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Der ausländische Freiwillige

Mirko Gasperi

Der Bozner Mirko Gasperi ist seit Monaten untergetaucht, selbst sein Anwalt geht davon aus, dass er im Ukraine-Krieg auf Seiten Russlands kämpft. Aber: Der Casapound-Exponent arbeitet in Lemberg als Freiwilliger.

von Thomas Vikoler 

Zwischen einem „foreign fighter“ und einem „foreign volunteer“ besteht ein erheblicher Unterschied, vor allem in strafrechtlicher Hinsicht. Ersterer ist ein Krieger oder Soldat, der für einen ausländischen Staat kämpft. Und das ist seit dem Inkrafttreten des italienischen Anti-Terrorismus-Gesetzes aus Jahre 2015 eine Straftat, auf die ein Strafrahmen von sechs bis 18 Jahre Haft steht.

Das ist Mirko Gasperi durchaus bewusst. Auch deshalb will er darüber reden, was er seit seinem auffallenden „Verschwinden“ aus Bozen so macht.

Über Mirko Gasperi wird in Bozen erzählt, dass er sich in der Ukraine aufhalte – als Soldat auf der Seite Russlands. Davon geht selbst sein Anwalt aus, der ihn im Strafverfahren Bella Ciao II zu einer Gewaltattacke gegen einen Aktivisten von Rifondazione Comunista vertritt (die Hauptverhandlung wurde jüngst auf September verschoben).

Gasperi ist einer der bekanntesten Exponenten der ultrarechten Organisation Casapound in Bozen, deren Mitglieder sich selbst gern als „Faschisten des dritten Jahrtausends“ nennen. Den Namen haben sie von dem amerikanischen Poeten Ezra Pound übernommen, der starke Sympathien für den italienischen Faschismus hegte.

Gasperi war zeitweise Stadtviertelrat und bei den im vergangenen Jahrzehnt nicht seltenen Aufmärschen des Bozner Casapound-Ablegers dabei. Etwa beim „Marsch auf Bozen“.

Deshalb war es gar nicht so abwegig anzunehmen, er sei nun ein „foreign fighter“ für einen Staat mit starken faschistischen Zügen wie Russland.

Doch di Realität ist eine andere: Gasperi hält seit dem 1. März dieses in der Ukraine auf – als „foreign volunteer“. „Meine Anwesenheit als Freiwilliger wurde beim italienischen Konsulat in Lemberg gemeldet, aus offensichtlichen rechtlichen Gründen“, berichtet Gasperi im Gespräch mit der

Tageszeitung im Südtiroler Dialekt telefonisch aus Lemberg. Allein der Verdacht, er sei ein „foreign fighter“, könne zu einem Problem für ihn werden.

Gasperi arbeitet in Lemberg (Lviv) als Helfer für die teilweise in Italien angesiedelte Uliana-Cusic-Stiftung, die auch von der Rechtspartei Fratelli d`Italia unterstützt wird.

„Ich bin aus eigener Initiative in die Ukraine gekommen, nicht auf Vermittlung von Casapound. Es gab in dem Gastbetrieb, in dem ich bis dahin gearbeitet hatte, einen Pächterwechsel und so habe ich mich kurzfristig entschieden, in die Ukraine zu gehen“, berichtet Gasperi. Er sagt, er habe bereits mit 18 Jahren als Freiwilliger beim Roten Kreuz gearbeitet, mehrere Monate nach dem dortigen Erdbeben in den Abruzzen oder, während der Corona-Pandemie, im Aufnahmezentrum in der Bozner Messe, das vom Roten Kreuz geführt wurde.

In Lemberg im Westen der Ukraine, wo er sich seit bald fünf Monaten aufhält, betreute Gasperi zunächst Flüchtende, die nach Polen weiterreisen wollten, derzeit ist er für Materialtransporte (Essen, Kleidung, Medikamente) in östlicher gelegene ukrainische Städte wie Odessa zuständig.

Dies alles, weil er davon überzeugt ist, dass der russische Angriffskrieg eine „Verletzung der Souveränität der Ukraine“ darstellt, „einen Anschlag auf ein freies europäisches Land“. Dies dürfe nicht hingenommen werden, „ich musste etwas dagegen tun“, sagt Gasperi.

Er legt Wert auf die Feststellung, weiterhin bei Casapound aktiv und grundsätzlich gegen jede Form des „Imperialismus“ zu sein. Wobei er den amerikanischen Imperialismus auf eine Stufe mit dem russischen stellt. „Das ist das gleiche Spiel“, behauptet Gasperi.

In Lemberg ist er bei einer ukrainischen Familie untergebracht, er hat bisher einige Bombardements, etwa von Bussen in den ersten Kriegstagen, und häufigen Bomben-Alarm mit damit verbundenen Bunker-Aufenthalten erlebt.

„Die Ukrainer sind mutige Leute, die sich immer schon gegen die Russen verteidigen mussten. Das führt zu einer patriotischen Mentalität, die wir so nicht kennen. Die Losung speziell bei den jungen Männern lautet Freiheit oder Sterben. Ich habe einige von ihnen im Rollstuhl herumfahren sehen“, berichte Gasperi.

Sein Freiwilligen-Einsatz in der Ukraine wird in Kürze enden. Er habe in Bozen einen kleinen Sohn, wie er verrät.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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