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Zu viele Skifahrer?

Foto: Wisthaler/Dolomiti Superski

Eine Serie an schweren Skiunfällen in Tirol und überfüllte Ambulatorien in Südtirol. Wie der Brunecker Orthopäde Hubert Agreiter die vielen Skiunfälle erklärt und wie man in den Spitälern damit umgeht.

von Markus Rufin

Es sind erschreckende Zahlen, die das österreichische Kuratorium für alpine Sicherheit liefert. In Österreich sind alleine in dieser Saison 13 Personen auf Skipisten tödlich verunfallt.

Elf davon ereigneten sich im Bundesland Tirol. Dort reißt die Serie an schweren Skiunfällen nicht ab. Auch am Wochenende gab es zahlreiche schwere Unfälle.

In Südtirol kam es bisher auf den Skipisten noch zu keinem tödlichen Unfall. Die Zahl der Skiunfälle bleibt in Südtirol jedoch unverändert hoch. Seit dem 25. Dezember wurden im Krankenhaus Bruneck rund 650 reine Skiunfälle behandelt, erklärt der Orthopäde Hubert Agreiter.

Dass es in Tirol mehr schwere Unfälle als in Südtirol kann Agreiter dementsprechend nicht bestätigen. Wenn dann erkenne er aber keinen speziellen Grund dafür: „Schwere Unfälle hat es immer schon gegeben, dass es in Tirol so viele in einer so kurzen Zeit gibt.“

Zwar fehle es vor allem nördlich der Alpen außerhalb der Skipisten an Schnee, doch die Pisten selbst seien künstlich beschneit und gut präpariert. Nur wenige der Verunfallten seien aber außerhalb der Pisten unterwegs gewesen.

Dabei bestätigt der Orthopäde, der auch im Traumacenter Kronplatz tätig ist, dass die Zahl der Tourengeher, die außerhalb der Pisten unterwegs sind, zugenommen hat: „Einerseits haben die Leute während der Pandemie damit begonnen, weil die Lifte stillgestanden sind, doch auch die hohen Skipasspreise und der viele Rummel auf den Pisten haben dazu geführt, dass es mehr Skitourengeher gibt. Dass derzeit die Bedingungen alles andere als ideal sind, ist den meisten klar – zumal nördlich der Alpen außerhalb der Pisten alles grün ist.“

Für ihn ist die hohe Zahl der schweren und tödlichen Unfälle unter anderem auf die Anzahl der Skifahrer zurückzuführen. Nach der Pandemie habe Agreiter den Eindruck gewonnen, dass viele Personen ein Aufholbedürfnis hätten: „Dazu muss man nur schauen, was auf den Straßen los ist. Alleine zum Kronplatz kommen an Spitzentagen über 25.000 Gäste, dass es bei solchen Zahlen zu mehr schweren Unfällen kommt, ist klar.“

Es sei aber schwierig zu sagen, ob es zu viele Skifahrer gebe. „Fakt ist, dass die Hotels immer größer werden und der Tourismus immer mehr ausgebaut wird. Dadurch sind die Ballungszentren überfüllt. Ich denke, das kann man auch nicht vermeiden.“

Ein weiterer Grund für die Zunahme an schweren Unfällen sei auch das gestiegene Durchschnittsalter der Skifahrer, meint Agreiter: „Mittlerweile fahren die Leute auch mit 60 oder 70 Jahren noch Ski. In einem solchen Alter kann man sich auch bei einem leichten Sturz einen Becken- oder Oberschenkelbruch zuziehen.“

Das alles habe aber nicht zu einem sprungartigen, sondern zu einem kontinuierlichen Anstieg der Skiunfälle geführt. Das bestätigen die Daten des österreichischen Kuratoriums für alpine Sicherheit. Denn während es zwar 13 tödliche Unfälle gab, ist die Zahl der Unfälle in Österreich in der heurigen Saison unterdurchschnittlich.

Nichtsdestotrotz ist der Druck auf die Krankenhäuser durch die vielen „Skihaxen“ enorm. Nicht nur in Österreich. Wie Agreiter berichtet, seien die Ambulatorien in den Südtiroler Spitälern seit der Hauptsaison voll.

Von Jahr zu Jahr verschlechtere sich die Situation dort, allerdings nicht wegen der Zunahme an Unfällen, sondern wegen des Mangels an Betten. Im Zuge der Pandemie mussten die Betten in der Orthopädie Bruneck beispielsweise von 54 auf 32 reduziert werden. Die OP-Kapazität (vor einem Jahr fehlte es auch an Anästhesisten) konnte dagegen beibehalten werden.

Aufgrund des Bettenmangels müsse man bei der Behandlung der Patienten sehr streng vorgehen. „Personen, die weniger schwere Verletzungen haben, werden einfach erstversorgt und anschließend transportfähig gemacht, sodass sie verlegt werden können“, schildert Agreiter die Situation. „Alle Betten, die wir haben, brauchen wir nämlich für OP-Patienten, die stationär aufgenommen werden müssen.“

Eine einfache Lösung für das Problem sei aktuell nicht in Sicht, denn man könne die Betten nicht einfach herzaubern, es brauche auch das nötige Personal. Weil es in der Pandemie zu Kündigungen und Suspendierungen kam, war der Bettenabbau überhaupt erst notwendig.

Die einzige Möglichkeit, sich Spielraum zu verschaffen, besteht darin, selektive Eingriffe zu verschieben. Das heißt, durch die hohe Last, die durch die verunfallten Skitouristen entsteht, müssen am Ende Einheimische draufzahlen. Den meisten Südtiroler sei das zwar bewusst, dennoch möchte Agreiter unterstreichen: „Patienten mit selektiven Eingriffen müssen Einschränkungen hinnehmen, das bedeutet aber nicht, dass Touristen in der Winterzeit wichtiger als Einheimische sind. Wir müssen so vorgehen, um die Ambulatorien freizubekommen.“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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