Du befindest dich hier: Home » News » Äpfel und Birnen

Äpfel und Birnen

Maria Elena Boschi mit Karl Zeller

Laut dem Verfassungsrechtler Karl Zeller würde eine eigenständige SVP-Kandidatur in Bozen gegen das Statut verstoßen. Auch Bezirksobmann Meinhard Durnwalder spricht sich für eine „ausgewogene Vertretung der Sprachgruppen“ aus.

von Matthias Kofler

Die SVP steht vor der nächsten Zerreißprobe: Die Bezirke Bozen und Unterland drängen unnachgiebig auf eine eigenständige Kandidatur im Senats-Wahlkreis Bozen-Unterland. Man sei der provinzfremden italienischen Kandidaten überdrüssig, die entgegen ihren Versprechungen wenig bis gar nichts für ihr Territorium getan hätten, echauffierte sich Bozens Vize-Bürgermeister Luis Walcher am Montag in der Sitzung des SVP-Ausschusses.

„Nach dem derzeitigen Stimmungsbild im Parteiausschuss tendieren wir eher dazu, selbst anzutreten als einen italienischen Kandidaten zu unterstützen“, erklärt ein hochrangiger SVP-Funktionär. In der Brennerstraße rechnet man sich durchaus Chancen auf ein sechstes Mandat aus. Ein eigenständiges Antreten sei jedenfalls „kein Geschenk an die Rechten“. 2018 hat die SVP im Wahlkreis Bozen-Unterland die meisten Stimmen eingefahren – mehr als der Mitte-Rechts-Block und mehr als der PD. Die Option, zugunsten eines gemäßigten Italieners auf eine eigenständige Kandidatur zu verzichten, ist aber noch nicht zur Gänze vom Tisch. Landeshauptmann Arno Kompatscher und Parteiobmann Philipp Achammer wurden von der Parteileitung beauftragt, diesbezüglich Gespräche mit den anderen Parteien zu führen. Aus der Brennerstraße ist zu vernehmen, dass man eine Unterstützung eines Mitte-Rechts-Kandidaten ausschließe, selbst wenn dieser Giuliano Vettorato heißen sollte.

Die Mitte-Rechts-Koalition wird nach derzeitigem Stand einen Lega-nahen Kandidaten ins Rennen schicken. Alessandro Urzì von Fratelli d’Italia ist demnach keine Option. Für die SVP kommt eine Unterstützung des Mitte-Links-Kandidaten nur dann in Frage, wenn dieser aus der politischen Mitte kommt (etwa aus den Reihen von Azione, gehandelt wird Ex-Landtagspräsident Roberto Bizzo) und kein deklarierter PD-Exponent ist. „Luigi Spagnolli ist zwar sympathisch“, sagt ein SVP-Leitungsmitglied, „er ist aber der einzige Name, den der PD aufzuweisen hat und steht sinnbildlich für die ,alte Politik‘, mit der wir nichts mehr zu tun haben wollen.“

Entschieden gegen ein eigenständiges Antreten im Wahlkreis Bozen-Unterland spricht sich Vizeobmann Karl Zeller aus. In der Parteisitzung am Montag legte er in einer beherzten Rede dar, warum ein solcher Schritt einer Verletzung der Paketmaßnahme 111 – und damit des Autonomiestatuts gleichkomme. „Wir haben das Privileg der drei Wahlkreise, das 1991 aufgrund der Paketmaßnahme 111 eingeführt wurde, über die diversen wahlrechtsreformen – Porcellum 2005, Rosatellum 2017 und Verkleinerung des Parlaments um ein Drittel – nur deshalb retten können, weil ohne die drei Kreise die verhältnismäßige Vertretung der Sprachgruppen (zwei Deutsche, ein Italiener) nicht gewährleistet werden kann“, erläutert der Verfassungsrechtler. In anderen Worten: „Mit den zwei Wahlkreisen, auf die Roberto Calderoli uns anfänglich kürzen wollte, wären die Italiener ohne Vertretung im Senat geblieben. Und jetzt kandidiert die Svp dort selber? Nicht gerade kohärent, außer es findet sich kein autonomiefreundlicher Italiener und es ist eine ,Notkandidatur‘“, so Zeller. Der SVP-Vizeobmann lässt auch das Argument, wonach zu Zeiten von Oskar Peterlini auch kein Italiener im Senat vertreten war, nicht gelten. Hier würden „Äpfel mit Birnen“ verglichen. Peterlini sei von den Italienern vorgeschlagen und mitgetragen worden. „Zudem hatten die Italiener damals noch die Möglichkeit der Vertretung in der Kammer“, unterstreicht der langjährige Parlamentarier.

Auch Meinhard Durnwalder hat sich für eine ausgewogene Vertretetung der Sprachgruppen ausgesprochen. Bei seiner Stimmabgabeerklärung zur Verfassungsreform von 2019 erklärte der Pusterer Bezirksobmann wörtlich: „Diese Reform hält an den drei Einerwahlkreisen in Südtirol fest. Damit wird die Paketmaßnahme 111 nicht verletzt. Diese sieht die Vertretung der deutschen und italienischen Sprachgruppen, gemäß dem zahlenmäßigen Verhältnis der Sprachgruppen vor. Auch bei der Festlegung der Grenzen der Einerwahlkreise für die Abgeordnetenkammer im Wahlbezirk Trentino-Südtirol muss das Prinzip der territorialen Kontinuität, sowie der entsprechenden Homogenität und Dimensionierung berücksichtigt werden. Nur auf diese Weise kann ein Ungleichgewicht vermieden werden, das den Artikel 6 der italienischen Verfassung verletzen würde.“ Laut Artikel 6 schützt die Republik Italien die sprachlichen Minderheiten durch entsprechende Rechtsvorschriften. Zur parteiinternen Diskussion über ein eigenständiges Antreten der SVP äußert sich Durnwalder diplomatisch: „Bozen-Unterland wurde in der Paketmaßnahme 111 als mehrheitlich italienischer Wahlkreis vorgesehen. Im Unterland gibt es, auch aufgrund der Erfahrung bei den letzten Parlmentswahlen 2018, den starken Wunsch nach einer eigenständigen Kandidatur. Der Parteiausschuss wird das entscheiden.“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (10)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

  • besserwisser

    die intelektuelle Armut der karrieregeilen und berufsfreien Funktionäre tritt jetzt immer öfters zu Tage.
    Jene die hier am lautesten schreien schielen schon mit großen Augen auf das nächste Amt wenn das aktuelle Amt der leidigen Ämterbeschränkung zum Opfer fällt …
    Hier geht es nur um Sessel und nicht um Inhalte …
    Wenn der RA Zeller hier Artikel der Verassung usw. runterleiert so ist das für die meisten die da unten sitzen möchten eine Fremdsprache …

  • heracleummantegazziani

    „und steht sinnbildlich für die ,alte Politik‘, mit der wir nichts mehr zu tun haben wollen“… der Brennerstraße ist auch gar nichts mehr zu blöd.

  • artimar

    Oskar Peterlini, eh. Senator des Wahlkreises Unterland und Uni-Rechtsprofessor, widerspricht zurecht dieser Position:
    „Der Senatswahlkreis Bozen Unterland ist nicht geschaffen worden, um der italienischen Sprachgruppe einen Sitz zu garantieren.
    Das Paket, hat mit der Maßnahme 111 erstens Gerechtigkeit zwischen Bozen und Trient geschaffen, da bei ungefähr gleicher Bevölkerung Trient vier Wahlkreise und Bozen nur zwei hatte. Bei den Verhandlungen wollten die Regierung und die Rechte von Bozen (Entwürfe Rognoni, De Mita, Dragogna u. a. ), dass die Maßnahme einen Sitz für Italiener garantiere. Der Wahlkreis sollte nur Bz und die mehrheitlich ital. Gemeinden links der Etsch umfassen. Wir haben uns erfolgreich gewehrt, das Unterland zu teilen und eine Garantie für die Italiener vorzusehen. Der Text des Pakets sagt bzgl. der Schaffung des Wahlkreises, um eine proportionale Vertretung der Sprachgruppen zu „begünstigen“, aber nicht zu „garantieren“. Auch hatten die Italiener den Sitz, von 4 Jahren von
    Karl Ferrari und 12 Jahren von mir im Senat abgesehen, in der langen Zeit immer für sich, auch die letzten 10 Jahre. Eine Rotation wäre fällig.
    In der nachstehenden Studie bringe ich die langen von Magnago und Riz geführten Verhandlungen für den Senatswahlkreis Bozen Unterland. Daraus geht hervor, dass die Svp absolut gegen einen garantierten Senatssitz für Italiener war und deshalb eine Lösung durchgesetzt hat, die eine Chance auch der deutschen Gruppe lässt, zumal sie ein Drittel der Bevölkerung stellt. Man findet in der Studie auch die Protokolle der Sitzungen der Svp Parteileitung und des Parteiausschlusses. Dieser langwierige Kampf darf nicht mit einer oberflächlichen Interpretation der Maßnahme 111 verspielt werden.“
    Es mutet schon seltsam an, dass gerade jene, die ansonsten stets so vehement gegen Minderheitenschutz samt Quote sind bzw. jene, die über all die Jahre diesen aushöhlt haben, hier nun bei einer freien demokratischen Wahl gar ein Kandidaturverbot für Deutschsprachige in dem Wahlkreis gäbe.
    Vgl.a: „Mehrheitsschutz und Kandidaturverbot.
    Senatswahlkreis Bozen-Unterland“ vom 07.08.22, in Brennerbasisdemokratie

  • rowa

    ach der Meinhard Durnwalder, der mit der „gmahnten“ Wiese im Pustertal …

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen