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Bauern gegen Milchhof 

Der langwierige Kampf einiger Wipptaler Bauern gegen die flächenbezogene Landwirtschaft: Das erstinstanzliche Urteil fiel zu Gunsten des Milchhofes Sterzing aus. Acht von 21 Bauern haben dagegen Rekurs beim Oberlandesgericht in Mailand eingereicht.

von Erna Egger

„Wenn man in einem Rechtsstreit Recht bekommt, dann ist es immer eine Bestätigung, dass man den richtigen Weg eingeschlagen hat“, kommentiert der Geschäftsführer des Milchhofes Sterzing, Günther Seidner.

Der Milchhof im Wipptaler Hauptort hat seit Jahren ein gerichtliches Verfahren mit einigen Mitgliedern laufen. Hintergrund dieses Rechtsstreites sind die Beschlüsse der Südtiroler Milchhöfe im Jahr 2018 zur flächenbezogenen Landwirtschaft.

Rückblick: Nach langen Diskussionen haben sich die Genossenschaften in ihren Vollversammlungen im Mai 2018  – zumeist mit großer Mehrheit – mit den Beschlüssen zur flächenbezogenen Milchproduktion selbst Reglementierungen auferlegt – trotz des Widerstandes vieler Großbauern, die um ihre Existenz fürchten. Die Regelungen traten mit 1. Jänner 2019 in Kraft. Demnach dürfen die Bauern nur mehr 2,5 Großvieheinheiten (GVE) pro Hektar halten. Den Landwirten wurde je nach Genossenschaft eine dreijährige oder – wie im auch im Sterzinger Milchhof – eine fünfjährige Übergangsfrist eingeräumt. Die Beschlüsse werden somit Ende 2023 umgesetzt.

In dieser Zeit müssen die Milchbauern, die zu viele Kühe halten, den Viehbestand reduzieren oder Flächen dazukaufen bzw. pachten.

Nimmt ein Bauer die Anpassung nicht vor, wird nach Ablauf der Übergangsfrist die Milch dieses Mitgliedes vom Milchhof nicht mehr angenommen.

Es gehe um das Image, um Nachhaltigkeit, um die Reduzierung von Gülle und um die Einhaltung von EU-Richtlinien, wurde argumentiert.

Argumente, die für die Großbauern im Wipptal nicht nachvollziehbar waren.

Ein Team von Anwälten hat im Jahr 2018 im Namen von rund 20 Wipptaler Groß-, Mittel- und Kleinbauern die Beschlüsse des Milchhofes Sterzing zur flächengebundenen Milchproduktion gerichtlich angefochten. „Dies, weil diese wettbewerbswidrige Abrede zwischen sämtlichen Südtiroler Milchhöfen und dem Sennereiverband – anders als dies die Politik und die Milchhöfe darstellen – auch Kleinbauern betrifft und das Ende für viele Vollerwerbsbauern bedeutet“, so David Röttgen von der mitbeauftragten Anwaltskanzlei „Ambientalex“.

Das Urteil wurde am 13. Jänner 2022 gefällt und am 3. März dieses Jahres notifiziert.

Ein Urteil zu Ungunsten der Kläger: In der 1. Instanz hat das Mailänder Gericht die Klage abgewiesen. „Das Gericht ist der Argumentation des Milchhofs gefolgt und hat ihm in allen Punkten recht gegeben. Die Beschlüsse halten stand“, sagt hierzu Michael Obrist, Leiter des Bereichs Recht im Raiffeisenverband Südtirol, der den Fall begleitet hat.

Einige Bauern sind mittlerweile abgesprungen, acht Landwirte wollen das Urteil nicht akzeptieren. Sie haben Rekurs eingelegt und werden jetzt den Ausgang der 2. Instanz abwarten. „Denn in der 1. Instanz hat das Gericht Äpfel mit Birnen verwechselt“, sagt Röttgen.

Die Ansicht der Kläger: „Mit ökologischer Nachhaltigkeit hat die flächengebundene Milchproduktion nichts zu tun. Im Gegenteil: Sie belastet die Gewässer – eine Eutrophierung findet statt –, sowie die Luft und die Böden. Umweltrechtlich ist nicht die Anzahl der Großvieheinheiten, sondern die Stickstoffausbringung maßgeblich. Die vorgeschobenen Umweltargumente haben wir alle widerlegt. Es handelt sich also um nichts anderes als Greenwashing“, so der Anwalt.

Die Südtiroler Regelung der flächenbezogenen Landwirtschaft – 2,5 Großvieheinheiten pro Hektar – hält Röttgen für absurd: „Für 2,5 GVE braucht es in günstigen Lagen ca. zwei Hektar und nicht einen Hektar. Damit fällt das ganze Futterflächendogma. Auf jeden Fall sind dadurch die Kauf- und Pachtpreise für Futterflächen gestiegen, was die Bauern noch mehr in die Enge treibt. Das Höfesterben wird also weitergehen.“

Die Gründe für die nunmehrige Viehlimitierung seien – immer laut Röttgen – rein wirtschaftlicher Natur: „Die Südtiroler Milchhöfe wollen so wenig Milch wie möglich von ihren Mitgliedern abkaufen müssen. Fehlende Milchmengen werden von außerhalb Südtirols zugekauft. Dort kostete sie bis vor einigen Monaten weniger. Ein Skandal, der im Herbst letzten Jahres italienweit durch die Medien ging. Man weiß nicht, woher die Milch kommt und in welchen Mengen. Die Flächengebundenheit gilt nämlich nicht für Drittzulieferer. Was hat dieses Geschäftsmodell noch mit Regionalität zu tun?“

Röttgen behauptet, dass hierzu gerade der Sterzinger Milchhof eine Besonderheit darstelle. „Die Nordtiroler Milchgenossenschaft Stubai, seit 2013 Mitglied beim Sterzinger Milchhof, hat über die Jahre immer höhere Mengen Milch an Sterzing geliefert. Seit 2018 fast doppelt so viel wie ursprünglich 2013 vorgesehen. Zeitweise hat die Stubai an Sterzing sogar mehr Milch geliefert, als sie von ihren eigenen Nordtiroler Mitgliedern bekommt.“

Wie geht das? „Ganz einfach: Die Stubai darf von Dritten zukaufen. Für die Bioheumilchanlieferung sind alle Mengenbeschränkungen weggefallen. Bei so viel Zukauf von Milch von außerhalb Südtirols, wozu noch das Markenzeichen ‚Qualität Südtirol‘, das mit Steuergeldern beworben wird?“, kommentiert Röttgen.

Aussagen, die bei Günther Seidner für großen Ärger sorgen: „Das ist eine Unterstellung, die in keinster Weise der Wahrheit entspricht. Im Sterzinger Milchhof werden alle Mitglieder nördlich und südlich des Brenners gleichbehandelt, alle haben dieselben Voraussetzungen. Die Fakten wurden genauestens dokumentiert und gerichtlich deponiert. Im Urteil ist dies auch ganz klar festgehalten. Wäre dem nicht so, wäre das Urteil nicht zu unseren Gunsten ausgefallen“, stellt er klar.

Im Juli findet die erste Verhandlung am Oberlandesgericht in Mailand statt. Wann mit einem definitiven Urteil zu rechnen ist, kann nicht gesagt werden.

Wie blickt der Milchhof diesem Gerichtsverfahren entgegen? „Bei einem italienischen Gericht kann man sich des Sieges nie sicher sein. Wir haben jedoch das eindeutige Urteil in erster Instanz zu unseren Gunsten mit großer Genugtuung zur Kenntnis genommen und sind daher zuversichtlich, dass auch in zweiter Instanz der Rekurs abgewiesen wird“, so Seidner. „Aber wissen kann man nie.“

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