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Warme Flüsse

Anders als bisher angenommen, hat der Ökologe Georg Nedrist nun durch eine Langzeitstudie aufgezeigt, dass die Temperatur der alpinen Flüsse durch den Klimawandel nicht sinkt, sondern steigt. Welche Auswirkungen das mit sich bringt.

von Markus Rufin

Der Klimawandel bringt zahlreiche Veränderungen mit sich, einige sind gar nicht absehbar, andere werden gerade erst erforscht. So beispielsweise auch die Auswirkungen des Klimawandels auf alpine Flussgewässer.

Der Ökologe Georg Niedrist, der an der Uni Innsbruck forscht, hat nun in einer Publikation aufgezeigt, dass sich die alpinen Gewässer immer schneller erwärmen.

Niedrist hat dabei Langzeit-Messdaten des hydrologischen Dienstes des Landes Tirol analysiert vom Inn und der Großache analysiert und herausgefunden, dass die Temperatur im Inn in rund 45 Jahren um 0,24 Grad und in der Großache in 25 Jahren um 0,44 Grad stieg. Auch die jährlichen Höchst- und Tiefsttemperaturen stiegen im Beobachtungszeitraum signifikant und die warmen Perioden wurden deutlich länger.

Dabei zeigt besonders das letzte Jahrzehnt einen starken Anstieg der niedrigsten und höchsten Wassertemperaturen pro Jahr, welcher mit dem Anstieg der lokalen Lufttemperaturen korreliert. Die fünf höchsten Tagesmittelwerte des Inns wurden beispielsweise alle im Zeitraum von 2013 – 2020 gemessen und seit mehreren Jahren hat die Wassertemperatur im Inn nicht mehr den Gefrierpunkt erreicht – auch nicht für wenige Stunden.

Die Daten sind vor allem deshalb überraschend, weil man in der Forschung bisher davon ausging, dass die Erwärmung durch Schnee- und Eisschmelze gedämpft wird. Niedrist kommt nun aber zu einem völlig anderen Schluss.

Wie der Ökologe erklärt, könne man die Erkenntnisse aber auch auf Südtiroler Gewässer übertragen: „Die Klimaerwärmung findet im gesamten Alpenraum verstärkt statt. Die Luft erwärmt sich hier stärker und die Flusstemperatur gleicht sich der Lufttemperatur an. Deshalb ist davon auszugehen, dass das auch in Südtirol der Fall ist.“

Dabei hat der Mittelwert nicht enorm zugenommen, allerdings unterstreicht Niedrist, dass die Extremwerte – ähnlich wie bei den Lufttemperaturen – zunehmen: „Neu ist eine generelle und erhebliche Erwärmung beider Gewässer in den Wintermonaten. So steigen die winterlichen Temperaturen zumindest ähnlich schnell wie jene im Sommer.“

Aufgrund dieser Entwicklung gebe es teils „drastische Auswirkungen“ auf die Entwicklung bestimmter Kaltwasserorganismen, meint der Ökologe: „Die prominenten Vertreter sind die Fische. Durch die Erwärmung während des Winters könnte sich die Laichzeit beziehungsweise die Ei- oder Larvenentwicklung überschneiden. Das ist ein sensibler Lebenszyklus, der gestört werden kann. Die ein oder andere Art könnte vulnerabel darauf reagieren. Was genau passiert, weiß man nicht, weil man sich bisher nicht damit befasst hat.“ Prinzipiell bürge eine Veränderung des Ökosystems aber immer Ungewissheiten.

Doch nicht nur auf bestimmte Organismen haben die höheren Temperaturen in den alpinen Gewässern Auswirkungen: „Die Wassertemperatur ist die treibende Kraft des Lebens im Wasser. Sie steuert die physikalischen und chemischen Parameter und regelt beispielsweise die Aktivität der Organismen. Ökosystemprozesse wie zum Beispiel die Löslichkeit von Sauerstoff oder Mineralien oder die Selbstreinigungskraft des Wassers sind davon ebenso abhängig.“ Unter anderem könnte das Einwandern von gebietsfremden Arten oder Parasiten dadurch ermöglicht werden.

Das heißt, auch die Wasserqualität könnte auf langfristiger Sicht beeinflusst werden, auch wenn Niedrist diesbezüglich vorerst entwarnt: „In alpinen Flüssen ist es nicht absehbar, dass die Sauberkeit beeinflusst wird, auch wenn Veränderungen nicht ausgeschlossen werden können.“

In einem weiteren Schritt will der Ökologe nun die weitreichenden Folgen der zu erwartenden weiteren Erwärmung der Fließgewässer auf biologische Gemeinschaften untersuchen. „Aufgrund der Geschwindigkeit, in der die Erwärmung des Alpenraums jetzt passiert, sind noch viele Folgen und Wechselwirkungen weitestgehend unbekannt.“

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