG.

Die Fakten:

Die Bologneser Firma hat im November des vergangenen Jahres in den Klassenräumen im Kellergeschoss der Brunecker Grundschule tatsächlich erhöhte Radon-Werte festgestellt. „Die Werte lagen bei knapp unter 500 Becquerel und bei knapp über 500 Becquerel“, bestätigt jetzt Direktor Lanz. Nach Informationen der TAGESZEITUNG wurden auch 530 Becquerel gemessen, der Grenzwert liegt, wie gesagt, bei 300 Becquerel.

Laut Direktor Oswald Lanz habe trotz der erhöhten Radon-Werte „keine Notwendigkeit bestanden“, die SchülerInnen auszuquartieren. „Wir haben umgehend die Gemeindeverwaltung als Eignerin der Immobilie informiert und all jene Maßnahmen getroffen, die uns der Sachverständige der Bologneser Firma aufgetragen hat“, sagt Lanz.

So seien die Klassen im Erdgeschoss der Grundschule „regelmäßig gelüftet“ worden, und zwar lange vor Schulbeginn und, so der Direktor, „durch eine sehr, sehr lange Querlüftung, indem man Fenster und Türen aufmacht“. Durch das „regelmäßige Lüften und den extrem starken Luftaustausch“ habe man die Radon-Werte reduzieren können“, so der Brunecker Schuldirektor, der Wert auf die Feststellung legt, dass er „das Radon-Problem sehr ernst“ nehme.

Außerdem habe der Sachverständige der Bologneser Firma festgestellt, dass die Klassenräume im Kellergeschoss weiterhin genutzt werden könnten, wenn sie gelüftet werden.

Zu Lanz‘ Ehrenschutz muss man anführen, dass er das Problem von seiner Vorgängerin, die nach Sand in Taufers abkommandiert wurde, geerbt hat.

Frage an den Direktor: Warum haben Sie die Geschichte mit den erhöhten Radon-Werten nicht ganz offen kommuniziert?

Oswald Lanz: Wir haben die Lehrpersonen informiert.

TAGESZEITUNG: Aber nicht die Eltern?

Oswald Lanz: Nein. Wir haben das nicht für sinnvoll erachtet, weil die Ängste sonst noch größer geworden wären.

TAGESZEITUNG: Aber wenn ein Kind in eine Klasse mit erhöhten Radon-Werten geht, möchten die Mutter und der Vater das schon wissen?

Oswald Lanz: Wir haben uns an das gehalten, was uns die Spezialfirma gesagt hat. Diese Firma hat gesagt, dass in den betroffenen Räumen unterrichtet werden kann.

TAGESZEITUNG: Können Sie gesundheitliche Schäden ausschließen, schließlich haben sich Kinder und LehrerInnen jahrelang und stundenlang in den – wie man erst seit November 2022 weiß – Räumen mit einer erhöhten Radon-Konzentration aufgehalten …

Oswald Lanz: Ich fühle mich in einer sehr guten Position, weil ich alles unternommen habe, was in meiner Kompetenz steht.

Indirekte Rückendeckung bekommt der Direktor der Grundschule „Josef Bachlechner“ von Luca Verdi, dem Chef im Amt für Strahlenschutz. „Von der Prozedur her ist das, was die Schule gemacht hat, in Ordnung“, sagt Verdi.

Ein fahler Beigeschmack bleibt freilich.

Denn plötzlich haben es Schule und Gemeindeverwaltung eilig bekommen.

So werden die zwei Klassen, die zuletzt im Kellergeschoss untergebracht waren, nach Ostern in eines der oberen Stockwerke verlegt, kündigt Direktor Oswald Lanz an.

Und Bürgermeister Roland Grießmair erklärt gegenüber der TAGESZEITUNG, dass die betroffenen Klassenräume in den Sommermonaten „auf Radon saniert“ würden. „Radon“, erklärt der Bauingenieur Grießmair, „wird gefährlich, wenn sich das Gas staut und wenn man einen Keller nie lüftet.“

Also waren die Fragen und die Protestet der Schülereltern doch nicht so unberechtigt.

Foto: 123RF.com

+++ DER INFO-KASTEN – Was ist Radon? +++

Radon ist ein natürlich vorkommendes radioaktives, geruchloses Edelgas (Halbwertzeit 3,8 Tage), das sich im Boden durch den radioaktiven Zerfall von Uran bildet. 
Das Isotop Radon (Rn-222) ist eines der Produkte der Zerfallsreihe des Urans-238 und das einzige das als Gas auftritt. Es kann damit vom Gestein entweichen, sich im Boden verbreiten und in geschlossenen Lebensräumen konzentrieren und inhaliert werden.

n geschlossenen Räumen, vor allem in jenen mit Erdkontakt und mit geringem Luftwechsel, kann Radon hohe Konzentrationen erreichen. Das Gas kann durch undichte Stellen im Kellerbereich ins Haus eindringen. Räumlichkeiten im  Unter- und Erdgeschoss sind besonders betroffen. 

Radon ist, nach Tabakrauch, die zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs und für ca. 3-14% dieser Erkrankungen verantwortlich. Man rechnet dass mit jeder Konzentrationserhöhung von 100 Bq/m³ das Krebsrisiko um 10% ansteigt.

 

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (4)

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  • morgenstern

    Wenn man Spieler und Schiedsrichter zugleich ist kann man davon ausgehen das „Spiel“ zu gewinnen. Den neue Schiri muss sich offensichtlich erst einarbeiten.

  • tirol

    als Chemiker muss ich sagen, die Herren haben ja nie die WHO Richtlinien über Radon durchgelesen (Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt einen
    Referenzwert von 100 Bq/m3 Radon in der Luft von Innenräumen; bei einem Anstieg von 100 Bq/m3 Radon in der Raumluf steigt der rel. Lungenkrebsrisiko um 16%-Europäischen PoolingStudie) und die Reaktion der Verantwortlichen. Das die Eltern nicht informiert worden sind, ist höchst bedenklich/fahrlässig, dazu würde ich als Elternteil von Direktor die Jahresdosis [mSv]/Klasse verlangen, wenn diese 1milliSv/Jahr (empfohlener Grenzwert für Kinder) übersteigt, die nötigen Maßnahmen/Schritte einleiten.

    Direktor: „regelmäßige Lüften und den extrem starken Luftaustausch“ habe man die Radon-Werte reduzieren können“, so der Brunecker Schuldirektor, der Wert auf die Feststellung legt, dass er „das Radon-Problem sehr ernst“ nehme“
    Da müssten ja die Fenster immer offen sein! Ansonsten werden die Werte max. für 1h oder so gesunken. Wenn man die Problematik ernst genommen hätte, hätten man die Eltern informiert und die Klassen sofort in anderen Räumen verlegt.

    • steve

      Laut Gesetz ist der „Tecnico di risanamento Radon“ zu beauftragen Verbesserungen vorzuschlagen. Den wird der Direktor sicherlich konsultieren und die Maßnahmen umsetzen, nehme ich an!
      Lüften ist sicher eine wirksame Maßnahme, denn so schnell diffundiert Radon sicher nicht in den Raum.

  • george

    Dieses Radonproblem habe ich schon vor 30 Jahren klärend an die Öffentlichkeit gebracht und dafür gesorgt, dass es an unserer Schule rigoros (auch gegen den Widerstand von Gemeinde und Schulführungskraft) angegangen worden ist. Habe damals auch die Eltern und Schüler ausgiebig darüber informiert. Warum dies nicht auch an anderen Schulen gemacht wurde, ist und bleibt Fahrlässigkeit und ist durch nichts zu entschuldigen.

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