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„Gibt viel zu tun“

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Viele ukrainische Flüchtlinge in Südtirol haben nach wie vor Schwierigkeiten bei der Suche nach Arbeit, Wohnung oder Kinderbetreuungsplätze. Der 20-jährige Taras Arefiev erklärt, woran es den Flüchtlingen fehlt.

Seit Beginn des Krieges in der Ukraine setzt sich der 20-jährige Taras Arefiev für ukrainische Flüchtlinge ein. Er kommt selbst aus der Ukraine und lebt seit einigen Jahren mit seiner Tante in Bruneck, wo er die Hotelfachschule besucht.

Insbesondere in den ersten Wochen hat er sich darum gekümmert, dass die Flüchtlinge wichtige Informationen bekommen haben und hat als Dolmetscher studiert. Doch auch darüber hinaus hatte er Kontakt zu diversen Flüchtlingen.

Der TAGESZEITUNG hat er nun erklärt, mit welchen Problemen diese in Südtirol zu kämpfen haben.

Tageszeitung: Herr Arefiev, haben Sie noch Kontakt mit ukrainischen Flüchtlingen in Südtirol?

Taras Arefiev: Ja, allerdings bin ich nur mehr mit wenigen im regelmäßigen Austausch. Die meisten höre ich nur ein Mal pro Monat, einige aber wie gesagt auch öfters.

Ist das ein gutes Zeichen? Heißt das, dass sich die meisten bereits integriert haben?

So pauschal würde ich das nicht sagen. Es gibt einige, die bereits Arbeit gefunden haben, meistens sind es aber nur jene, die bereits davor deutsch, italienisch oder englisch gesprochen haben. Vielen ist es aber selbstverständlich nicht gelungen, die Sprache ausreichend zu lernen. Sie haben zwar versucht Arbeit zu finden, haben mir dann aber berichtet, dass sie bereits nach wenigen Probetagen aufgrund der wenigen Sprachkenntnisse entlassen wurden. Man muss also festhalten, dass die Sprache leider für viele noch eine Barriere darstellt.

Warum fällt es einigen Flüchtlingen so schwer, die Sprache zu lernen?

Einige sind einfach zu alt. Es fällt dann schwerer, die Sprache kennenzulernen. Es ist weit weniger einfach als man denkt. Die meisten können mittlerweile zwar Grundbegriffe, für viele reicht es aber doch nicht, um einer gut bezahlten Arbeit nachzugehen. Anfangs wurden zwar im ganzen Land Sprachkurse angeboten, ob das jetzt aber nach wie vor so ist, weiß ich nicht, häufig waren das nämlich private Initiativen. Offizielle Deutschkurse für Flüchtlinge haben wir jedenfalls in den letzten Wochen nicht gefunden. Man müsste viel mehr Angebote schaffen und vor allem klar kommunizieren, dass es diese gibt. Vor allem im Sommer wäre das wichtig, damit die Fluchtlinge im Herbst wieder voll arbeiten können. Ich bin mir sicher, dass viele gerne die Sprache lernen würden, es aber einfach nicht können, weil sie nicht wissen, wo die Kurse angeboten werden.

Viele der Flüchtlinge sind privat untergebracht. Der Staat hat diesen Flüchtlingen eine finanzielle Hilfe versprochen, die aber bisher nicht ausgezahlt wurde. Wie geht es diesen Personen finanziell gesehen?

Die finanzielle Situation ist mir nur bei wenigen bekannt, ich weiß aber, dass jene, die im Moment in Privatstrukturen untergebracht sind, wenig Probleme mit der finanziellen Situation haben. Das kann sich aber schnell ändern. Viele müssen in den kommenden Wochen eine neue Unterkunft finden, weil der Eigentümer die Struktur anderweitig nutzen möchte. So ist das beispielsweise im Hotel Mondschein, wo viele Flüchtlinge untergebracht sind. Dort sollten die Flüchtlinge eigentlich nur bis September bleiben, sie müssen sich nun also nach einer neuen Struktur umsehen. Wenn sie jetzt plötzlich eine Miete in Höhe von 1.000 Euro bezahlen müssen, ist das sehr viel für sie.

Müsste also das Land mehr Strukturen zur Verfügung stellen?

Ja, das wäre sehr wichtig. Jene Ukrainer, die in großen Strukturen untergebracht sind, wollen nach Möglichkeit jetzt auch zusammenbleiben, viele haben nämlich ihre Kinder mitgenommen. Sie haben sich selbst so organsiert, dass eine erwachsene Person zu Hause bleibt und die Kinder betreut, während der Rest arbeiten geht. Wenn sich die Familien nun aufteilen, müssen viele plötzlich zu Hause bleiben, um die Kinder zu betreuen, sie verdienen also weniger Geld und kommen nur mehr schwer über die Runden.  Es bräuchte also auf jeden Fall größere Unterkünfte, die längerfristig zur Verfügung gestellt werden. In Bruneck würde sich konkret das Waldheim anbieten. Ich weiß aber leider nicht, ob daran gearbeitet wird beziehungsweise, wie weit die Vorbereitungen schon sind.

Sie haben über die Kinderbetreuung gesprochen: Wie weit ist die Integration der Kinder fortgeschritten?

Die Kinderbetreuung ist leider ebenso ein Problem. Ich weiß beispielsweise von einer Frau, die ihrem Kind hier lebt. Leider hat das Kind keinen Platz im Kindergarten bekommen, weil es dafür noch zu jung ist. Einen Platz in der Kindertagesstätte zu finden, fällt ihr noch schwerer. Sie muss also daheimbleiben, weshalb ihr nun das Geld fehlt. Es wäre wichtig, den Flüchtlingen eine Kinderbetreuung zur Verfügung zu stellen, damit sie dann auch arbeiten gehen können. Kurzfristig einen solchen Platz zu finden, ist schwierig.

Immer wieder hört man, dass viele Flüchtlinge bereits in die Ukraine zurückgekehrt sind. Können Sie das bestätigen? Was sind die Gründe dafür?

Ich selbst weiß von einer Handvoll Personen, die bereist zurückgekehrt sind. Ein junger Mann wollte beispielsweise unbedingt die Matrosenschule in der Ukraine machen und musste dazu seinen Abschluss vor Ort nachholen. Eine größere Gruppe von ungefähr 30 Personen hat Südtirol verlassen, weil sie gemeinsam untergebracht werden wollten und es keine geeignete Unterkunft für sie gab. Andere wollten einfach nur zurück zur Familie. Viele haben Heimweh und haben darüber nachgedacht, zurückzukehren, letztendlich war die Lage für sie aber zu unsicher. Meistens hängt eine Rückkehr also einfach nur mit Heimweh zusammen.

Die Lage für die Flüchtlinge ist also alles andere als leicht?

Ja, genau. Wobei ich der Meinung bin, dass das Wohnungsproblem am größten ist. Gerade Ferienwohnungen sollen jetzt im Sommer wieder von Gästen genutzt werden, weshalb sie die Wohnungen verlassen müssen. Früher oder später wird das auch mit den anderen Privatstrukturen geschehen. Hier muss man also schnell eingreifen und helfen.

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