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„Neues Südtirol-Tempo“

Die Landwirtschaft als Dreh- und Angelpunkt der Energiewende, stand im Zentrum der 76. Landesversammlung des Südtiroler Bauernbundes am Samstag im Waltherhaus in Bozen. Wie immer wurden auch die Bergbauernpreisträger des Jahres geehrt. Und der Steinkeller-Stiftungspreis vergeben.

Unter dem Motto „Energievoll in die Zukunft“ legte Bauernbund-Landesobmann Leo Tiefenthaler bei der diesjährigen Landesversammlung des Südtiroler Bauernbundes die Marschrichtung für die nächsten Jahre fest: Umwälzungen hätten gezeigt, wie abhängig Europa von autoritären Staaten geworden ist. Hauptaufgabe der EU sei es deshalb, diese Abhängigkeit abzubauen.

Hier kommt der Landwirtschaft eine zentrale Rolle zu!“, meinte Tiefenthaler im voll besetzten Waltherhaus in Bozen. Er forderte: „Was wir in der Energiepolitik brauchen, ist ein komplettes Umdenken – weg von Energieimporten, hin zu mehr lokaler Produktion von erneuerbaren Energien.Daran führe kein Weg vorbei. Wie sonst können die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent reduziert und die EU bis 2040 klimaneutral werden?

Landwirtschaft im Zentrum der Energiewende

Tiefenthaler unterstrich, dass es zunächst notwendig sei, die Energieeffizienz zu steigern, Energie intelligent zu nutzen und vor allem den Energieverbrauch zu überdenken und zu reduzieren, auch wenn es schwerfällt. Das sei der beste Klimaschutz überhaupt!

Und dann sei die Zeit gekommen, den Großteil der Energie nachhaltig zu produzieren. Tiefenthaler meinte: „Im Zentrum dieser Transformation muss die Landwirtschaft stehen: Die Landwirtschaft muss Teil der Energiewende sein!“ Hemmend seien hier noch Bürokratie und unnötig komplexe lange Genehmigungsverfahren. „Wenn wir es mit dem Klimaplan des Landes ernst meinen, müssen wir die Verfahren maximal vereinfachen und beschleunigen. Wir brauchen ein neues Südtirol-Tempo!“, plädierte Tiefenthaler.

Eine der größten Wachstumspotentiale biete die Photovoltaik. Bereits vor über zehn Jahren habe eine Offensive des Südtiroler Bauernbundes und des Handwerkerverbandes lvh dazu beigetragen, dass auf rund 2000 Bauernhof-Dächern Photovoltaik-Anlagen entstanden sind. Danach sei es zwar wieder ruhig geworden um die Solarenergie, mit dem deutlichen Preisanstieg für Energie sei aber auch das Interesse an der Photovoltaik wiedererwacht. Wünschenswert wären nun garantierte Preise oder entsprechende Förderungen.

Leo Tiefenthaler

Lösungen müsse es auch für die Agri-Photovoltaikgeben. Natürlich sind auch wir nicht dafür, dass Agri-Photovoltaik immer und überall angebracht werden kann, aber in klar abgegrenzten, definierten Zonen, wo das Landschaftsbild nicht beeinträchtigt wird, sollte Agri-Photovoltaik künftig möglich sein“, meinte der Landesobmann.

Dem Holz werde noch immer viel zu wenig Beachtung geschenkt. Das zeige sich auch bei den derzeitigen Verhandlungen über höhere Preise für die Fernheizwerke. Tiefenthaler schlug vor: Wenn Fernheizwerke mit öffentlichen Mitteln gebaut oder erneuert werden, sollten sie dazu verpflichtet sein, Großteils lokales Holz zu nutzen. Das wäre auch angesichts des Borkenkäferproblems wichtig“, erklärte der Landesobmann und dankte Landeshauptmann Arno Kompatscher, Landesrat Arnold Schuler und der ganzen Landesregierung für die angekündigten Förderungen der Schadholzbringung.

Etwas vergessen werde in der aktuellen Diskussion über erneuerbare Energie das Biogas.

Derzeit sind etwas über 30 Anlagen in Südtirol in Betrieb. Nur etwa ein Drittel der möglichen Biogasproduktion wird aktuell aber genutzt“, erklärteTiefenthaler. Dabei habe Biogas viele Vorteile: Kuhmist, Gülle und organische Reststoffe sind ausreichend vorhanden, die Biogasproduktion ist plan und steuerbar und eine gute Ergänzung als Grundlastenergie. Aus Biogas lassen sich Strom, Wärme und Biomethan gewinnen und nicht zuletzt sind die fermentierten Gärreste ein wertvoller organischer Dünger.

Als spannenden Ansatz bewertet Tiefenthaler die sogenannten Energiegemeinschaften. Leider sind noch nicht alle Details geklärt und noch einige Durchführungsverordnungen ausständig, ich erwarte mir aber, dass die offenen Fragen auf römischer Ebene rasch geklärt werden, damit interessierte Bäuerinnen und Bauern wissen, was möglich ist und was nicht“, meinte der Landesobmann.

Georg Strasser, Obmann des Österreichischen Bauernbundes, war Gastredner der diesjährigen Landesversammlung. Er erklärte: Die Land- und Forstwirtschaft in Europa steht vor zentralen Fragestellungen.Zum einen gehe es darum, wie Europa künftig ernährt werden soll, das sei eine qualitative Frage. Die Antwort darauf müsse Regionalität sein. Zum anderen gehe es um die globale Ernährungssicherheit. Hier könne die standortangepasste Landwirtschaft ein Lösungsansatz sein. Und die dritte Frage sei laut Strasser: Wie machen wir Europa energieunabhängiger? Er forderteEnergieautonomie: „Die Landwirtschaft muss Teil dieserEnergiewende sein!“

Grußworte der Ehrengäste

In seinen Grußworten unterstrich Massimiliano Giansanti, Präsident des nationalen Bauernverbandes Confagricoltura, die Bedeutung der Bäuerinnen und Bauern für die globale Versorgung mit Lebensmitteln. Deshalb kommt der Landwirtschaft eine zentrale Rolle zu, vor allem in Anbetracht der steigenden Weltbevölkerung. „Wir sind stolz, Bauern zu sein, aber die Herausforderungen sind groß und werden immer größer“, erklärte Giansanti, vor allem weil die Ansprüche von außen immer größer werden. Hier sei die Politik gefragt, sie müsse günstige Rahmenbedingungen für die landwirtschaftliche Produktion schaffen, beispielsweise mit der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU.

Landeshauptmann Arno Kompatscher versprach Entgegenkommen bei der Energieproduktion durch Photovoltaik. Er bedankte sich bei den Bäuerinnen und Bauern für die Produktion hochwertiger Lebensmittel und für die Pflege der Kulturlandschaft. Nun gelte es, die ökologische Wende zu meistern. „Es ist möglich, Zukunft zu gestalten“, sagte er, gemeinsam könne das gelingen, mit sachlicher, ehrlicher Kommunikation und Diskussion.

Günther Felßner, neuer Präsident des Bayerischen Bauernverbandes, sprach von einer Zeitenwende und ihren Herausforderungen: Resilienz sei nun gefordert, man müsse sich neu aufstellen. Klima- und Ressourcenschutz können aber auch eine Chance sein, vor allem für die Landwirtschaft: „Denn wir haben die Kernkompetenzen in diesen Bereichen“, sagte Felßner. Die Bauernverbände sollen Denkfabrik für die Politik sein, weil sie Antworten auf Zukunftsfragen braucht.

Bergbauernpreisträger 2023

Für die vorbildliche Führung ihrer extremen Bergbauernhöfe wurden auch in diesem Jahr wieder drei Familien mit dem Bergbauernpreis 2023 ausgezeichnet, stellvertretend für die vielen Bergbauernfamilien im Land. Der Preis wird alljährlich von den Südtiroler Raiffeisenkassen gestiftet. Herbert Von Leon, Obmann des Raiffeisenverbandes, übergab die Preise gemeinsam mit Bauernbund-Landesobmann Leo Tiefenthaler: An Familie Johann und Juliane Schrottvom Hof Obertinner in Latzfons, Klausen, Familie Michael und Waltraud Prugger vom Hof Farmazon in Platt, Moos im Passeiertal und Familie Helmut und Edith Premstaller vom Hof Ötzer in Durnholz, Sarntal.

Steinkeller-Stiftungspreis geht an Thurnerhof in Untermais, Meran

Wie immer bei der Bauernbund-Landesversammlungwurde auch in diesem Jahr wieder der Stiftungsbeitrag der „Dr.-Steinkeller-Stiftung“ für den Erhalt bäuerlicher Baukultur vergeben. Er wurde vom Stiftungspräsidenten Siegfried Brugger der Inhaberin des Thurnerhofes in Untermais, Maria Theresia Baur, und ihrer Familieüberreicht.

Das denkmalgeschützte Wohnhaus besteht aus dem unteren Teil eines Turmes im Osten und einem westlich angebauten jüngeren Bauteil. Obwohl der Hof erst im Jahre 1600 als das gietl zum Turner zu Hagnacherwähnt wird, spricht der Baubestand für ein höheres Alter. Der ursprüngliche Turmteil dürfte ins 14., wenn nicht gar ins späte 13. Jahrhundert zurückreichen.

In den letzten Jahren wurde das Haus vorbildlich saniert und an moderne Wohnbedürfnisse angepasst. Stiftungspräsident Siegfried Brugger würdigte in seinen Worten den großen Einsatz und das Feingefühl der Bauernfamilie bei der Sanierung der historischen Bausubstanz des Thurnerhofes. Denn es war ein steiniger Weg: Die Familie hatte die Sanierung bereits im Jahr 2003 in Angriff genommen. Dann aber brannte der Dachstuhl aus, die Sanierung wurde abgebrochen. In einem zweiten Anlauf ging die Familie die Mammutaufgabe aber noch einmal an und brachte sie zum erfolgreichen Abschluss. Auch für dieses Durchhalten erhielt die Familie den Dr.-Steinkeller-Stiftungspreis.

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