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Sittenstrolch

 

Matthias Tretter: Schauen Sie sich um, es gibt mittlerweile kaum noch einen Bereich, der nicht moralisch aufgeladen wird. Wahrscheinlich ist es die Logik des Kapitalismus.

Mathias Tretter eröffnet mit „Sittenstrolch“ die heurigen Meraner Kabarett Tage.

Mathias Tretter ist kein Mann der lauten Töne, keiner der draufhaut. Er macht intelligentes politisches Kabarett. Das gibt es tatsächlich. Mit Claus von Wagner und Philip Weber tobte er sich in jungen Jahren im „Ersten deutschen Zwangsensemble“ aus, das 2007 mit dem „Salzburger Stier“ belohnt wurde. Dann trennten sich die Wege der drei Jung-Kabarettisten. In Meran eröffnet Tretter mit „Sittenstrolch“ am 17. März die diesjährige Ausgabe der Kabarett Tage (20 Uhr, Stadttheater Meran). Es ist sein 7. Solo-Programm, das ihm im kommenden Mai in Linz auch einen Solo-Stier bescheren wird.

Tageszeitung: Es scheint, als hätte nicht nur das Publikum, sondern auch die Jury des Radiokabarettpreises Salzburger Stier auf einen Sittenstrolch gewartet?

Mathias Tretter: Worauf die Jury gewartet hat, kann ich natürlich kaum beantworten. Die Juroren, die ich in meiner Laufbahn persönlich erlebt habe, warteten vor allem auf Getränke.

Hat es einen Anlass gegeben, dieses Thema zu wählen, oder anders gefragt: Was hat Sie gereizt?

Was einen immer reizt: Das persönliche Erleben. Schauen Sie sich um, es gibt mittlerweile kaum noch einen Bereich, der nicht moralisch aufgeladen wird. Wahrscheinlich ist es die Logik des Kapitalismus. Nachdem der Markt selbst die intimsten Verästelungen der Existenz durchdrungen hat, schleift er jetzt die Moral wie seinen halbtoten siamesischen Zwilling auch noch dorthin.

Sie befürchten, dass die Moral bei uns im Westen bald genauso gut bewacht wird wie bei den Chinesen. Warum haben Sittenwächter Aufwind?

Siehe oben. Die Leere, die das Shopping hinterlässt, muss irgendwann gefüllt werden. Ist Ihnen aufgefallen, dass in Großstädten immer mehr dieser Lagerhäuser entstehen, wo man Raum mieten kann, in dem man den Krempel unterbringt, der nicht mehr in Wohnung und Keller passt? Wenn der dann auch noch voll ist, ist es nicht mehr weit zur Moral.

Eigentlich ein ernstes Thema, das Sie – ich zitiere den Bayerischen Rundfunk – mit anarchischem Witz füllen. Eine Herausforderung?

Nicht im Mindesten. Je ernster das Thema, desto einfacher der Witz. Humor ist ja grundsätzlich dazu da, dem vermeintlich Ernstesten gegenüberzutreten; von daher fühlt er sich eh dort am wohlsten, wo es angeblich nichts zu lachen gibt. Er wird nicht umsonst oft mit England verbunden.

Sie sagten einmal „An erster Stelle steht für mich, dass die Leute lachen.“ Wer sorgt diesmal für die Lacher: Der Sittenstrolch oder die Moralapostel?

Der Tretter, wie ich hoffe.

Ein Franke übersiedelt nach Leipzig, eine Stadt mit langer Kabarett-Tradition. Hat der Ortswechsel auch in Sachen Humor eine Veränderung bewirkt?

Schwer zu sagen, da ja nicht nur der Ort sich geändert hat, sondern vor allem auch die Zeit. Man wird älter, was, zumindest nach dem, was ich an mir selbst beobachte, dazu führt, dass sich der Humor in seiner ganzen Grandezza erst enthüllt. Ich hab’ ja mit fünfzig auch nicht mehr so lange, der Herrgott hat mich sitzen lassen, der größte Trost, der bleibt, ist das Gelächter.

Und jetzt kommen Sie nach Meran. Südtirol ist aber kein Neuland für Sie.

Nein, ich bin schon einmal in Brixen aufgetreten und habe daran wärmste Erinnerungen. Südtirol war in meiner Kindheit und Jugend lange Zeit das Ziel der, wie man im letzten Jahrtausend sagte, Sommerfrische. Auch finde ich, dass gutes Wetter UND gutes Essen eine Kombination ist, wie man sie glückseliger kaum erwarten darf. Und dann war auch noch Italien in der Nähe.

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