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„Der Peak ist erreicht“

Patrick Franzoni

Obwohl die Inzidenz wieder so hoch ist wie im Februar, macht man sich im Sanitätsbetrieb keine Sorgen wegen der Sommerwelle. Covid-Einsatzleiter Patrick Franzoni erklärt warum.

Tageszeitung: Herr Franzoni, in dieser Woche wurden teilweise über 1.000 Neuinfektionen nachgewiesen, die Wocheninzidenz ist so hoch wie zuletzt Ende Februar…

Patrick Franzoni: In Wirklichkeit dürften diese Zahlen wohl noch viel höher sein. Derzeit sehen wir nur ein Viertel der Fälle, die es wirklich gibt. Die dominierenden BA.4- und BA.4-Varianten sind enorm ansteckend. Viele Positive testen sich aber nur mit einem Selbsttest, denn solange ein offizielles positives Testergebnis mit der Quarantäne verbunden ist, werden die Leute lieber einen Selbsttest machen und einige Tage zu Hause bleiben. All diese Fälle scheinen uns gar nicht mal auf.

Beunruhigen Sie diese hohen Zahlen nicht?

Nein, denn nicht die Inzidenz oder die Zahl der täglichen Neuinfektionen sind bestimmend, sondern alleine die Krankenhauszahlen.  Im letzten Jahr hätten wir mit solchen Zahlen noch riesiger Probleme gehabt, jetzt handelt es sich um eine überschaubare Situation, auch wenn wir mit organisatorischen Schwierigkeiten zu kämpfen haben.

Auch im Krankenhaus gibt es mehr Patienten. Noch vor wenigen Wochen hieß es, dass bei über 100 Covid-Patienten der Sanitätsbetrieb in Bedrängnis geraten würde. Nun ist diese Grenze erreicht.

Ja, das stimmt zwar, aber kritisch ist es nicht, weil es den Patienten so schlecht geht, sondern weil der gewöhnliche Ablauf nicht gewährleistet werden kann. Wir sind im Moment an der Grenze, derzeit reicht aber die eine Covid-Station in Bozen. Ich denke, dass das auch weiterhin so sein wird, denn italienweit sind die Zahlen bereits rückläufig. Damit dieser Rückgang auch im Krankenhaus beobachtet werden kann, werden noch rund zwei Wochen vergehen müssen. Man muss also weiterhin vorsichtig sein und die Daten im Auge behalten.

Sie glauben also nicht, dass es nötig sein wird, weitere Covid-Stationen zu öffnen?

Im Moment glaube ich, dass keine Notwendigkeit dazu besteht. Wir haben ja weiterhin ein Abkommen mit der St.-Anna-Klinik. Der Peak ist laut den Daten des ISS erreicht. Zudem beträgt der Anteil der eigentlichen Corona-Patienten nur 20 Prozent. Die restlichen 80 Prozent sind entweder Patienten mit anderen Krankheitsbildern wie Diabetes, Lungenproblemen oder eine Herzinsuffizienz, für die Covid gefährlich werden könnte, oder es handelt sich um Patienten, die wegen Knochenbrüchen oder Operationen im Krankenhaus sind, für die Covid keine Gefahr darstellt. Doch auch diese Patienten, die also nicht wegen Corona eingeliefert wurden, müssen isoliert und separat betreut werden. Fakt ist: Hätten wir ähnlich hohe Inzidenzen im letzten Jahr, hätten wir deutlich mehr Probleme.

Großes Ziel des Sanitätsbetriebs war es, im Sommer die zahlreichen aufgeschobenen Termine aufzuholen. Ist dies bei so vielen Corona-Patienten noch möglich?

Im Moment laufen alle Dienste wie gewohnt weiter, solange wir keine neuen Abteilungen öffnen müssen, wird das auch so weitergehen. Natürlich ist auch ein Teil des Personals betroffen. Aber der Staat hat überlegt, die Quarantäne künftig auf fünf Tage zu senken, so können diese Personen schneller in den Dienst zurückkehren und andere überlegen es sich womöglich künftig eher, ob sie nicht doch einen offiziellen Antigentest machen.

Wer sind die Personen, die wegen Corona im Krankenhaus eingeliefert werden?

Es betrifft vor allem ältere Personen mit einem schwächeren Immunsystem, über 80-jährige die die zweite Auffrischimpfung nicht gemacht haben oder ältere Personen und Risikopatienten, die noch nicht einmal den zweiten Booster hatten. Das Problem: Je mehr Leute infiziert sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass Personen angesteckt werden, die nicht so gut geschützt sind und ernstere Verläufe entwickeln. Es ist also von grundlegender Bedeutung, sich richtig zu schützen, sofern man die Möglichkeit hat.

Sie meinen die zweite Auffrischimpfung für Risikopatienten und Personen über 60 Jahre?

Ja, aber nicht nur. Es gibt nämlich viele Personen, die im Krankenhaus landen, weil sie noch nicht einmal den ersten Booster gemacht haben. Die Impfung ist noch immer eine wichtige Waffe, die schweren Verläufen optimal vorbeugt, zudem haben wir einige Medikamente, die uns helfen. Daneben ist aber auch die Maske wichtig. Gerade Risikopatienten und ältere Personen sollten sich bei Menschenansammlungen, beispielsweise beim Einkaufen, mit der FFP2-Maske schützen.

Sie haben vorhin angesprochen, dass der Peak an Infektionen in Italien bereits erreicht sein müsste. Gilt das auch für Südtirol?

Ja, auch in Südtirol müsste der Peak jetzt erreicht sein, dennoch müssen wir in den nächsten Wochen aufmerksam sein und uns auch darüber hinaus schützen und impfen, denn neue Varianten wie die BA.2.75, oder Centaurus-Variante, die sich über Indien verbreitet hat, sorgt jetzt auch für Aufmerksamkeit.

Interview: Markus Rufin

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (5)

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  • vinsch

    Jetzt dürfen die nicht geimpften Ärzte wieder an die Front, lange hat man gewartet und es musste zuerst ein Primararzt an einem Herzinfarkt sterben, nachdem er 24 Stunden durchgearbeitet hat, dass die Verantwortlichen endlich aufwachen…

  • asterix

    Meint er mit „Peak“ den Gipfel oder Höhepunkt? Aber mit „Peak“ klings natürlich gleich viel kompetenter. Abgesehen davon, der Sanitätsbetrieb war schon vor Corona jahrelang am Anschlag. Da braucht man nur an die Ambulanten Wartezeiten denken. Lasst gut sein. Corona ist da und wir werden damit leben müssen.

  • asterix

    Abgesehen davon werden die Masken bei Gesunden nicht viel helfen. Die Kranken, also die Vierenschleudern müssten sie aufhaben. Wenn schon und hört mit dem Qarantänequatsch auf. Bei diesen Dunkelziffern, laufen ja eh tausende Infizierte frei rum.

  • treter

    Deitsch bleiben Herr Franzoni: Gipfel und nit Peak!!!!

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