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Vorrang für Südtirol

Luis Amort

Alperia würde im Notfall die Gasversorgung zuerst für Südtiroler Kunden garantieren. Der neue Generaldirektor Luis Amort über die angespannten Energiemärkte, das abhängige Europa – und über die Pläne von Alperia.

Tageszeitung: Herr Amort, wohin geht der Weg von Alperia in den nächsten Jahren?

Luis Amort: Wir werden den Weg fortführen, den wir begonnen haben. Es funktioniert ja sehr viel sehr gut. Einige kleinere Korrekturen wird es in der internen Struktur geben. Wir haben ja eine erste Phase der Fusion hinter uns, die sehr gut gelaufen ist. Dann gab es eine Phase eines relativ starken Wachstums. Und jetzt werden wir auch eine Konsolidierung brauchen, um alles, was neu dazugekommen ist, sauber zu strukturieren. Wir werden uns auf unser Kerngebiet Südtirol besinnen, wollen aber auch bedacht dort wachsen, wo es Synergien und einen Mehrwert für uns gibt. In diesem Sinne werden wir weiter ein gesundes Wachstum und Expansion betreiben – mit Augenmerk auf Südtirol.

Wie groß ist der Andrang auf das neue Stromangebot für Südtiroler Haushalte?

Kurz als Überblick: Es gibt den sogenannten Tarif auf dem freien Markt und jenen auf dem geschützten Markt. Alperia hat von Anfang an günstige Angebote auf dem freien Markt lanciert. Es gibt aber noch immer 60.000 Kunden auf dem geschützten Markt. Alperia hat nun schon das zweite günstige Paket mit großen Preisvorteilen aufgelegt: Jenes vom Herbst wurde von 40.000 Kunden unterschrieben – und unser neues Angebot Alperia Eco haben in den ersten zwei Wochen bereits mehr als 5.000 Südtiroler Haushalte angenommen.

Monatelang hieß es, Alperia habe keinen finanziellen Spielraum mehr für günstigere Stromtarife. Was hat sich geändert?

Das staatliche Dekret zur Abgabe der Zusatzgewinne für Stromproduzenten war ein Damoklesschwert für Alperia. Monatelang war nicht klar, ob auch wir vom Dekret betroffen sind. In der Zwischenzeit gibt es eine Entscheidung zugunsten von Alperia. Somit war es möglich, dieses Angebot zu lancieren und die Mindereinnahmen in Kauf zu nehmen.

Werden sich die Energiemärkte bald entspannen oder muss man sich für längere Zeit auf hohe Preise einstellen?

Eine sehr schwierige Frage. Die Energiemärkte sind natürlich sehr angespannt – mit Erdgaspreisen auf einem historischen Höchststand. Das hat Folgen für die Strompreise, weil sehr viel Strom mit Erdgas produziert wird. Die Faktoren für die hohen Gaspreise sind die große Nachfrage der Wirtschaft, der Umstieg Chinas von Kohle vor allem auf Erdgas, der Russland-Ukraine-Krieg mit der Drosselung der russischen Gaslieferung nach Europa sowie der starke Anstieg der CO2-Preise infolge der Energiewende. Das alles zusammen bringt Unruhe in die Energiemärkte. Ob sich das in nächster Zukunft ändern wird, ist mehr als fraglich. Vieles wird mit der Dauer des Ukraine-Konfliktes zusammenhängen. Die weiteren Folgen sind derzeit leider für niemanden abzusehen.

Angesichts der Spannungen mit Russland befürchten viele europäische Staaten, dass im kommenden Winter das Gas zum Heizen nicht reichen wird. Wie groß ist diese Gefahr?

Die gedrosselte Gaslieferung ist natürlich ein Problem. Italien hängt zwar in geringerem Ausmaß von Russland ab als etwa Deutschland oder Österreich – etwa zu 50 Prozent –, aber beim Füllstand der Erdgasspeicherung liegen wir derzeit unter dem Schnitt der Vorjahre. In den letzten drei Jahren betrug der Füllstand Ende Juni rund zwei Drittel. Heute sind es in Italien etwas über 50 Prozent. Die Situation ist nicht dramatisch, man muss nicht in Panik geraten, sie ist aber durchaus sehr angespannt und wird von den zuständigen Gremien sehr vorsichtig gemanagt. Auf Staatsebene werden Maßnahmen getroffen und Szenarien entwickelt – vor allem jetzt, wo man noch mit einem halbwegs kühlen Kopf arbeiten kann.

Was bedeutet die Situation für Südtirol?

In Südtirol sollte man nicht die Stimmung verbreiten, dass uns im Winter kalt wird. Im Vergleich zu Italien und Europa haben wir einen verschwindend geringen Gasverbrauch. Alperia hat sich so positioniert: Unser vorrangiges Ziel ist es, die Gasversorgung in Südtirol zu sichern. Alperia verkauft Gas auch außerhalb des Landes, vor allem für die Industrie. Bei Knappheit würde diese Versorgung zugunsten der Versorgung der Südtiroler Haushalte zurückgefahren. Ich möchte auch daran erinnern, dass es in Südtirol mehr als 70 Fernheizwerke gibt. Südtirol ist zwar ebenfalls vom Gas abhängig, hat mit der Fernwärme aber auch eine Alternative für die Heizung. Die Situation ist natürlich schwierig für alle und es ist nicht abzusehen, wie es weitergehen wird. Wir werden vor allem unter hohen Preisen leiden. Um die Versorgung mache ich mir weniger Sorgen.

Gibt es die gesetzlichen Voraussetzungen, um im Notfall den Südtiroler Kunden bei der Gasversorgung Vorrang zu geben?

Das ist eine Policy von Alperia. Es gibt aber den Gas-Notfallplan der italienischen Regierung, der in unterschiedlichen Stufen die entsprechenden Maßnahmen regelt. Grundsätzlich wird den Haushalten und essentiellen Diensten Vorrang gegeben. Haushaltskunden beim Gas haben wir eigentlich nur in Südtirol. Außerhalb Südtirols haben wir vor allem Firmenkunden.

Was kann Europa tun, um in der Energieversorgung unabhängiger zu werden?

Eine gute Frage. Es wäre wirklich zu wünschen, dass die Krisen der letzten Jahre etwas bewirken. Denn Europa war etwa bei Ausbruch der Pandemie nicht imstande, Masken zu besorgen. Weiters sind wir bei Medikamenten, Rohstoffen und Energie abhängig. Europa hat sich in den letzten Jahrzehnten in eine Situation manövriert, wo wir von allem abhängig sind. Es ist zu hoffen, dass wir daraus eine Lehre ziehen und uns von dieser Abhängigkeit etwas lösen. So ist eine Umstellung im Energiebereich dringend notwendig – weg von fossilen Energiequellen zu alternativer Energie: Wind, Sonne und Wasser. Man kann streiten, wie lange wir Erdöl und Erdgas noch brauchen werden, aber irgendwann wird es versiegen. Zudem hat die Umwelt eine Umstellung dringend nötig.

Experten wie auch der Alperia-Funktionär Wolfram Sparber machen auf das enorme Photovoltaik-Potenzial in Südtirol aufmerksam. Wird Alperia in diesem Bereich verstärkt aktiv werden?

Alternative Energien gehören zu den Nachhaltigkeitszielen unserer Landesregierung. Dabei ist neben Wasserstoff auch Photovoltaik aufgelistet. Allein die öffentlichen Gebäude bieten ein unglaubliches Potenzial für Photovoltaikanlagen. Es gibt heute fortgeschrittene Technologien, mit denen man Fassaden mit Paneelen ausstatten kann, die überhaupt nicht mehr als Photovoltaik sichtbar sind. Wir als Energiegesellschaft sind gefordert, voranzugehen und uns vor nichts zu verschließen. Auch beim Stichwort Energiegemeinschaften. Wir sind verpflichtet, uns auch im Bereich Photovoltaik zu engagieren und zu investieren.

Alperia ist mittlerweile sehr breit aufgestellt. Was ist die Vision für Südtirol? Wie will Alperia das Land in den nächsten zehn Jahren verändern?

Ein zentraler Bereich bleibt die grüne Energieproduktion aus Wasserkraft. Da die Konzessionen in den nächsten Jahren auslaufen, wird es erstes Gebot sein, uns als Unternehmen der Südtiroler darauf vorzubereiten, damit wir die Wasserkraftwerke weiterhin betreiben dürfen. Ein weiterer wichtiger Punkt wird die Versorgung sein. Ich spreche dabei von den Strom-, aber auch von den Fernwärmenetzen. Ein Land wie Südtirol braucht gute Infrastrukturen in diesen Bereichen, um sich gut weiterentwickeln zu können. Weiters werden wir uns im Bereich neuer Energien engagieren und breit aufstellen. Windparks werden in Südtirol nicht das große Thema sein, aber Wasserstoff und Photovoltaik müssen und werden uns interessieren. Südtirol hat hier viele Möglichkeiten und wir werden vorangehen.

Sehen Sie Spielräume für Südtirol, beim Strom unabhängiger vom nationalen System zu werden – sprich den selbst produzierten Strom direkt und günstig an die Haushalte und Betriebe zu verteilen?

Eines ist die Stromproduktion, das andere sind die Stromleitungen. Dabei gibt es physikalische Gesetze. Im Bereich der Stromversorgung ist Vernetzung das zentrale Thema: Je vernetzter ein Stromnetz, desto besser funktioniert es. Beim Stichwort Stromautonomie an billigen Strom zu denken, ist zu kurz gedacht. Diesbezügliche Gedanken müssen zu Ende geführt werden. Wenn wir beim Strom autonom sein möchten, müssen wir uns etwa die Frage stellen, wer die hunderte Millionen Euro bezahlt, die Terna in den nächsten Jahren in Südtirol ins Stromnetz investiert. Hinzu kommen jährlich zwischen 30 und 50 Millionen Euro von Edyna. Das sind heruntergebrochen auf die Einwohnerzahl Südtirols enorme Ausgaben. Die Themen Stromautonomie und günstiger Strom sind zu studieren, aber der direkte Zusammenhang ist nicht korrekt.

Interview: Heinrich Schwarz

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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