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„Die falsche Strategie“

Josef Gostner

Der Bozner Energie-Unternehmer Josef Gostner ist mit der aktuellen Strompreis-Entwicklung alles andere als glücklich. Was er zur aktuellen SItuation sagt – und welche Gewinne er wirklich scheffelt.

von Erna Egger

Sind sie die großen Profiteure der jüngsten Preisentwicklung bei Strom und Energie? Die FRI-EL Gruppe der drei Bozner Gebrüder Thomas, Josef und Ernst Gostner ist ein Unternehmen im Bereich Produktion und Verkauf von elektrischer Energie aus erneuerbaren Quellen.

Das Unternehmen, das im Gebiet der Windenergie führend in Italien ist, betreibt mittlerweile 33 Windparks im ganzen Land sowie eine Anlage in Bulgarien und eine in Spanien. Weiters führen die drei Brüder fünf mit Biogas betriebene Kraftwerke, ein Kraftwerk auf Basis von flüssiger Biomasse in Acerra bei Neapel und eines mit fester Biomasse in Enna, und schließlich noch 21 Wasserkraftwerke.

Können sich nun die Unternehmer-Brüder nach der Vervielfachung des Energiepreises über enorme Gewinne freuen? Josef Gostner im Interview.

Tageszeitung: Herr Gostner, die Strom- und Energiepreise sind explodiert. Verdienen Sie sich nun mit Ihrer FRI-EL Gruppe eine goldene Nase?  

Josef Gostner: Das mögen zwar viele annehmen, dem ist aber nicht so. Die Preise sind zwar höher, wir verdienen zwar gegenwärtig mehr, aber wir haben allein heuer rund 70 Millionen Euro an außerordentlichen Steuern gezahlt, die der Staat auf die höheren Erträge den Energieunternehmen wieder entzieht. So viel, wie die Leute meinen, bleibt dann nicht übrig. Der Staat nimmt sich sehr viel durch diese Überschusssteuer. Und jetzt ist erst zu sehen, wie es weitergeht. Daher kann von einer goldenen Nase nicht die Rede sein.

Welchen Einfluss haben Sie als Strom- und Energieproduzent auf die Preisentwicklung? 

Ich habe überhaupt keinen Einfluss. Der Strompreis ist an den Gaspreis gekoppelt. Wer total versagt hat, ist die Politik.

Inwiefern? 

Die Strategie war total die falsche. Die Politik hat verabsäumt, unabhängige Energie zu produzieren und hat sich lieber von Russland abhängig gemacht. Die einzige Chance, um günstige Energiepreise zu sichern, ist mehr grüne Energie zu produzieren. Diese Produktion wurde seit 20 Jahren blockiert, nur tröpfchenweise konnte gebaut werden. Die Errichtung eines Solarkraftwerkes in Südtirol ist beispielsweise verboten. In vielen anderen Regionen ist es ebenfalls so. Das ist absurd. Des Weiteren müsste man das Gas vom Boden heraufholen, das in Italien im Boden ist. Diese Gasreserven blieben bisher unangetastet. Bis vor Kurzem wurden 20 Milliarden Kubikmeter produziert, das wurde alles verboten. Wäre das Verbot nicht erfolgt, hätten wir das Problem jetzt nicht. Mit diesen Fehlentscheidungen wurde eine unabhängige Strompolitik verhindert.

Was fordern Sie?

In Italien könnte viermal so viel Solarenergie produziert werden, als gebraucht wird. Auch der Bau von neuen und die Erneuerung der alten Windkraftanlagen würden zur Unabhängigkeit beitragen. Gebaut werden müssten zudem Pumpspeicherwerke, d.h. Wasserspeicher, die bei Wind und Sonne gefüllt werden und dafür sorgen, dass Energie vorhanden ist, wenn die Sonne nicht scheint und kein Wind bläst.

Gibt es seitens der Politik nun eine Wende in diese Richtung?

Es gibt leichte Signale, aber viel zu schwache. Eine Änderung wäre viel schneller möglich.

Wagen Sie eine Prognose zur Entwicklung?

Der Strompreis bleibt in den nächsten Jahren sehr hoch, weil der Gaspreis hoch bleiben wird. Wir haben keine Alternative. Der Gaspreis ist europäisch gelenkt. Das Flüssiggas ist keine wirkliche Alternative, weil es nicht so viele Schiffe für die Lieferung gibt. In Deutschland und Frankreich müssen die stillgelegten Atomkraftwerke wieder eingeschalten werden, und auch die Kohlekraftwerke werden wieder eingeschaltet werden müssen. Künftig werden jene Haushalte, die bisher mit Gas gekocht und geheizt haben, auf Strom umsatteln, weil der Strompreis vor dem Gaspreis sinken wird und Strom einfacher zu produzieren ist, als Gas.

Sie können dem Endverbraucher keine besseren Nachrichten überbringen?

Nein, kann ich leider nicht. Der Strom- und Gaspreis wird langfristig, also fünf bis sieben Jahre, hoch bleiben. Das sind die allseits aktuellen Prognosen. Leider. Auch nach dem Krieg wird Europa Putins Gas nicht mehr wollen.

Eine Abkoppelung des Strom- vom Gaspreis…

Das muss europaweit geregelt werden, Italien im Alleingang kann dies nicht tun. Und ich glaube nicht, dass dies funktioniert. Die einzige Möglichkeit ist, mehr Strom zu produzieren, damit wir in Italien über mehr Energie verfügen.

Hätten Sie jemals mit einer solchen Preisexplosion gerechnet?

Eine solche Steigerung ist sicherlich unerwartet. Aber als Risikomanagement hätte man dieses Szenario im Auge behalten müssen. Denn es kann nicht sein, dass man sich von einem Land – in diesem Fall von Russland – abhängig macht. Schon nach dem Ersten Weltkrieg wurde ein Gesetz erlassen, nachdem sich Deutschland nicht mehr als 30 Prozent von einem Land abhängig machen darf. Dieses Gesetz wurde – weil es billiger war – nicht eingehalten. Das war ein großer Fehler.

Obwohl Sie in der Branche tätig sind, scheinen Sie über diese Preisentwicklungen überhaupt nicht glücklich zu sein…

Nein, das bin ich überhaupt nicht. Diese Entwicklung ist eine Katastrophe, die weder für Italien noch für die Stromproduzenten gut ist. Uns Stromproduzenten wird der Mehrverdienst sowieso wieder genommen. Wir werden entweder minimal mehr verdienen oder gleich viel wie zuvor. Die Wasserkraftwerke – die grüne Energie, die keinen Zuschuss erhält – erhalten jetzt schon nur mehr 58 Euro pro Megawattstunde. In den guten Zeiten haben wir 80 Euro pro Megawattstunde erhalten. Die Gesetze sind schon so, dass wir nicht mehr kassieren.

Sie haben gesagt, dass Italien bisher die Produktion von grüner Energie verhindert hat. Würde in der Politik ein Umdenken stattfinden, wie lange würde es dauern, bis Italien autonom wäre?

Mindestens fünf bis zehn Jahre, bis die Infrastrukturen errichtet wären. Aber das muss sowieso geschehen, ansonsten ist der Energiepreis unkontrollierbar und eine Reduktion nicht in Aussicht. Man muss aber auch sagen: Die Energie war bisher sehr günstig, zu günstig, 20 Jahre sind die Preise nicht angestiegen, was auch nicht sein kann. Und man hat sich deswegen auf Putin verlassen, der billiges Gas lieferte. Und dieses gibt es nicht mehr.

Die Endverbraucher sind nun Opfer von Regierungen, die vieles verabsäumt haben?

Wir sind Opfer eines strategischen Fehlers, den natürlich die Regierungen gemacht haben. Italien hat eh weniger Fehler gemacht als Deutschland, aber Deutschland ist das Zugpferd von Europa. Daher haben wir ein Problem. Und zurück zum Anfang: Meine goldene Nase besteht nur zum Schein. Der Staat holt sich alles wieder. Seit Februar, und das letzte Hilfspaket wurde verlängert, erhält ein Kraftwerk – auch jene der Alperia – 58 Euro pro Megawattstunde und nicht 600 Euro. 90 Prozent dieses hohen Preises werden uns vom Staat wieder genommen. Die goldene Nase verdienen sich zurzeit nur die Ölkonzerne und Gasproduzenten. Die Politiker im Wahlkampffieber können schreien, dass sie die Energieunternehmen beschneiden werden, aber was wollen sie denn noch beschneiden? Dies ist längst schon passiert. Wahrscheinlich kennen sie die eigenen Gesetze nicht.

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