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Wenn schon Freitag Wochenende ist

Foto: lvh/Hannes Niederkofler

Südtirols Arbeitnehmer wünschen sich kürzere Arbeitszeiten. Bei der Raffin GmbH aus Bruneck wird dem Wunsch mit der Viertagewoche bereits Rechnung getragen. Wie das funktionieret.

von Markus Rufin

Josef Unterholzners Beliebtheitswerte dürften in den vergangenen Tagen deutlich abgerutscht sein. Wie die TAGESZEITUNG letzte Woche berichtete, sagte der Landtagsabgeordnete von Enzian in der Landtagssitzung vom Mittwoch, dass Südtirols Arbeitnehmer länger arbeiten müssten, um leichter über die Runden zu kommen. So hätten sie weniger Zeit ihr Geld in der Freizeit auszugeben.

Diese Aussage kam bei vielen nicht gut an. Nur die wenigsten stimmen Unterholzner zu. Das wird jetzt auch durch eine Befragung belegt, die von der Arbeitskammer Tirol, Agenzia del Lavoro Trentino und dem Arbeitsförderungsinstitut (AFI) durchgeführt wurde.

Die drei Institute wollten einen fundierten Einblick in die Arbeitsbedingungen in der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino erhalten und haben die Daten dazu gestern vorgestellt. Thema waren dabei die Arbeitszeiten – genau genommen das Ausmaß der Arbeitswoche, Überstunden, Nachtarbeit, Pendelzeiten und die Frage, wie lange man gerne arbeiten würde, wenn man dies frei bestimmen könnte. Das Ergebnis: In der gesamten Europaregion wünschen sich die Arbeitnehmer kürzere Arbeitszeiten, doch dazu später mehr.

Im Schnitt wird in der Europaregion 38,1 Stunden pro Woche gearbeitet. Am „fleißigsten“ sind dabei die Südtiroler, die 39,2 Stunden pro Woche arbeiten. In Tirol arbeiten die Bürger rund eine Stunde weniger, während man im Trentino im Durchschnitt 36,9 Stunden pro Woche arbeitet.

Die Studie zeigt dabei auch auf, dass die 40-Stunden-Woche in einigen Sektoren sogar überschritten wird. Am arbeitsintensivsten ist laut der Befragung die Landwirtschaft, wo 60 Prozent der Beschäftigten über 40 Stunden pro Woche arbeiten. Im Gastgewerbe arbeiten 44 Prozent der Beschäftigten länger als die gesetzlich vorgeschriebene Arbeitszeit. Dicht dahinter folgt das Baugewerbe, in dem 43 Prozent der Beschäftigten die 40-Stunden-Woche überschreiten, aber auch Führungskräfte sind stark betroffen. 51 Prozent gaben an, länger als 40 Stunden pro Woche zu arbeiten.

In der Landwirtschaft und im Gastgewerbe arbeiten zudem viele Beschäftigte sechs oder sogar sieben Tage pro Woche. In Südtirol betrifft es fast ein Viertel der Befragten.

Dabei besteht laut den drei Institutionen, die die Befragung durchgeführt haben, bei einem großen Teil der Beschäftigten der Wunsch nach weniger Wochenstunden – und das branchenübergreifend.

In Südtirol wünschten sich nur 19 Prozent der Beefragten mehr als 40 Stunden pro Woche zu arbeiten. 39 Prozent zeigten sich mit einer Arbeitszeit von 37 bis 40 Wochenstunden zufrieden, 20 Prozent wünschten sich Arbeitszeiten von 31 bis 36 Stunden in der Woche und 23 Prozent wünschten sich weniger als 30 Stunden pro Woche zu arbeiten.

Durchschnittlich wünschten sich die Befragten eine Reduzierung der Arbeitszeit um 4,1 Stunden pro Woche. Damit stehen die Südtiroler aber noch am bescheidensten dar. Denn in Tirol wünschen sich die Beschäftigten eine Reduzierung um 5,5 Stunden und im Trentino eine Reduzierung um 7,9 Stunden.

Nichtsdestotrotz zeigt sich anhand der Befragung, dass es den klaren Wunsch zu einer Reduzierung der Arbeitszeiten gibt. Hierfür wäre die Viertagewoche ideal. Dazu haben die Institute zwar keine Frage gestellt, aber sowohl in Deutschland als auch in Österreich gab es Befragungen, die zeigten, dass die Viertagewoche von den Beschäftigten befürwortet wird. Unter anderem spricht sich in Deutschland die IG Metall, die größte Einzelgewerkschaft Deutschlands, für die Viertagewoche aus.

In Südtirol ist die Viertagewoche hingegen nicht sonderlich verbreitet. Ein Betrieb, der aber darauf schwört, ist Raffin GmbH aus Bruneck. Markus Raffin, Geschäftsführer und Gründer hat gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Christoph Gasser, der als Komplettanbieter für Heizung, Sanitär, erneuerbare Energien, Elektroinstallationen, Beleuchtungsanlagen, Sicherheitstechnik und Smart Home Anlagen fungiert, vor vier Jahren damit begonnen, auf die Viertagewoche umzustellen. Statt einer 40-Stunden-Woche gibt es seitdem eine 36-Stunden-Woche bei Raffin, die Bezahlung ist aber gleichgeblieben.

Auf der Webseite schreibt das Unternehmen:

Der achtsame, freundliche Umgang mit unseren Kunden aber auch der Mitarbeiter untereinander ist ein zentrales Element unserer erfolgreichen Arbeit und damit der Dreh- und Angelpunkt für Kundenzufriedenheit. Das Konzept der Vier-Tage-Woche lässt unseren Mitarbeitern mehr Zeit für Hobbies und Familie. So macht die Arbeit noch mehr Spaß. Wir fördern Eigenverantwortung und gegenseitige Wertschätzung – nicht nur in unserer Arbeit, sondern auch wenn wir beispielsweise bei einer Firmenfeier zufrieden auf das gemeinsam Erreichte blicken dürfen. Rund 20 gut ausgebildete und motivierte Mitarbeiter fühlen sich diesen Prinzipien verpflichtet.

Raffin selbst ist von der Viertagewoche voll überzeugt: „Wir haben nun bereits seit vier Jahren diese Viertagewoche und sind zufrieden damit. Wir werden davon nicht abrücken.“ Das Konzept hat sich also bewährt.

Finanzielle Einbußen gebe es durch die Viertagewoche nicht, der Betrieb profitiere sogar durch die gesteigerte Motivation und Konzentration.

Raffin glaubt, dass sich das Konzept auch in anderen Firmen durchsetzen wird: „Das Projekt ist sowohl für den Betrieb aber vor allem für die Mitarbeiter zukunftsträchtig. Ich denke, dass immer mehr Betriebe mitziehen, weil es ein Umdenken gegeben hat. Ich bin mir sicher, dass noch mehr Betriebe folgen.“

Der Unternehmens-Chef ist sogar überzeugt davon, dass die Viertagewoche auf andere Sektoren anwendbar wäre: „Jeder Sektor würde natürlich seine eigenen internen organisatorischen Hindernisse bewältigen müssen, aber ich denke, dass das alles machbar ist.“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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