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Koalition der Willigen

Landtag tourt für Direkte Demokratie durch Südtirol (Archivbild)

Nach dem klaren Nein-Sieg sucht LH Arno Kompatscher im Landtag nach Verbündeten, um dem bestätigenden Referendum die Flügel zu stutzen. Grüne und Team K zeigen sich gesprächsbereit.

von Matthias Kofler

Für die SVP ist das bestätigende Referendum der Pferdefuß im Gesetz zur Direkten Demokratie. Bei der bestätigenden Volksabstimmung wird das Volk gefragt, ob ein vom Landtag erlassenes Gesetz in Kraft treten soll oder nicht. Davon ausgenommen sind Gesetze, die mit Zweidrittelmehrheit genehmigt worden sind. 300 BürgerInnen haben binnen 20 Tagen nach Verabschiedung des Gesetzes Zeit, 300 Unterschriften zu sammeln, um das Gesetz auszusetzen. Werden in der Folge 13.000 Unterschriften gesammelt, wird eine Volksabstimmung abgehalten.

Nur wenn sich eine Mehrheit der BürgerInnen in dieser Volksabstimmung für das Gesetz ausspricht, tritt dieses in Kraft. Ansonsten landet es im Papierkorb. In der Brennerstraße befürchtet man, dass dieses Mitbestimmungsinstrument, das man 2018 mit den eigenen Stimmen eingeführt hat, die Handlungsfähigkeit der Politik gefährden könnte. Allerdings ist der Versuch, das bestätigende Referendum über eine Gesetzesänderung abzuschaffen, am Sonntag krachend gescheitert. Nun sucht Landeshauptmann Arno Kompatscher im Landtag nach Verbündeten, um dem bestätigenden Referendum die Flügel zu stutzen.

„Wir sind für eine Direkte Demokratie als Korrektiv und Ergänzung zu den Entscheidungen der gewählten Gremien, nicht aber als Ersatz“, erklärt SVP-Obmann Philipp Achammer. Es sei „nicht verhältnismäßig“, wenn 300 BürgerInnen Gesetze über Monate blockieren könnten. Daher werde man sich nun mit den weiteren Parteien im Landtag austauschen, um eine konsensfähige Lösung zu finden. Technische Korrekturen am aktuellen Gesetz zur Direkten Demokratie seien auf jeden Fall notwendig, weil sonst einige Punkte nicht anwendbar wären, zum Beispiel die Bürgerräte. Genauso werde man sondieren, ob Korrekturen beim bestätigenden Referendum möglich sind.

Die Hoffnung, dass sich Teile der Opposition auf die Seite der Mehrheit schlagen könnten, hält sich in den Reihen der SVP jedoch in Grenzen. „Durch das klare Ergebnis am Sonntag dürfte deren Bereitschaft, am bestätigenden Referendum noch einmal Hand anzulegen, eher abgenommen haben“, prognostiziert ein Spitzenfunktionär.

Die ersten Signale, die aus dem Landtag kommen, geben Kompatscher und Co. Anlass für vorsichtigen Optimismus. „Wir sind immer dialogbereit, wenn es um Sacharbeit geht“, unterstreicht Alex Ploner. Der Team-K-Politiker erinnert an die Gesprächsbereitschaft seiner Fraktion, als vor zwei Jahren die Reform der Direkten Demokratie im zuständigen Gesetzgebungsausschuss behandelt wurde. Der in der Zwischenzeit zurück-getretene SVP-Fraktionssprecher Gert Lanz schlug damals vor, die Unterschriftenhürde von 300 auf 600 zu erhöhen oder, alternativ dazu, die für die Sammlung der 300 Unterschriften vorgesehene Zeit zu verkürzen. Vom Team K kam damals kein kategorisches Nein zum Lanz-Vorschlag. Umso überraschender war daher auch der Kurswechsel der SVP, die die Änderungen schließlich im Alleingang durchboxte. „Wir schauen uns nun an, welche Vorschläge von der Mehrheit kommen und bewerten dann, was machbar ist“, sagt Ploner. Allerdings gebe es im Moment wohl wichtigere Gesetze, die man angehen müsse.

Auch die Grünen schlagen den SVP-Exponenten, die bei ihnen vorbeischauen wollen, nicht die Tür vor der Nase zu. Fraktionssprecherin Brigitte Foppa schickt voraus, dass das „Gesamtpaket Demokratie“ in der Diskussion vor dem Referendum viel zu kurz gekommen sei. „Da drehte sich alles um die bestätigende Volksabstimmung und um die plötzlich neu entdeckte Angst vor den ,berüchtigten Dreihundert‘, die nun die Gesetzgebung lahmlegen werden. Einen Passus, den es seit vier Jahren gibt und der bisher niemandem schlaflose Nächte beschert hatte“, sagt Foppa. Im Landtag liegt bereits ein Gesetzentwurf der Grünen auf, mit dem die technischen Mängel am aktuellen Gesetz zur Direkten Demokratie behoben werden können. Auch eine Anpassung des Artikels zur bestätigenden Volksabstimmung ist für die Grünen, die ab 2023 selbst Regierungsverantwortung übernehmen wollen und daher an einer intakten Legislative interessiert sind, denkbar. „Jetzt ist der Moment gekommen, um zu verhandeln“, ist die Fraktionssprecherin, die sich selbst als „Pragmatikerin“ bezeichnet, überzeugt. Man wolle ein funktionstüchtiges Bestehen der Direkten Demokratie und eine Demokratie, die immer weiterentwickelt werde. Das „Hauruckverfahren“, mit dem die Mehrheit ihren Willen durchsetzen wollte, sei der falsche Weg, so Foppa.

Ein Jein kommt indes von den Freiheitlichen. „Wenn wir mit der SVP reden, dann nur über technische Anpassungen, nicht aber über Anpassungen inhaltlicher Natur“, betont Obmann Andreas Leiter Reber. Die BürgerInnen hätten ihren Willen am Sonntag „eindeutig kundgetan“. „Die Mehrheit täte gut daran, ihre Gesetze ordentlich auszuarbeiten, anstatt regelmäßig am offenen Herzen zu operieren und weiterzuschlampen“, giftet der Freiheitliche. Das bestätigende Referendum könne dazu beitragen, die Qualität der Landesgesetze zu steigern und „versteckte Schweinereien in den Omnibusgesetzen“ oder „Raumordnungsgesetze, die alle halbe Jahre überarbeitet werden müssen“, zu verhindern. Man könne den BürgerInnen jedoch nicht präventiv unterstellen, dass sie dieses Instrument missbrauchen könnte. Für Gesetze, die dringend in Kraft treten müssen und wichtig für Südtirol sind, werde die Mehrheit auch Verbündete in den Reihen der Opposition finden. „Von links bis rechts gibt es genügend vernünftige Kräfte im Landtag“, ist Leiter Reber überzeugt.

Sollte die SVP mit ihrem Versuch, eine Zwei-Drittel-Mehrheit für eine neuerliche Gesetzesänderung zu finden, scheitern, wollen Achammer und Co. Plan B aus der Tasche ziehen und auf den Präzedenzfall warten, wenn das bestätigende Referendum zum ersten Mal zur Anwendung kommt. „Entweder wird das bestätigende Referendum vom Verfassungsgericht gekippt, weil es nicht vom Autonomiestatut vorgesehen ist. Oder aber es kippt die Stimmung in der Bevölkerung, sobald eine kleine Minderheit ein wichtiges Gesetz blockiert“, heißt es aus der Brennerstraße.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (16)

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  • sougeatsnet

    Hier erkennt man das mangelnde Demokratieverständnis unserer Politiker. Mir ist dies schon vor einigen Jahren aufgefallen, während man in der Schweiz darüber diskutierte, wie man den Willen des Volkes umsetzen konnte, sinnierten unsere Politiker, was sie falsch gemacht haben, bzw was sie ändern müssten, damit das Volk so abstimmt, wie sie sich dies wünschen.
    Jetzt sucht man nach fadenscheinigen Gründen, das Gesetz nach ihren Vorstellungen abändern zu müssen. Letztlich haben dieses Gesetz ja diese Politiker selbst gemacht und sie wurden dafür fürstlich bezahlt. Unsere repräsentative Demokratie zeigt da ihre Schwachpunkte, indem unsere überbezahlten Politiker nicht das machen, was sie tun sollten, nämlich gute Gesetze und Regeln erlassen. Ich denke man sollte das Gesetz einfach einmal anwenden so wie es ist und in etlichen Jahren kann man dann Verbesserungen angehen, sollten sie notwendig sein. Zudem könnten man mit Online-Referenden das Prozedere vereinfachen und die Kosten erheblich senken.

    • besserwisser

      @sougeatsnet: evidenterweise geht es hier für viele diskussionsteilnehmer ums prinzip und nicht um den inhalt.
      wenn demokratische instrumente zur obstruktion benutzt werden können dann ist das nicht gut, und das gibt es in der schweiz eben nicht.

      • sougeatsnet

        Diese befürchtete Obstruktion wurde in den letzten 4 Jahren nicht eingesetzt, so einfach ist deren Anwendung dann doch nicht. Man hat halt nicht gerne, wenn das Volk mehr zu sagen hat als ein Politiker. Ich denke daran muss man sich erst noch gewöhnen, und die Lobbyisten haben da ein Problem, da sie dann das Volk manipuliern müssen und da ist der Aufwand sehr groß und sehr teuer. In der Schweiz gibt es bereits viele Jahrhunderte Volksbefragungen, daher ist dort bzw war dort immer das Volk der Soverän, Politiker haben weniger Macht.

  • bernhart

    SVP ist mit dem Wahlergebnis unzufrieden das sollte sie zu denken geben, jetzt versucht sie wieder zu würschteln so wie immer, sie werden die Entscheidung der Bevölkerung nicht zur Kenntnis nehmen .
    Direkte Demokratie wird zur Direkten Diktatur.
    SVP nur zum schämen.

  • robby

    Unser selbstverliebter LH zeigt zunehmend diktatorische Charakterzüge. Nimmt er bei Putin Nachhilfestunden?

  • gulli

    Das Gesetz gibt es seit 2018 und machte bis heute keine Probleme.
    Weshalb jetzt diese große Aufregung???

    • pingoballino1955

      gulli,da geht es um mehr,um zukünftige massive Stimmenverluste der SVP bei den nächsten Landtagswahlen im 2023. Jetzt versuchen sie zu korrigieren,zu spät,hätten sie sich früher überlegen müssen.Das Volk ist nicht mehr so blöd,wie es die SVP einschätzt und eingeschätzt hat,dies hat man bei diesem Referendum festgestellt!

  • tirolersepp

    Lauter junge Gitschen auf dem Foto – Kompliment !!!

  • 2xnachgedacht

    selber nit imstond an nogl in a brett inni zu schlogn, obr selbes in dr mehrheit beibringen welln… (de woses kennen!!!!)

  • dn

    Bürgerbetieligung ist wichtig. SVP könnte ja bei der SVP abschauen, was in der Schweiz gut geht. Besser etwas Gutes nachmachen als etwas Schlechtes selber erfinden.

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