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Das nicht bewiesene Komplott

Alex Schwazer (Screen Sky Sport)

Der Fall Alex Schwazer ist für die italienische Strafjustiz endgültig abgeschlossen: Nun wurde auch die internationale Ermittlung der Staatsanwaltschaft Bozen zur Komplott-Theorie mit mehreren Rechtshilfeansuchen eingestellt.

von Thomas Vikoler

Der Bozner Richter Walter Pelino ist mehr denn je davon überzeugt, dass die positive Dopingprobe von Alex Schwazer, entnommen am 1. Jänner 2016 in Kalch, manipuliert worden ist. In seiner Verfügung, mit der er vor zwei Jahren die Ermittlung gegen den Olympiasieger im Gehen von Peking 2008 zum Verdacht des Sportbetrugs einstellte, ist von einer „hohen Wahrscheinlichkeit“ einer Manipulation der Urinprobe die Rede.

Gleichzeitig forderte Pelino die Staatsanwaltschaft auf, gegen die Welt-Antidopingagentur WADA und den Leichtathletik-Weltverband World Athletics (vormals IAAF) Ermittlungen aufzunehmen. Bereits im Zuge des über drei Jahre dauernden Beweissicherungsverfahrens hatte die Staatsanwaltschaft angekündigt, ein Ermittlungsverfahren zur sogenannten Komplott-Theorie eingeleitet zu haben.

Nach Informationen der TAGESZEITUNG ist das Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft nun eingestellt worden. Der Fall Alex Schwazer für die italienische Strafjustiz damit endgültig abgeschlossen. Archiviert wurde auch das Verfahren gegen zwei Gutachten der Zivilparteien (WADA und IAAF), denen Richter Pelino in seiner Verfügung getürkte Beweismittel vorgeworfen hat. Die Staatsanwaltschaft kommt in ihrem Archivierungsantrag zum Schluss, dass die Gutachter im Interesse ihrer Mandanten gehandelt hätten und somit strafrechtlich nicht verantwortlich gemacht werden könnten.

Doch zurück zur Komplott-Ermittlung: Im Rahmen von dieser hat die Staatsanwaltschaft Rechtshilfesuchen an mehrere europäische Staaten gestellt, die allesamt beantwortet wurden. Sie gingen u.a. an Deutschland (wegen des in Köln befindlichen Labors für Biochemie im Institut für Sportmedizin, in welchem Schwazers Urinprobe ausgewertet wurde) und an Liechtenstein, wo auf Bozner Geheiß sogar eine Aktenbeschlagnahme durchgeführt wurde. Ermittelt wurde auch in Italien, ein Arzt wurde als Tatverdächtiger ins Ermittlungsregister eingetragen. Dazu wurde ein umfangreicher E-Mail-Verkehr sichergestellt und ausgewertet.

Doch offensichtlich ohne strafrechtlich beweisbares Ergebnis. Nicht ausreichend für eine Anklage, wie inzwischen die Losung gemäß Cartabia-Reform lautet.

Die Verteidiger von Alex Schwazer (Gerhard Brandstätter, Karl Pfeifer, Thomas Tiefenbrunner) hatten im Beweissicherungsverfahren wiederholt auf den von der russischen Hackergruppe Fancy Bear geleakten E-Mails zwischen IAAF und dem Kölner Labor hingewiesen, die letztlich in den Bozner Verfahrensakt aufgenommen wurden. Dort stellt ein Anwalt der IAAF die verräterische Frage, ob man im Labor wisse, Teil eines „Komplotts gegen Alex Schwazer“ zu sein.

Das potentielle Motiv für eine Manipulation: Die belastenden Aussagen Schwazers im Bozner Prozess gegen die FIDAL-Sportärzte Giuseppe Fischetto und Pierluigi Fiorella und die Angriffe von Trainer Sandro Donati gegen die gedopten russischen Athleten.

Doch die Staatsanwaltschaft zeigte kein Interesse an dem brisanten Datensatz und verwies auf dessen kriminelle Aneignung. Jedenfalls zu jenem Zeitpunkt schien die Bereitschaft der Strafverfolgungsbehörde nicht groß, die Hintergründe der wahrscheinlichen Manipulation im Kölner Labor und seine Auftraggeber näher zu untersuchen.

Dies tut dagegen eine Netflix-Serie über den Fall Alex Schwazer, die demnächst gezeigt wird. Titel: „Il caso Alex Schwazer“.

 

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