Abgebrochene Jurten
Zu Ostern wurden die Jurten zwischen Lajen und Albions abgebrochen. Durch sie hat die Eisacktaler Gemeinde einen unliebsamen Bekanntheitsgrad erlangt: Die Betreuungsstätte für rund 15 Kinder hat in nationalen und internationalen Medien für Negativschlagzeilen gesorgt.
von Erna Egger
Für den Bürgermeister von Lajen und für die Gemeindeverwaltung hat sich das Thema – sofern sich nicht neue Entwicklungen ergeben – erledigt: „Die Jurten wurden zu Ostern abgebaut und entfernt“, sagt Stefan Leiter erleichtert.
Er kann nun unter diesem Kapitel einen Schlussstrich ziehen, zumal diese Betreuungsstätte für rund 15 Kinder des unteren Eisacktales auch bei ihm große Sorge auslöste.
Zur Erinnerung: Im Oktober vergangenen Jahres hatte der Verein Beyond Horizon mitten im Wald, auf einer Wiese zwischen Lajen und Albions, drei Jurten aufgestellt. Eltern hatten zuvor ihre Kinder aus den Schulen und Kindergärten genommen, um sie selbst zu unterrichten.
Monatelang haben sich die Kinder auf der Wiese und in den Jurten getroffen, um das alternative Betreuungsmodell in Anspruch zu nehmen.
Nationale und internationale Medien wurden vor Ort vorstellig, mehrere Fernsehanstalten tauchten auf. In den Negativschlagzeilen war von einer „Zwergschule“ die Rede, in der in Pandemiezeiten die Zöglinge von Impfgegnern und Systemverweigerern unterrichtet werden.
Dieses Bild wurde schließlich noch von einer, in den sozialen Netzwerken in Umlauf gebrachten Videoaufnahme vor Ort befeuert: Die Aussagen des Protagonisten schockierten, zumal dieser die ordentlichen Schuleinrichtungen als Konzentrationslager und die Lehrkräfte als Aufseher internierter Kinder bezeichnete.
Beim Protagonisten handelte es sich um Benjamin Lechner, Gründer von Ilumina Circle. Ilumina Circle ist laut eigenen Angaben eine „Plattform für Visionäre und Querdenker“. Die Vision ist ein weltweites Netzwerk für native Lebensweisen und Projekte vom Förderverband Kreis Menschsein, eine Vereinigung, in der sich Aussteiger und Staatsverweigerer beheimatet fühlen. Gerade in Coronazeiten erfuhren solche Netzwerke vermehrt Zulauf.
Entwicklungen, mit denen der Verein Beyond Horizon nicht gerechnet hatte. Dieser bemühte sich in Folge, das Betreuungsangebot ins rechte Licht zu rücken: Die Verantwortlichen sprachen von einer „Hexenjagd“. Die Jurte-Einrichtungen seien keine Schule, der Verein würde nur ein alternatives Freizeitangebot organisieren. Und: Mit dem Verfasser des Videos habe der Verein nichts zu tun, man sei missbraucht worden und erwäge rechtliche Schritte.
Trotzdem: Die Vorkommnisse auf dem Areal sorgten auf Gemeindeebene und weit darüber hinaus für großes Aufsehen und Besorgnis.
Die Gemeindeverwaltung wurde an mehreren Fronten tätig: Die Polizei- und Gerichtsbehörden sowie das Arbeitsinspektorat wurden involviert. Zwischen Gemeinde, den Schullandesräten Philipp Achammer und Giuliano Vettorato, dem Quästor, dem Regierungskommissär, der Schuldirektorin und Vertretern vom Hygieneamt fanden Aussprachen statt.
Schließlich wurden die Gemeindeverwalter noch in baurechtlicher Hinsicht tätig: Der Gemeindetechniker stellte im Oktober fest, dass diese Jurten widerrechtlich aufgestellt worden waren. Der Grundeigentümer wurde aufgefordert, die Zelte zu entfernen. Da dieser der Anweisung nicht innerhalb der vorgesehenen Frist von 90 Tagen Folge leistete, hat Bürgermeister Stefan Leiter im Dezember die definitive Abbruchverfügung ausgestellt, welche – wie vorgesehen – auch an die Carabinieri und somit an die Gerichtspolizei übermittelt wurde. Es ist also davon auszugehen, dass bei der Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen eines Bauvergehens behängt.
„Zu Ostern wurden die Jurten auf der Wiese zwischen Lajen und Albions schließlich entfernt. Für uns als Gemeinde ist somit die Angelegenheit abgeschlossen“, so Leiter. „Sofern sich nichts Weiteres ergibt, werden wir keine weiteren Schritte einleiten.“
Und wo werden die rund 15 Kinder nun betreut? „Das entzieht sich meiner Kenntnis“, so der Bürgermeister.
Übrigens: Eine weitere Jurte war in der Nähe des Sportplatzes errichtet worden, eine Einrichtung des Vereins Ameisenstraße, der Kinder im Waldkindergarten betreut. „Auch diese Jurte wurde entfernt“, so Leiter. „Hierzu wurde das Verfahren bereits archiviert.“
LESEN SIE AM SONNTAG AUF TAGESZEITUNG-ONLINE, WAS DER VEREIN ÜBER DEN ABBRUCH DER JURTEN SAGT.
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Kommentare (6)
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annalyse
Zu Ostern hoben sie die Jurten abgebrochen u jetz isch Pfingsten. Bravo Tageszeitung. Bravo Erna. Und wen interessierts…?
yannis
>>>>hat in nationalen und internationalen Medien für Negativschlagzeilen gesorgt.<<<<
Negativschlagzeilen ? für was, was im Grunde niemanden interessiert, ausser dass es von gewissen Medien, quasi als Blatt-Webseiten Füller hoch gebauscht wurde.
schwarzesschaf
Ja unsere Südtiroler werden imer primitiver
artimar
Ich verstehe die Vorbehalte, insbesondere gegenüber allzu ideologische Engführungen. Dennoch darf/kann man deshalb ja nicht gleich ins andere Extrem verfallen. Denn das Ausprobieren neuer Lebensformen … stellt schließlich einen besonderen Wert für die notwendige Weiterentwicklung unserer Gesellschaft dar. Dazu braucht es vor allem Freiräume und nicht Hemmnisse, Schickanen.
reality
Etwas zum Nachdenken…“Die Leere der Seele“…
Und sie schufen die Schule, wie der Teufel es befahl.
Das Kind liebte die Natur, also sperrten sie es in vier Wände ein.
Es kann nicht stundenlang sitzen, ohne sich zu bewegen, also haben sie seine Bewegungsfreiheit eingeschränkt.
Es arbeitet gerne mit seinen Händen, und sie begannen, ihm Informationen und Theorien zu geben.
Es redet gern und ehrlich – man hat ihm beigebracht zu schweigen.
Es strebt danach, zu verstehen – man hat ihm beigebracht, auswendig zu lernen.
Es möchte sein eigenes Wissen (über die Seele) erforschen und nutzen – aber sie haben alles in fertiger Form auf Dutzenden von grauen Arbeitsblättern gebracht.
Bei all dem haben die Kinder etwas gelernt, was sie in anderen Kreisen nie gelernt hätten: Sie haben gelernt, nichts in Frage zu stellen und sich anzupassen.
pantone
Es gibt in Südtirol bereits alternative Schulformen, sie gründen auf Überlegungen von Wissenschaftlern und sind anerkannt. z.B. die Waldorf und Montessori. Warum also was Neues erfinden?
Zudem, in jedem Land wurden Schulen eingeführt, die Wissen vermittelt haben. Denken wir an die Kaiserin Maria Theresia die 1774 in Österreich die Grundschule eingeführt hat. Ein wahrlich bedeutender Schritt.
Hingegen kann ich in Ihren obigen Aufzählungen nichts erkennen, was für die Kinder im Leben besonders nützlich sein könnte. Außer Unwissenheit. Wenn schon ermöglicht eine fundierte Bildung und umfangreiches Wissen sich eine eigene Meinung zu bilden.