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Die Faulpelze-Debatte

Südtirol leidet unter einem Fachkräftemangel. Während die SVP den Ursprung des Übels im Bürgereinkommen verortet, kritisiert die Opposition die hohen Lebenshaltungskosten.

Von Matthias Kofler

Einen offenen Schlagabtausch lieferten sich Opposition und Mehrheit in dieser Woche im Landtag. Streitthema war der Fachkräftemangel, der Südtirol immer mehr zu schaffen macht. Die SVP macht den staatlichen „Reddito di Cittadinanza“ dafür verantworlich, dass in vielen Branchen schlichtweg die Arbeitskräfte fehlen. In einem Beschlussantrag forderten Helmut Tauber, Magdalena Amhof, Gert Lanz, Helmuth Renzler, Paula Bacher und Thomas Widmann Rom dazu auf, das 2019 eingeführte „Bürgereinkommen“ aufgrund seiner negativen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt einer tiefgreifenden Reform zu unterziehen, oder durch andere, für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt geeignetere Maßnahmen, wie beispielsweise den Ausbau der Möglichkeiten für Zusatzeinkommen und Arbeit auf Abruf, zu ersetzen.
In ganz Italien würden Fachkräfte fehlen, gleichzeitig sei die Arbeitslosenrate weiter hoch, argumentierteTauber. Aufgrund der Grundsicherung blieben viele Menschen, die früher als Saisonkräfte im ganzen Land unterwegs gewesen seien, lieber zu Hause. Diese Arbeitskräfte fehlten nun im Tourismus sowie in anderen Branchen. In Italien bezögen 2,6 Millionen das Bürgereinkommen. Die meisten davon seien Singles, die Scheidungsrate im Süden sei gestiegen. Unter den Beziehern sei 1 Million vermittelbar, aber nur 20 Prozent davon habe eine Arbeit angenommen.

Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia) fiel auf, dass der Antrag auch die Unterschrift der SVP-Arbeitnehmer trage, während in Italien die Linken dieses Bürgereinkommen verteidigten. Dieses habe den Arbeitsmarkt verzerrt und sei eine „Entlohnung für Faulpelze“ geworden. Man sollte das Geld den Unternehmen geben, damit sie Arbeitsplätze schaffen.
Maria Elisabeth Rieder (Team K) konterte: Von den 500 Euro an Bürgereinkommen könne man nur 100 Euro direkt ausgeben, mit dem Rest könne man nur einkaufen gehen. Der Fachkräftemangel im Tourismus sei bekannt, viele hätten Überstunden machen müssen, ohne dafür entlohnt zu werden.

Helmuth Renzler (SVP) betonte, dass die Arbeitnehmer nicht gegen den „Reddito di Cittadinanza” seien, er sei aber reformbedürftig. Er funktioniere vor allem im Süden nicht, weil es dort keine Arbeitsplätze gebe. Die einzige Möglichkeit für den Tourismus, zu mehr Arbeitskräften zu kommen, seien bessere Löhne.

Viele Gastbetriebe seien angewiesen auf Mitarbeiter von außen, und das sei ihnen nun zum Verhängnis geworden, meinte Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit). Das Land müsse sich fragen, ob es alles getan habe, um die jungen Südtiroler im Lande zu halten. Viele gingen Studieren und kämen nicht mehr zurück, an praktischen Berufen bestehe kaum mehr Interesse.

Laut dem Grünen Hanspeter Staffler zögen zwar manche das Bürgereinkommen einer Arbeit vor, es gebe aber auch viele andere, die darauf angewiesen seien. Man müsse viel mehr Faktoren berücksichtigen, um den Fachkräftemangel zu erklären.

Der PD-Politiker Sandro Repetto vermisste Daten im Antrag und lieferte sie nach: Laut INPS gibt es in Südtirol in diesem Jahr nur 307 Ansuchen für das Bürgereinkommen. Im Schnitt werden 415,12 Euro ausbezahlt. Südtirols Anteil am gesamtstaatlichen Bürgereinkommen liegt bei unter 0,1 Prozent. Das wahre Problem seien die hohen Lebenshaltungskosten in Südtirol, schlussfolgerte Repetto und machte ein Beispiel: „Busfahrer, die nach Südtirol kommen, verlassen das Land nach drei Monaten wieder, weil das Leben hier einfach zu teuer ist.“

LH Arno Kompatscher stellte klar, dass niemand Transferleistungen zugunsten von Arbeitslosen in Frage stelle; das Problem sei die Umsetzung. Das Bürgereinkommen werde nicht kontrolliert und die Verpflichtung, Arbeitsangebote anzunehmen, nicht durchgesetzt. Es gehe hier nicht um „Faulpelze”, sondern darum, dass der „Reddito di Cittadinanza” Arbeitslosigkeit verwalte, anstatt die Arbeitslosen zu einem Arbeitsplatz zu bringen.

Der SVP-Antrag wurde mit 17 Ja, sieben Nein und drei Enthaltungen angenommen.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (19)

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  • schwarzesschaf

    Das mit dem Lohn ist immer lösbar wenn dervarbeitsnehmer leistung bring nur die Arbeitsmoral ist dank Corona stark gesunken.

  • gorgo

    Ich finde es schon etwas krass, dass ausgerechnet Amhof und Renzler so einen Beschlussantrag unterzeichnen (auch wenn der in Rom nie gelesen wird). Echt jetzt?
    Wenn Menschen lieber mit ein paar hundert Euro auskommen, statt für ein paar Euro mehr hier im Tourismus fern der Familie lohnzusklaven, muss dieser die Arbeitsbedingungen und die Gehälter aufbessern.
    Wobei sich die Katze wieder in den Schwanz beißt, weil die Arbeitsbedingungen verbessern vor allem mehr Leute einstellen hieße.

  • chris75

    Echt toll, es wird um 307 Ansuchen diskutiert und als Faulpelze beschrieben, aber zur Abstimmung sind es nur 27 Landesabgeordnete…

  • pingoballino1955

    Das Problem liegt ganz wo anders: 5 Tagewoche,bessere Bezahlung und ordentliche menschliche Unterkunft,dann passt`s. Der Rest ist nutzloses bla bla bla!

  • rubhel

    Die Gastgewebe „Puggler“und Sklaven sein in Pension. Gebt in die Jungen guten Lohn, gerechte Arbeitszeiten, freie Tage und das Problem lösst sich. Wenn man immer mehr Angestellte braucht und nicht mehrere nachkommen wo soll man diese hernehmen. In den Konserven gibt es keine zu kaufen.

  • olle3xgscheid

    Gastgewerbe: ist der Ruf ruiniert……
    Dazu kommt, MEIN Sohn/Tochter soll es einmal besser haben, bin da mal neugierig wie 😉
    @petergasser, auch wahr.
    Allerdings wenn jeder Trottel in den Schulen durchgewunken wird.
    Bei den Berufsberatungen wurde schon vor 20 Jahren das Gastgewerbe NICHT empfohlen

  • enfo

    Vielleicht denkt sich die Jugend auch nur, dass man sich Zeit nicht kaufen kann, wobei sie auch recht haben. Was nützt es 6/7 Tage die Woche den ganzen Tag zu arbeiten und nicht mal Zeit zu haben das Geld auszugeben

  • sougeatsnet

    Das Problem ist wohl eher, dass gerade bei einfachen Arbeitsplatzen modernes Sklaventum vorherrscht. Im benachtbarten Ausland bekommt man dafür erheblich mehr mit allen Zusätzen. Mittlerweile sind die Löhne auch in der besseren Arbeitsverhältnissen nicht mehr konkurenzfähig und unsere gut ausgebildeten Studenten bleiben im Ausland, weil sie dort erheblich mehr verdienen. Die Lebenshaltungskosten sind bei uns wegen des Tourismus sehr hoch. Ein gewisser Arnold Sorg glaubt auf Stol.it, dass unsere Politiker schlecht bezahlt wären.Ich denke dafür muss man einen gewissen Idealismus aufbringen. Dieser fehlt, wenn jemand nur besser verdienen will, dann ist er in der Politik wohl eher fehl am Platz.

  • dn

    Der Fachkräftemangel ist Zeichen eines schlechten Managements. Wer attraktive Arbeitsplätze anbietet, wird auch Mitarbeiter finden. Wenn der Chef mit dem Ferrari vorfährt und der Angestellte sich um einen gebrauchten Panda bemühen muss, dann soll dieser Chef ohne Angestellten bleiben.

  • na12

    In der Kita kein Personal, wenige Plätze. Schuften für die Kinder anderer für 1000€ maximal. Frauenjobs.
    Im Kiga braucht es ein Unistudium und es gibt ein Gehalt, welches für Unstudierte schon vor 30 Jahren gab. Von Früh bis spät im Dienst anderer. Grundschule ebenso. 5 Jahre Uni. 1800€ Netto. Frauenjobs.
    Mittelschule, Oberschule: 2 Studientitel, 5-6 Jahre Unistudium, Lehrbefähigungslehrgong und Uni weitere 2 Jahre mit Abschlussarbeit und vielen Prüfungen, danach noch 1 Jahr Probezeit mit Fortbildungen und wieder Prüfung, schriftliche Arbeit und ständige Kontrolle durch oberste Instanzen. Gehalt 1800 Netto. Lächerlich!! Gehälter weit unter dem EU Schnitt und ein Skandal bei diesem Studienaufwand!
    Wen findet man also noch in der Schule? Einzelne Idealisten und viele Leute ohne Ausbildung, die über Direktberufung eingestellt werden. Diese bilden dann leider auch unsere Kinder aus. Diese ruinieren den Ruf ausgebildeter Pädagogen.
    Hotellerie: unbezahlte Überstunden, ungerechte Entlohnung, kein Wochenende, Kajüten als Unterkunft, Hundefutter als Kost für Arbeiter, Versklavung und die Betriebe leben im Luxus.
    Handel? Versklavung, Kurzverträge, miese Bezahlung.
    Bezahlt die Leute ordentlich! Hört auf zu sagen, die Leute seien faul. Bei euch ist was faul! Kapitalisten und Sklaventreiber.
    Reduzieren wir das Gehalt dieser Politiker. Drastisch!! Wählen wir humane Parteien und humane Arbeitgeber.

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