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Erweiterter Horizont

Mirco Tonin (Foto: Uni Bz)

In einer Fremdsprache studieren? Ein Forschungsprojekt der Freien Universität Bozen untersucht die Auswirkungen auf Noten.

Wer sein Universitätsstudium in einer oder mehreren Fremdsprachen absolviert, tendiert dazu, mit schlechteren Durchschnittsnoten abzuschneiden. Das belegt eine Studie der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, in der die Leistungen von Studierenden der unibz analysiert wurden.

„Junge Menschen, die sich auf ein mehrsprachiges Studium einlassen, sollten wissen, dass es bestimmte Hürden, aber auch viele Chancen, allen voran auf dem Arbeitsmarkt, mit sich bringt“, unterstreicht Prof. Mirco Tonin, einer der beiden Autoren des Papers.

In einer Fremdsprache zu studieren, ist für die heutige Generation an Studierenden fast schon zur Selbstverständlichkeit geworden – ob beim Studium im Ausland, aber auch in Italien, da es auch hierzulande immer mehr Studiengänge in englischer Sprache gibt.

Wie aber schlägt sich eine solche Entscheidung auf die Studienleistung nieder? Welchen Einfluss hat die Unterrichtssprache darauf?

Diesen Fragen sind Prof. Mirco Tonin, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, und die Forscherin Juliana Bernhofer (Venezia Ca’ Foscari) im Paper The Effect of the Language of Instruction on Academic Performance (Die Auswirkungen der Unterrichtssprache auf die Studienleistung, Anm.d.Red.) nachgegangen, das soeben in der Fachzeitschrift Labour Economics (in Open Access) veröffentlicht wurde. Basis der Studie war eine Analyse der Prüfungsnoten von Studierenden an drei Fakultäten der Freien Universität Bozen.

Ein ideales Studienobjekt: die Studierenden der unibz

Gestützt auf die bestehende Fachliteratur gingen Tonin und Bernhofer in ihrer Ausgangsthese davon aus, dass ein Studium in einer Fremdsprache zu einem kognitiven Mehraufwand führt, der sich sowohl beim Lernen als auch in den Leistungen der Studierenden bei den Prüfungen widerspiegelt. Diese Annahme empirisch zu belegen, ist allerdings nicht einfach.

Werden zum Beispiel an Universitäten in England Muttersprachler*innen mit Kommiliton*innen aus China verglichen, kann das Ergebnis dadurch verzerrt werden, dass die chinesischen Studierenden besonders leistungsstark sein müssen, um in England studieren zu können. Aus diesem Grund haben sich die beiden Autor*innen für Studierende der Freien Universität Bozen entschieden.

8Als dreisprachige Universität mit den Unterrichtssprachen Deutsch, Italienisch und Englisch, die mehrheitlich von Studierenden deutscher oder italienischer Muttersprache besucht wird, bietet die unibz ein ideales Studienobjekt, um herauszufinden, inwiefern sich Leistungen bei Prüfungen in der Muttersprache und in einer Fremdsprache unterscheiden.

Die Ergebnisse der Analyse

„Wir haben sowohl die Prüfungsergebnisse als auch die Anzahl der Prüfungen analysiert und festgestellt, dass die Noten im Durchschnitt schlechter sind, wenn die Prüfung nicht in der Muttersprache abgelegt wurde. Auch die Wahrscheinlichkeit bei einer Prüfung durchzufallen steigt, wenn sie in einer Fremdsprache abgelegt wird”, erklärt Tonin.

Das dreisprachige System der unibz ermöglicht es, Studierende deutscher und italienischer Muttersprache miteinander zu vergleichen, die gemeinsam Lehrveranstaltungen in deutscher, italienischer und englischer Sprache besuchen und so den Effekt zu messen, den eine Übereinstimmung von Muttersprache und Unterrichtssprache hat. Konkret hat die Studie ergeben, dass die Noten bei Prüfungen in einer Fremdsprache im Durchschnitt um 9,5% schlechter ausfallen und die Wahrscheinlichkeit steigt, die Prüfung nicht zu bestehen.

Als weiteres Studienergebnis belegen Tonin und Bernhofer, dass dieser Effekt bei guten Sprachkenntnissen (C1 oder C2) zurückgeht, aber nicht völlig verschwindet. Die Studie zeigt auch auf, wie einige Studierende der unibz versuchen, das Ablegen von Prüfungen in Fremdsprachen zu umgehen – beispielsweise, indem sie bestimmte Prüfungen im Rahmen eines Erasmus-Programms oder an anderen Universitäten ablegen oder so lange verschieben, bis eine Lehrveranstaltung in ihrer Muttersprache abgehalten wird. Allerdings handelt es sich dabei um ein Randphänomen, das quantitativ nicht ins Gewicht fällt.

Also besser ein Studium in der Muttersprache? Nicht wirklich 

Legt die Studie von Tonin und Bernhofer also nahe, besser die Finger von Studiengängen oder Lehrveranstaltungen in Fremdsprachen zu lassen?

Keineswegs, entgegnet der Volkswirtschaftsprofessor der unibz. „Zahlreiche Studien belegen, welch großen Vorteil gute Fremdsprachenkenntnisse auf dem Arbeitsmarkt bringen”, unterstreicht Mirco Tonin.

„In Hinsicht auf Karrierechancen zahlt sich eine mehrsprachige Ausbildung also in jedem Fall aus. Studierende, die sich für eine Ausbildung in einer Fremdsprache entscheiden – oder im Fall der unibz meist in zweien – erweitern ihren Horizont und beweisen nicht zuletzt künftigen Arbeitgeber*innen, dass sie nicht vor Herausforderungen zurückschrecken. Eine solche Investition bringt kurzfristig erhöhte Kosten mit sich, die sich jedoch auf lange Sicht in vielerlei Hinsicht amortisieren, sei es aus persönlicher wie beruflicher Perspektive.“

 

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