Du befindest dich hier: Home » News » Unter die Arme greifen

Unter die Arme greifen

Foto: 123rf

Warum ein Antrag der Freiheitlichen, die Gewinne der Landesenergiegesellschaft Alperia an die Bürger weiterzugeben, im Landtag abgelehnt wurde.

Das Leitmotiv, unter das Andreas Leiter Reber seinen Antrag stellte, lautete: „Wenn Südtirol gewinnt – müssen alle Bürger am Podium stehen!“

Mit einem Beschlussantrag wollten die Freiheitlichen die Landesregierung verpflichten, die zu erwartenden zusätzlichen Einnahmen, welche das Land Südtirol im Jahr 2022 über die Landesenergiegesellschaft sowie über die zusätzlichen Einnahmen, welche das Land über die Mehrwertsteuer auf Strom und Treibstoffe generiert, in direkter Form an die Südtiroler Bürger weiterzugeben.

„Südtirols Wasserkraftwerke produzieren im Jahreslauf rund doppelt so viel Strom als Südtirols Haushalte und Wirtschaft in einem Jahr verbrauchen”, bemerkte Einbringer Andreas Leiter Reber, aber man habe es nicht geschafft, eine Stromautonomie aufzubauen. Für eine echte Stromautonomie, welche Südtirols Bürger und Haushalte an der lokalen Stromproduktion teilhaben lässt, scheint der politische Wille in Südtirol noch immer zu fehlen, so Leiter Reber.

Jetzt müsse man den Haushalten unter die Arme greifen, die von den enorm hohen Energiepreisen belastet würden.

Das Land müsse schauen, wo es Geld im Haushalt freischaufeln könne, um Bürger und Betriebe zu unterstützen. Er wundere sich, dass der Aufschrei der Wirtschaft nicht lauter sei, sagte der Freiheitliche.

Im Landtag entwickelte sich eine intensive Debatte:

Die öffentliche Verwaltung müsse den Bürgern schnell helfen, denn der Winter stehe vor der Tür, meinte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Die EU gehe blauäugig an das Problem heran, noch immer sei es nicht gelungen, den Strompreis für die Haushalte vom Höchstpreis an der Börse abzukoppeln.

Der Strompreis hänge von internationalen Einflüssen ab, aber die Südtiroler Bürger würden das Wasser sehen und das Kraftwerk und sich wundern, warum der Strom daraus so teuer sei, erklärte Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia). Die höheren Preise hätten auch zu höheren Einnahmen für den öffentlichen Haushalt geführt, und hier könne man rasch ansetzen. Wichtig für eine Eindämmung der Preise sei eine Abkopplung des Strompreises vom Gaspreis.

Das Thema brenne allen unter den Nägeln, meinte Helmut Tauber (SVP). Die Kosten würden Betriebe wie Private extrem belasten. Man versuche nun Lösungen auf allen Ebenen – Land, Staat, EU. Die Übergewinne würden bereits an den Staat gehen und von diesem an die Bürger verteilt. Das neue Hilfspaket des Staates werde dem Landeshaushalt Mittel zur Verfügung stellen, die an die Bürger weitergereicht werden könnten.

Eine Umverteilung der Übergewinne würde pro Kopf 50-100 Euro bringen, das mache nicht viel aus, schätzte Hanspeter Staffler (Grüne). Aus dem Landeshaushalt könne man Hilfe bieten, indem man bestimmte Sozialleistungen aufstocke. Die Übergewinne allein würden zu wenig hergeben.

Magdalena Amhof (SVP) teilte die Einwände von Tauber und Staffler, aber auch die Einschätzung der Situation durch Leiter Reber.

Die Leute seien verunsichert und wollten Lösungen von der Politik, die der Landtag aber zum Großteil nicht bieten könne. Die Übergewinne würden in den Staatshaushalt fließen. Man werde versuchen, im Haushalt Mittel zu finden, um Familien und Betriebe zu unterstützen.

Es gehe nicht nur um die Bedürftigen, sondern um jene, die befürchten müssten, in die Bedürftigkeit abzurutschen.
Laut Alperia-Chef müsse der Betrieb rund 100 Mio. an Übergewinn abführen, erklärte Josef Unterholzner (Enzian), der nicht nachvollziehen konnte, dass Alperia auswärtigen Fußballvereinen günstigen Strom biete. Anscheinend könnten weder Land noch Staat und EU nichts gegen diese Energiepreise tun, während man Orban 70 Cent für den Liter zahle.

Das Problem seien die EU-Regeln zur Bildung des Strompreises, meinte Paul Köllensperger (Team K). Südtirol müsse versuchen, seinen Strommarkt selbst zu regulieren. Alperia sollte, als Produzent von Strom aus nachhaltigen Quellen, rebellieren gegen die staatliche Gewinnabschöpfung. Der Staat schöpfe die Übergewinne ab, aber das Land habe zumindest bei der Mehrwertsteuer Mehreinnahmen.

Der Antrag zeige ein echtes Problem auf und man teile seine Zielsetzung, erklärte LH Arno Kompatscher.

Er gehe aber von falschen Voraussetzungen aus. Die Alperia habe keine zusätzlichen Gewinne, sie leide dagegen unter den geringen Niederschlägen. Normalerweise produziere sie Spitzenstrom, um diesen teuer nach außen zu verkaufen und um anderen Strom günstiger einzukaufen – davon würde Südtirol profitieren. Die EU entkopple nun den Strompreis von Gaspreis, Südtirol könne so etwas nicht festlegen. Eine eigene Südtiroler Regulierungsbehörde hätte nur begrenzten Spielraum. Die zweite falsche Voraussetzung seien die Mehreinnahmen bei der Mehrwertsteuer.

Hier erhalte Südtirol einen Anteil am gesamtstaatlichen Aufkommen, gemessen am BIP, und diese Einnahmen kämen erst im nächsten Jahr. Man verkaufe also das Fell eines Bären, den es nicht gebe. Das Land könne dennoch etwas tun, mit Mitteln aus dem Landeshaushalt für Familien und, wenn es gehe, auch für die Betriebe. Die beste Strategie sei die energetische Unabhängigkeit mit nachhaltigen Quellen, und laut EU-Kommissar Hahn habe diese Strategie mit der Krise einen Anschub bekommen.

Andreas Leiter Reber erinnerte die Landesregierung an ihr nicht gehaltenes Versprechen zum Strombonus. Man habe gleich mehrere Gelegenheiten versäumt.

Der Antrag wurde mit 10 Ja, 17 Nein und 3 Enthaltungen abgelehnt.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (11)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

  • huggy

    Traurig, mit dieser Landesregierung

  • ostern

    @alex1966
    Ich glaube du liest nur „Dolomiten“.

  • dn

    Was bedeutet „Übergewinne“ eigentlich? Im Mittelalter wurde man dafür an den Pranger gestellt, in Zeiten des Raubtierkapitalismus scheint das alles ganz normal zu sein.

  • klum

    Das Thema Alperia und Strom ist extrem kompliziert und die Gesetzeslage für uns Normalbürger nicht bis ins letzte Detail verständlich.
    Aber wozu haben wir denn die ganzen gefinkelten Juristen? die auch sonst überall Schlupflöcher und Gesetzeslücken finden. Zumindest wenn es um Partikularinteressen geht.
    Sehr geehrter LH; Energietisch mit Fachleuten und Juristen einberufen und keinen aufstehen lassen, bis nicht ein Weg gefunden ist. Dabei darf nicht auf Alperia, SEV, Landes- oder Gemeindeninteressen geachtet werden. Prämisse ist einzig und allein dem Wunsch der Allgemeinheit gerecht werden. Und dabei wäre es sogar egal, wenn die verwöhnte Alperia kurzzeitig in die roten Zahlen rutscht.
    Geat net, gibs net! Es steht zu viel auf dem Spiel!

  • klum

    Zusatz: wie ist es möglich, dass Strom in anderen Regionen Italiens günstiger ist als bei uns? Wobei dort vielleicht sogar unser Strom verkauft wird.

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen