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Im digitalen Nimmerland

Probenfoto Peter Pan: Das Stück handelt vom Druck, unter dem junge Menschen heute stehen. (Foto: Francesco Biondi)

Vier Opern bringt die Stiftung Haydn zwischen März und April auf die Bühnen in Bozen, Trient und Rovereto. Im Mittelpunkt steht die Auftragsoper „Peter Pan – The Dark Side“ des Osttiroler Komponisten Wolfgang Mitterer nach einem Libretto von David Pountney.

(sh) Seit mehr als hundert Jahren zieht James M. Barries Romanklassiker „Peter Pan“ über den niemals erwachsen werdenden Titelhelden Erwachsene wie Kinder in seinen Bann.  Mit dem Disney-Zeichentrickfilm und der legendären Verfilmung des Stoffes mit Robin Williams in der Hauptrolle ist die abgründige Geschichte allerdings heftig versüßlicht worden.

Gegen Disney ist bekanntlich kein Kraut gewachsen, dennoch, oder gerade deswegen, hat der künstlerische Leiter der Opernsaison der Stiftung Haydn Matthias Lošek, sich vorgenommen, den Stoff wieder seiner ursprünglichen Intention, also einer Gesellschafts- und Sozialkritik à la Charles Dickens, zurückzugeben: „Die Lesart, die wir auf die Bühne bringen, ist näher am Original, düsterer, sie wirft Fragen auf wie: Was bedeutet es, nach Nimmerland zu fliegen? Was bedeutet es, Kinder zu verführen und sie ins Nimmerland zu bringen? Was bedeutet es, nicht erwachsen werden zu wollen?“

Der Komponist Wolfgang Mitterer verbindet Elektronik, Orchester, Gesang, Jazz und Klassik

Als Komponisten für „Peter Pan – The Dark Side“ konnte er den Osttiroler Wolfgang Mitterer, einen Pionier der elektroakustischen Musik, gewinnen. Er hat ein musikalisches Gewebe geschaffen, das sich durch jede Faser der Geschichte zieht – von den dunkelsten Momenten bis zu den humorvollsten – und Elektronik, Orchester, Gesang, Jazz und Klassik miteinander verbindet. Zu hören sind Anklänge an Bill Evans‘ Porgy and Bess und Richard Strauss‘ Salome. Jede Figur bewegt sich wie in einem maßgeschneiderten Kleid in ihrer eigenen Klangwelt. Das musikalische Ensemble, bestehend aus dem Haydn Orchester, acht Protagonisten sowie dem Chor der Piraten und „lost boys“, wird von Timothy Redmond, einem international anerkannten Dirigenten für zeitgenössische Musik, geleitet.

Das Libretto von David Pountney erzählt eine Geschichte von Einsamkeit, Orientierungslosigkeit und Zerbrechlichkeit der neuen „digitalen Generation“ – die Regisseurin Daisy Evans übersetzt das in eine Geschichte über das Erwachsenwerden und den Verlust der Unschuld: „Peter Pan handelt davon, wie gefährlich die Nostalgie vieler Erwachsener nach ihrer Jugend ist, aber auch vom Wunsch von Teenagern, so erwachsen wie möglich zu sein: Wir sehen Wendy, gefangen in einem Strudel von Einflüssen aus den sozialen Medien. Das Stück handelt vom Druck, unter dem junge Menschen heute stehen. Verführt von Peter Pan, driftet sie ab in ein „digitales Nimmerland“, in dem Realität und Fantasie verschwimmen.“

(Premiere der Auftragsproduktion der Stiftung Haydn ist am 25. und 26. März)

Winterreise

Den Auftakt der Opernsaion macht am 19. März ein Liederabend der besonderen Art. In einer radikalen Neuinterpretation der Winterreise verwandeln Oliver Welter, Leadsänger der Band Naked Lunch und die Pianistin und Performerin Clara Frühstück den gleichnamigen Liederzyklus von Franz Schubert für Klavier und Gesang in emotional berührende, moderne Songs zwischen Klassik und Pop. Ein regelrechter Wendepunkt in der Rezeption dieses romantischen Meisterwerks.

Hanjo

Sechs Jahre nach dem Erfolg von The Raven des Komponisten Toshio Hosokawa bringt die Stiftung Haydn am 1. und 2. April Hanjo auf die Bühne des Teatro Sociale in Trient. Als Libretto diente Yukio Mishimas gleichnamiges Stück aus der Tradition des japanischen N?-Theaters. Hanjo ist eine ergreifende und hypnotische Kammeroper über das Thema des Wartens, eine unerfüllte Liebesgeschichte zwischen der Geisha Hanako und ihrem jungen Geliebten Yoshio. Hanjo ist eine Koproduktion mit der Catapult Opera New York. In Bozen und Trient wird die Oper unter der musikalischen Leitung von Marco Angius und der Regie und Choreografie von Luca Veggetti, der häufig mit Hosokawa zusammenarbeitet, aufgeführt.

Curon/Graun

Nach zahlreichen Auszeichnungen gastiert die erfolgreiche Musiktheaterinstallation Curon/Graun im Rahmen des diesjährigen Opernprogramms am 4. April 2023 im Teatro Zandonai in Rovereto, der Heimatstadt des Autors und Regisseurs Filippo Andreatta des Theaterkollektivs OHT – Office for a Human Theatre. Curon/Graun macht das Schicksal des gleichnamigen Dorfes Graun, das 1950 für den Bau des Reschenstausees überflutet wurde, zum bestimmenden Thema. Bis heute ragt einzig der Kirchturm von St. Anna als stummes Mahnmal dieser vormaligen Heimat aus dem Wasser. Die Zwangsevakuierung von Graun ist der rote Faden der Handlung, sie wird mit Zurückhaltung und nur über Texte, Bilder und Musik von Arvo Pärt erzählt.

Info und Tickets: Der Verkauf von Einzelkarten und Abonnements beginnt am 3.01.2023 an den Vorverkaufsstellen des Stadttheaters Bozen und des Teatro Sociale in Trient sowie online unter www.haydn.it

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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