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„Sehe keine Gefahr“

Foto: Sabes

Nach dem ersten Affenpocken-Fall im Trentino: Infektiologie-Primarin Elke Maria Erne erklärt, warum sie keine neue Pandemie befürchtet.

Tageszeitung: Frau Erne, am Wochenende gab es den ersten Affenpocken-Fall im Trentino. Wie wahrscheinlich ist es, dass sich das Virus nun ähnlich schnell ausbreitet wie das Coronavirus?

Elke Maria Erne: Das ist sehr unwahrscheinlich. Das Affenpockenvirus ist sehr viel weniger ansteckend als das Coronavirus. Zudem ist die Krankheit nur über direkten Kontakt übertragbar. Wenn man jetzt sexuellen Kontakt ausnimmt, muss man mit einer bereits symptomatischen Person in Kontakt stehen. Genau wie bei den Windpocken ist es aber auch bei den Affenpocken erkennbar, wenn jemand symptomatisch ist. Es bilden sich nämlich Bläschen an der Haut. Selbst dann muss man sehr engen Kontakt haben, da sich die Krankheit über Tröpfchen überträgt – und nicht wie beim Coronavirus über Aerosole. Die älteren Personen sind zudem bereits über die Impfung geschützt. Man muss außerdem unterstreichen, dass die derzeitige Variante sehr gering ist. In Afrika sind es zwar elf Prozent, dort sind es aber unter anderem unterernährte Kinder.

Also stellen die Affenpocken nach wie vor keine Gefahr dar?

Bei uns stellen die Pocken für die einzelnen Personen keine Gefahr dar. Auch die Gefahr einer Pandemie sehe ich nicht. Im schlimmsten Fall könnte das Virus endemisch werden. Das Virus wurde bereits in Europa importiert und verbreitet. Wenn es sich unkontrolliert weiterüberträgt, könnte es eben endemisch werden, das müssen wir verhindern. Man muss daher Infizierte sofort aus dem Verkehr ziehen.

Dazu hat der Sanitätsbetrieb bereits ein Rundschreiben vom Gesundheitsministerium bekommen…

Ja, genau. Wenn jemand Kontakt mit einem Positiven hatte, soll er sich selbst für 21 Tage in Quarantäne begeben und sich selbst beobachten. Infizierte werden dagegen direkt isoliert.

In Deutschland gibt es bereits 80 Fälle von Affenpocken, einen auch im Trentino. Ist es nur eine Frage der Zeit, bis es auch in Südtirol einen geben wird?

Das ist eine gute Frage. Die ersten Fälle in Europa gehen wohl auf die Gay Pride auf Gran Canaria zurück. Die Inkubationszeit beträgt maximal 21 Tage. Je länger diese Gay Pride zurückliegt, desto unwahrscheinlicher wird es, dass es auch bei uns einen Fall gibt. Allerdings ist es unbekannt, wie groß eine eventuelle Dunkelziffer ist. Wenn sich Leute mit Symptomen nicht an die Krankenhäuser gewandt haben, könnte es sein, dass sie die Krankheit weiterverbreitet haben. Das kann man leider nie ausschließen.

Wie wird in Südtirol damit umgegangen, sobald es einen Verdachtsfall gibt?

Ein Infizierter wird sich wahrscheinlich über die Erste Hilfe oder über den Hausarzt melden. Die Symptome alleine reichen aber nicht dazu aus, um als Verdachtsfall zu gelten. Es muss sich entweder um eine Person handeln, die Kontakt zu einem Positiven hatte oder sich in einer Risikozone aufgehalten hat. Sobald uns ein solcher Verdachtsfall gibt, kommt er auf unsere Abteilung, dort wird er isoliert, es werden Abstriche abgenommen und wir warten dann auf das Ergebnis. Speziell behandelt werden sie nicht, denn meistens besteht überhaupt kein Bedarf zu einer medizinischen Behandlung, weil der Verlauf so mild ist. Die Personen, die Kontakt zum Positiven hatten, sollten sich für 21 Tage selbst in Isolation begeben. Eine Kontaktnachverfolgung werden wir aber nicht betreiben.

Verfügt der Sanitätsbetrieb bereits über die entsprechenden Tests oder werden diese erst dann besorgt, sobald es einen Verdachtsfall gibt?

Nein, wir haben bereits Tests im Krankenhaus. Es handelt sich dabei ebenfalls um PCR-Tests, das heißt, die Methode ist dieselbe wie beim Coronavirus. Wir waren eines der ersten Krankenhäuser, die diese Tests erhalten haben.

Südtirol ist also auf den ersten Affenpockenfall vorbereitet?

Ja, wir haben drei Tage nach dem Rundschreiben geschaut, an diese Tests zu kommen. Der Sanitätsbetrieb hat sehr schnell reagiert und wir haben jetzt bereits abgeklärt, wohin ein Patient mit Affenpocken kommt. Die Abläufe bei der Isolation sind eigentlich ähnlich wie bei Corona, wir wissen also genau, worauf wir achten müssen und was wir bei einem Affenpocken-Fall brauchen. Nichtsdestotrotz möchte ich nochmal betonen, dass es keinen Grund zur Panik gibt. Die Krankheitsbilder sind allesamt mild, wir können aber auch einige stationär aufnehmen, aber prinzipiell brauchen nur die wenigsten eine medizinische Behandlung. Ich bin überzeugt, dass es keine Affenpockenpandemie geben wird.

Interview: Markus Rufin

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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