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Leporello der Lust

Drei Vulvas: Zeichnung von Karin Welponer

Doch alle Lust will Ewigkeit. Karin Welponer zeigt in der Galerie Prisma zeichnerische Annäherungen an die Vulva.

 

Erotik, ob im Leben oder in der Kunst, ist ein Jagdritual. In letzterem Fall wird ein Sujet umkreist, eingekreist, wieder und wieder gemalt, gezeichnet, von neuem gezeichnet, in immer neuen Anläufen gezeichnet, auf tausend möglichen Arten darauf zurückgekommen, in ein fließendes Kontinuum der Linien, in ein Gleiten von einem Bild zum nächsten gebracht. Erfüllung gibt es nicht, es gibt nur den steten Aufschub der Erfüllung und gerade die Unerfülltheit der Lust ist die Lust selbst.

Kann sein, dass Karin Welponer diese Unstillbarkeit meint, wenn sie ihrer Ausstellung in der Galerie Prisma den Nietzscheanischen Titel  „Doch alle Lust will Ewigkeit“ aus dem „Mitternachtslied“ aus „Also sprach Zarathustra“ gibt. Die von Luigi Fassi kuratierte Ausstellung zeigt eine Serie von Zeichnungen, die zwischen 2012 und 2017 im brasilianischen Bundesstaat Bahia entstanden sind. Welponer ist eine Reisende, das Zeichnen begleitet sie dabei kontinuierlich. Eine reiche Sammlung an Notizbüchern, Fotos und vor Ort angefertigten Zeichnungen ihrer Erlebnisse und Begegnungen dokumentiert diese bei KünstlerInnen nicht eben seltene Passion.

Mit sehr wenigen raschen Striche fokussiert sie wie Gustav Courbet in seinem „Ursprung der Welt“ das  zentrale Sujet der Bilderserie: Die weibliche Vulva. Im klassischen Akt verbirgt der Körper das Geschlecht, für Welponer sind der Schamhügel, die Vulva, das Gesäß der wahre Körper, den Rest der Anatomie deutet sie nur torsohaft an.  Die angedeuteten Schenkelpaare des Modells verbergen nicht ein dicht behaartes Geschlecht, das Modell ist diese Vulva.  Im Torso kommt die Vulva zu sich selbst.

Eine Ausnahme bildet eine fast karikaturhafte Serie von Zeichnungen mit prächtigen weiblichen Hinterteilen, die sie den brasilianischen Schriftsteller Jorge Amado in hymnischen Versen feiern lässt: „dein Feuerschlund Hinterteil den Schlaf mir nahm“.

Wie ein Leporello aus nach-, mit- und gegeneinander positionierten Skizzen sind die Zeichnungen gehängt, sodass die Sequenz wichtiger als das einzelne Blatt erscheint. Die endgültige „Meisterzeichnung“ gibt es in Welponers das Begehren, nicht das Begehrte fixierenden Blättern nicht. Die raschen Striche deuten an, dass es um eine Öffnung der Form, um die Verbindung der zeichnerischen Form mit der Lust an der linien(er)zeugenden zeichnerischen Geste geht.

Die Form der Vulva als mystischen Ur-Ort findet sie auch in der Natur. „Die Erkundung dieses Themas“, so schreibt Luigi Fassi, „begann vor einigen Jahren mit einer Werkserie von Zeichnungen, Eros und Baummenschen die ihren Ursprung in vorbereitenden, bei Ausflügen und Waldspaziergängen entstandenen fotografischen Aufnahmen von Bäumen haben. Die von unten aufgenommenen Nahansichten von Stämmen und Ästen wurden auf Fotopapier gedruckt und anschließend um hundertachtzig Grad gedreht. Vegetabile Zweige und Astgabeln erscheinen so als menschliche Torsi und Beine, geben ebenso überraschende wie unverhoffte menschlich anmutende Details preis.“

Die Natur ein Lustgarten. Sie war es schon vor dem Menschen, die Eros zur Triebfeder der Kunst geadelt und zu einem ihrer Schutzgötter erwählt hat. (Heinrich Schwazer)

Termin: Bis 9. Juli in der Galerie Prisma, Bozen

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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