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„Es geht wieder aufwärts“

Foto: mmondini_photo

Gerhard Kerschbaumer hat sich am vergangenen Wochenende erneut zum Mountainbike-Italienmeister gekürt. Wie er es wieder in die Erfolgsspur geschafft hat.

Tageszeitung: Herr Kerschbaumer, am Sonntag konnten Sie sich in Gsies Ihren vierten Italienmeistertitel holen. Hat dieser Sieg somit einen besonderen Stellenwert, weil Sie zum ersten Mal vor heimischem Publikum Italienmeister wurden?

Gerhard Kerschbaumer: Ja, ein solches Ereignis findet nicht alle Tage statt. Das letzte Mal war eine Italienmeisterschaft in Südtirol vor mehr als zehn Jahren in Sarntal. Deshalb ist es umso schöner, dass ich vor den vielen Fans meine Leistung abliefern konnte. Es könnte nicht besser sein.

Die letzte Saison war durchwachsen und auch heuer blieben Spitzenergebnisse bislang aus. War dieser Sieg ein Befreiungsschlag?

Auf jeden Fall, mit diesem Titel habe ich nun sicherlich weniger Druck. Corona hat mich aus meiner Spur geworfen und deswegen musste ich mich wieder heranarbeiten. Letztes Jahr hatte ich Schwierigkeiten – mittlerweile habe ich eine Strategie und diese funktioniert sehr gut.

Und diese Strategie ist…

2012 hatte ich kurz einen Trainer, wobei das nicht gut funktioniert hat. Seitdem bin ich auf meinen eigenen Weg weitergefahren – bis zum letzten Jahr. Ich dachte mir, ich probiere es noch einmal und vielleicht geht der Knopf auf, was aber nicht der Fall war – es war aber nicht die Schuld des Trainers. Heuer habe ich wieder einen anderen Trainer und wir trainieren immer halb-halb: Was ich zurzeit trainiere, entscheide ich selbst. Es ist aber immer hilfreich, jemanden hinter sich zu haben, der dir Tipps und Ratschläge gibt. Das funktioniert zurzeit gut und wir können nach vorne blicken.

Wie schwierig war es für Sie, nach der Pandemie wieder an Ihre Topleistungen anzuknüpfen?

Wir Athleten haben unser Programm und wissen somit auch, wann die jeweiligen Rennen stattfinden. In den letzten beiden Jahren wusste man nie, ob ein Rennen gemacht wird oder nicht. Dies hat mich sicherlich aus meiner Spur geworfen, die Pandemie ist jetzt aber hoffentlich vorbei.

Waren die letzten beiden Jahre die schwierigsten Ihrer Karriere?

Jein, die Jahre um 2014 bis 2016 waren auch nicht das Wahre. Es gibt ganz wenig Sportler, die jedes Jahr konstant gleich gut sind und Niederlagen gehören zum Sportlerleben dazu. Ich bin der Meinung, dass ich von meinen Niederlagen am meisten gelernt habe und diese machen einen umso stärker. Ich hatte viele Tiefs, aber ich war immer überzeugt, dass es wieder aufwärts geht.

Haben Sie in den letzten Jahren daran gedacht, das Handtuch zu werfen und das Rad an den Nagel zu hängen?

Ja, diese Gedanken hatte ich schon öfters. Vor allem letztes Jahr dachte ich mir, ob es überhaupt noch Sinn macht, weiterzumachen. Schlussendlich bin ich 30 Jahre alt und somit noch nicht zu alt. Ich denke, ich kann noch fünf Jahre an diese Leistungen anknüpfen, denn der Weltmeister Nino Schurter ist zurzeit 36 Jahre alt.  Es wären schon noch einige Jahre vor mir, nur habe ich mittlerweile eine Familie und heuer übernehme ich den Hof. Zuhause habe ich es fein, momentan macht mir der Sport noch eine Freude. Für nächstes Jahr habe ich noch kein Vertrag, aber wer weiß.

Sie sind seit 2009 aktiv im Elite- Radsport tätig und haben schon viele Siege eingefahren. Was war der bisher schönste Erfolg Ihrer Karriere?

In meiner Karriere hatte ich viele schöne Ereignisse, das Schönste war mein Juniorweltmeistertitel im Jahre 2009 in Australien.

Von 2017 bis 2019 konnten Sie sich jedes Jahr den Italienmeistertitel holen, 2018 wurden Sie in Lenzerheide Vize-Weltmeister. Welcher Sieg steht immer noch auf Ihrer Wunschliste?

2019 wäre ich auch Vize-Weltmeister geworden, hatte aber 200 Meter vor dem Ziel eine Reifenpanne. Seitdem ich zweimal bei solchen Großevents so gut abgeschnitten habe, ist der Weltmeistertitel das große Ziel. Ich bin mir bewusst, dass das nicht leicht ist und die Frage ist, wie ich meine Form halten kann. Ende August findet die nächste Weltmeisterschaft statt und einen Monat habe ich noch Zeit.

Sie sind 31 Jahre alt, haben zwei Kinder und einen Hof. Neigt sich Ihre Karriere in den nächsten Jahren langsam dem Ende zu?

Ja, es ist aber alles offen. Ich habe zurzeit aber noch viel Freude und das ist das Wichtigste. Die Freude am Sport ging letztes Jahr kurz verloren, denn man braucht ja auch Erfolge – und diese waren nicht da. In der heurigen Saison waren die schönsten Rennen für mich in Südtirol: das Marathonrennen in Gröden und die Italienmeisterschaft am Sonntag. Wenn ich die Freude weiterhin habe und die Gesundheit mitspielt, werde ich sicherlich noch weiterfahren.

Sie haben eine lange Karriere hinter sich, wären Sie finanziell abgesichert?

Als kleiner Junge wollte ich mit meinem Sport Geld verdienen, auch wenn ich nicht wusste, ob und wie es funktioniert. Es ist aber so gekommen: Vor ein paar Jahren habe in den Hof investiert, wir betreiben Urlaub auf dem Bauernhof und vor zwei Jahren habe ich ein Haus gebaut. Wenn ich meine Sportkarriere beende, bin ich auf jeden Fall finanziell abgesichert – da habe ich schon früh genug nachgedacht (lacht).

Wie geht es für Sie nun wettkampfmäßig weiter?

Dieses Wochenende wäre ein Weltcuprennen in den Vereinigten Staaten, welches ich aber auslassen werde. Sonst wären fünf wichtige Rennen hintereinander und das ist zu viel. Am Montag starte ich nach Kanada zum vorletzten Weltcup-Rennen, Mitte August findet die Europameisterschaft in München statt und dann steht auch schon die  Weltmeisterschaft in Frankreich vor der Tür. Nach der Weltmeisterschaft ist in Val di Sole das letzte Weltcuprennen.

Interview: Samuel Fink

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