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Der Präzedenzfall

Seilbahn Tiers (Foto: lpa/Helmuth Rier)

Die Dienststellenkonferenz des Landes saniert die Bausünden an der Tal- und Bergstation der neuen Tierser Seilbahn. Bis Weihnachten dürfte diese wieder in Betrieb gehen.

von Thomas Vikoler

Es war eine juristische Schwergeburt erheblichen Ausmaßes, insbesondere weil es sich um einen Präzedenzfall zu einem neuen Gesetz handelt.

Im März dieses Jahres brachte die Tierser Seilbahn AG bei den Gemeinden Tiers und Welschnofen bzw. bei der Landesverwaltung ein zweites Varianteprojekt für die Berg- und Talstation ein. Dort war entgegen der ursprünglichen Baukonzession gebaut worden, ein erstes Varianteprojekt war zurückgezogen worden.

Damit anerkannte der Antragsteller in gewisser Weise, dass auf den Fall das neue Gesetz für Raum und Landschaft anzuwenden sei. Ein Gesetz, in dem die sogenannte Landschaftsschutzermächtigung ein besonderes Gewicht hat.

Am Mittwoch, also acht Monate nach dem Antrag, hat die zuständige Dienststellenkonferenz des Landes der Sanierung (im Juristen-Deutsch auch Heilung genannt) der Bausünden zugestimmt. Auf einer Sitzung ohne längere Diskussionen.

Damit wird der Weg frei für die Wiederinbetriebnahme der im März (einen Monat nach dem Betriebsstart) per Anordnung des Tierser Bürgermeisters Gernot Psenner gestoppten Bahn, auch Cabrio-Bahn genannt. Die gesamte Sommersaison über musste sie wegen des schwebenden Verwaltungs- und Strafverfahrens zu den Bausünden geschlossen bleiben.

Wie berichtet, haben die Staatsanwaltschaft und die Abteilung Raum und Landschaft kürzlich ein Einvernehmensprotokolldarüber unterzeichnet, wie Artikel 100 des Gesetzes für Raum und Landschaft in derartigen Fällen anzuwenden sei. Demnach ist eine Heilung von Bauvergehen möglich, wenn diese das Landschaftsbild nicht beeinträchtigen, und so wie in diesem Fall unterirdisch begangen wurden.

Möglich ist auch eine sogenannte Kompensation von Bauvolumen. An der Tal- und Bergstation der Tierser Seilbahn wurden unterirdische Räumlichkeiten zugemauert, um damit entgegen der Baukonzession errichtete Kubatur auszugleichen.

Ein legitimer Vorgang, jedenfalls in der im Einvernehmensprotokoll festgeschriebenen Auslegung von Staatsanwaltschaft und Land. Ihre Bedingungen: Die Baurechte dürfen nachträglich nicht mehr überschrittenwerden, die Verschließung des Bauvolumens ist nachzuweisen.

Anderer Ansicht sind Umwelt- und Alpinverbände wie Dachverband für Natur- und Umweltschutz, die aller Voraussicht nach rechtlich gegen die nun gewährte Landschaftsschutzermächtigung (und die ausstehende Baukonzessionen) vorgehen werden.

Das von der Staatsanwaltschaft eingeleitete Strafverfahren gegen beteiligte Techniker (und nicht gegen Martin Damian, dem Chef der Betriebsgesellschaft) sollte laut Auskunft ihres Verteidigers Lukas Harder eingestellt werden.

Die Tierser Seilbahn AG muss nun wegen der Bausünden ein Bußgeld an die Gemeinden zahlen und kann dann mit der Ausstellung der Baukonzessionen durch die Bürgermeister von Tiers und Welschnofen rechnen. Als nächstes benötigen sie eine Benutzungsgenehmigung, die im vergangenen Winter (noch) fehlte.

Eine Wiederinbetriebnahme der Bahn für die Wintersaison gegen Weihnachten scheint nun möglich.

Die baurechtliche Sanierung ist auch die Voraussetzung dafür, dass die Landesverwaltung einen Großteil des zugesagten Landesbeitrages von 11,4 Millionen Euro auszahlen kann.

Die 70-Prozent-Finanzierung für die neue Seilbahn von St. Zyprian auf die Frommeralm hat für heftige Kritik der Umwelt- und Alpinverbände gesorgt und war Gegenstand mehrerer Landtagsanfragen.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (16)

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  • andreas

    Damian stellt sich also eine fast komplett vom Land finanzierte Seilbahn vor seinem Cyprianerhof, hält sich bewusst nicht ans Projekt, da üblicherweise eine Sanierungsvariante eingereicht wird, was aber mit dem neuen Gesetz nicht mehr so einfach funktioniert.

    Dann wird eine Gesetzeslücke gesucht und das Land freut sich, die 11,4 Millionen Steuergelder auszuzahlen.
    So wird das aber nichts mit der Reputation der Politik…

  • fliege

    Vor dem Gesetz sind alle gleich……der Kleine muss abbrechen und der Große……. bekommt noch einen satten Landesbeitrag

  • stanislaus

    Wie kann es einen öffentlichen Beitrag von 80% rund 11Mio. Euro für z.T. illegale Bautätigkeit geben?

  • hoi_du

    … und damit die Touristen die Aussicht von der Cabrio-Bahn geniesen können, laufen Bestrebungen „praktisch“ das ganze Tal unter Ensembleschutz zu stellen … und bei der Ist-Erhebung wurden bestehende Wanderwege ignoriert um vermutlich eine Rechtfertigung für zusätzliche Wanderwege quer durch landwirtschaftliche Betriebe zu haben … abgesehen davon dass Gebäude welche schon Jahre vor der Ist-Erhebung abgerissen wurden, als erhaltenswert dargestellt werden … natürlich schränkt der Ensembleschutz vorwiegend die landwirtschaftlichen Betriebe ein, touristische Betriebe sind scheinbar in Ihrem Ensemble weniger erhaltenswert ….

    das alles erinnert mich irgendwie an die „pfieke-Saga“ … dachte immer der Film sollte eher als Warnung verstanden werden, und nicht als Vorbild …

  • pingoballino1955

    Was nicht passt,wird passend gemacht das sind wir Südtiroler.innen gewohnt,dank SVP geht alles!

  • hallihallo

    ok, alle müssen nach projekt bauen.
    aber hier wird ein betrieb stillgelegt, weil UNTERIRDISCHE räume nicht dem genhemigten projekt entsprechen.
    anscheinend muß man in stadtnähe wohnen. da wird eine riesige OBERIRDISCHE halle nach der anderen gebaut. die wohnbauzonen bekommen baudichten zugeschanzt, die im ländlichen verboten sind.
    anscheinend will man doch die landflucht fördern. wohnraum und arbeitsplätze nur noch in der stadt oder stadtnähe, da in der stadt ja eh schon kaum platz ist.
    im ländlichen ist dann schon die unterirdische kubatur zu viel.
    ich frage mich nur, was die ganzen kontrolleure in zukunft machen, denn es stehen kaum noch kräne, da mit dem neuen raumordnungsgesetz wohl niemand wer weiß, ob er bauen kann und was.

    • esmeralda

      @hallihallo, das massive Bauen im Grünen ist halt auch wirklich nicht ressourcen- und umweltschonend

      • hallihallo

        das massive bauen in der stadt ist auch nicht ressourcen- und umweltschonend.
        die seilbahn ist nicht rechtens gebaut worden und wurde geschlossen.
        das twenty ist nicht rechtens gebaut worden und ist immer noch offen.
        fällt dir ein kleiner unterschied auf??
        im ländlichen veranlassen die beamten sofort die schließung, in der stadt setzen sie sich zusammen und suchen nach einer lösung, damit nicht geschlossen werden muß.

  • schwarzesschaf

    Ja die lobby darf allles

  • pantone

    Bei allen Querelen darf nicht vergessen werden, dass die Seilbahn auch Nutzen bringt. Deshalb ist es zu begrüßen, dass eine Lösung für dieses unsägliche Ei, denn um ein solches handelte es sich wohl für die Verwalter, gefunden werden konnte. Ansonsten wären die Steuergelder ja tatsächlich beim Fenster hinausgeworfen gewesen.
    In Tiers gibt es im Übrigen eine beachtenswerte Anzahl an Hotelbetrieben, von denen bisher wenige im Winter geöffnet hatten. Durch die Seilbahn gewinnen diese Betriebe an Attraktivität sei es im Winter als auch im Sommer.

  • morgenstern

    Dafür werden sich die Tierser „Systemstützen“ bei der nächsten Landtagswahl aber mächtig ins Zeug legen müssen.

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