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„Schlag ins Wasser“

Wie sich die SVP-Spitze die Klatsche beim Referendum schönredet – und das Ergebnis großspurig zu einem „Scheinsieg” der Opposition erklärt.

Von Matthias Kofler

In der SVP-Zentrale herrschte gestern Katerstimmung: 76 Prozent der SüdtirolerInnen hatten bei der Volksabstimmung am Sonntag gegen das von den Mehrheitsparteien im Landtag verabschiedete Gesetz zur Direkten Demokratie gestimmt. Da kein Quorum vorgesehen ist, ist das Ergebnis bindend. Das heißt: Die 2021 beschlossenen Änderungen an den Mitbestimmungsrechten treten nicht in Kraft.

Schon vor acht Jahren hatte die SVP der Bevölkerung „ihr“ Gesetz zur Direkten Demokratie zur Abstimmung vorgelegt. Auch damals hatte sich das Nein mit deutlichem Vorsprung durchgesetzt, und zwar mit 65 Prozent. Deshalb gingen die Verantwortungsträger am Wochenende mit einem mulmigen Gefühl ins Referendum. „Ich habe sogar mit einem Ergebnis von 80 zu 20 Prozent für das Nein gerechnet“, gibt ein Spitzenfunktionär unumwunden zu. „Wir haben eh keine Chance“, verlautete aus dem Büro des Landeshauptmanns. Die Gründe für die Ja-Schlappe sind vielschichtig. Es sei kaum möglich gewesen, die eigenen Anhänger für die Direkte Demokratie zu motivieren, erklärt ein hochrangiges Mitglied der SVP-Fraktion. Viele derer, die mit der Regierungsarbeit im Großen und Ganzen zufrieden sind, seien nicht zu den Urnen geschritten. In der Tat lag die Wahlbeteiligung am Wochenende bei mageren 22 Prozent. Vor acht Jahren betrug sie noch 26 Prozent.

Davon, dass die große Wahlabstinenz und der haushohe Sieg für das Nein auch ein Denkzettel für den Landeshauptmann und die eigene Partei sein könnte, will man in der Brennerstraße partout nichts wissen. Im Gegenteil: Die Spitzenfunktionäre spielen den Schwarzen Peter der Opposition zu, die „mit inhaltlich falschen Argumenten und Überspitzungen die WählerInnen getäuscht“ habe. „Die Opposition, die aktuell nicht gerade ihre besten Zeiten durchlebt, will sich mit diesem Scheinsieg etwas erholen“, heißt es aus dem Umfeld von Parteiobmann Philipp Achammer. Der Wahlausgang sei im Grunde genommen ein „Schlag ins Wasser“; verloren habe die Politik insgesamt.

Tatsache ist: Die SVP ist mit der Entscheidung, die Bevölkerung über „ihr” Gesetz abstimmen zu lassen, ins offene Messer gelaufen. Statt die Opposition bei der Reform der Mitbestimmungsrechte mit ins Boot zu holen, wollte man das bestätigende Referendum mit der Brechtstange aus dem Weg räumen. Dabei war es die SVP selbst, die dieses Mitbestimmungsinstrument im Jahr 2018 – nach monatelangen Informationsveranstaltungen und Bürgerabenden – als große Neuerung eingeführt hatte. Eine Entscheidung, die bei vielen im Nachhinein für Kopfschütteln sorgt. „Jetzt habe ich so einen harten Kampf gegen die Obstruktion gemacht und sie abgeschafft. Und die führen eine legale Obstruktion freiwillig wieder ein“, meint Julia Unterberger. Dass es für normale Gesetze ein bestätigendes Referendum braucht, gibt es laut der SVP-Senatorin normalerweise nur bei Verfassungsgesetzen – „und sonst nirgends”.

Ein strategischer Fehlgriff war freilich auch die Entscheidung, mit Sepp Noggler und Magdalena Amhof ausgerechnet jene zwei Exponenten die Ja-Kampagne leiten zu lassen, unter deren Federführung das bestätigende Referendum 2018 eingeführt worden war.

Das Ergebnis sei nun in jedem Fall zu akzeptieren, betont Parteichef Achammer, wenngleich man bereits ein Manöver gestartet hat, um dem bestätigenden Referendum ein wenig die Flügel zu stutzen (siehe nebenstehenden Artikel). Das Kalkül: Eine neuerliche Volksabstimmung zur Direkten Demokratie soll tunlichst vermieden werden. „Die niedrige Wahlbeteiligung bringt auch zum Ausdruck, dass es für viele in diesen Zeiten wichtigere Themen gibt“, betont Achammer. Man habe zum wiederholten Male die WählerInnen zur Direkten Demokratie zu den Urnen gerufen, obwohl viele deren überdrüssig gewesen seien. „Zu mir haben viele gesagt: ,Löst das Thema als Politik doch endlich mit breiter Mehrheit selber.’ Daher haben wir als Partei entschieden, nur eine Empfehlung abzugeben, aber nicht mehr zu werben. Jede/r sollte sich selber eine Meinung bilden“, sagt Achammer. Auch so kann man sich die Niederlage ein klein wenig schönreden.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (24)

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  • steve

    Letzhin konnte man gut beobachten, wie unsere Landtagsabgeordneten allehüpfen, wenn das Medienhaus ruft.
    Das hat mich zu einem Nein bewegt.
    So kann das Volk den Hampelmännern doch etwas entgegenhalten.
    Deeg hat sogar bei einem ihrer letzten Interviews die Biografie Toni Ebners hinter sich positioniert. Zustände fast wie in Russland.

    Das Quorum gehört generell abgeschafft, wer sich interessiert und hingeht, entscheidet. Egal ob das jezt fünf oder zehn Prozent sind.

    Die Ebnerbrüder entscheiden nur zu zweit!

    • heracleummantegazziani

      Ich würde die Abschaffung des Quorums nicht so kategorisch sehen. Wenn nämlich wenige Tausende Bürger eine Entscheidung herbeiführen können, ist das Fehlen eines Quorums gefährlich. Wenn ein Thema wirklich interessiert wird auch das Quorum erreicht. Wenn nicht kann man eher davon ausgehen, dass tatsächlich die Mehrheit entschieden hat.

    • besserwisser

      das ergebnis sei zu akzeptieren: ich finde das schon sehr großzügig und demokratisch vom parteiobmann. das muss man mal anerkennen (einfach zu sagen ja, wir haben verloren geht ja nicht :-)…)
      aber „Die Opposition, die aktuell nicht gerade ihre besten Zeiten durchlebt, will sich mit diesem Scheinsieg etwas erholen“ ist schon ein bissl übermütig. man könnte in diesem falle auch getrost emfpehlen mal den eigenen laden aufzuräumen … (angekündigt hat er es ja schon vielfach ….. )

    • meraner

      @steve, gratuliere, alles falsch gemacht. Denn in der direkten Demokratie verschiebt sich die Macht von der Politik zu den Medien. Oder wer glaubst du macht die Stimmung? Oder hat das Medienhaus stark für das Ja geworben? Wieso etwa nicht?

      • steve

        @meraner ja sicher wird die Bevölkerung von den Medien auch mit beeinflusst, aber der Unterschied ist, dass die Bevölkerung bei Abstimmung gegen das Medienhaus nicht abgestraft werden kann.

        Bei Politikern ist das nicht so: Politiker werden dann kritisiert oder nicht mehr erwähnt. Deswegen kriechen sie alle! Die Bevölkerung hat dieses Problem nicht.

  • feigenblatt

    Bin voll und ganz deiner Meinung .
    Das Quorum ist sicher mit ein Hauptgrund führ niedere Wahlbeteiligungen.

  • sigo70

    „Viele derer, die mit der Regierungsarbeit im Großen und Ganzen zufrieden sind, seien nicht zu den Urnen geschritten.“ in welcher Scheinwelt leben die bzw. wie arrogant muss man sein um so zu argumentieren? Nach dem Motto: wir machen keine Werbung, hoffen auf geringe Wahlbeteiligung und sagen danach, alle die nicht hingegangen sind, sind mit der Politik voll zufrieden. Eigenartiges Demokratieverständnis.

  • criticus

    Fehlgriffe hat diese Partei seit Jahren am laufenden Band!

  • heracleummantegazziani

    Der Autor des Artikels ist über die Entstehung des Referendums wohl nicht gut informiert wenn er schreibt „Die SVP ist mit der Entscheidung, die Bevölkerung über „ihr” Gesetz abstimmen zu lassen, ins offene Messer gelaufen“
    Die Volksbefragung wurde von der Initiative für mehr Demokratie initiiert, wegen eines Formfehlers nicht zugelassen und dann von der Opposition im Landtag „gerettet“ (weil auch wenigstens 7 Landatgsabgeordnete ein Referendum initieeren können).

  • pingoballino1955

    Phillp,das war wohl ein „Schlag ins Wasser“ für die SVP!!! Billig,billig, eure Gegenargumente,wie immer zum schämen,eure Verdrehungstaktiken!!!

  • george

    Das Referendum ist eigentlich durch die Initiative für Direkte Demokratie geleitet worden. Nur hat die politsche Mehrheit, sprich SVP, Lega u. co. die dafür installierte Überprüfungskommission fehlgeleitet und die weit mehr als 13 000 Unterschriften nicht anerkannt. Die politische Minderheit ist somit der Initiative zu Hilfe gekommen und hat mit mindestens 7 Abgeordneten in legaler Weise die Handbremese gezogen und die SVP musste sich eingestehen, wieder einmal nur eigenmächtig gehandelt zu haben, anstatt Demokratie und das Wohl des Volkes vor Augen zu haben. So musste es ja kommen, dass endlich wieder einmal der eigenen willkürlichen Machtübertragung der Regierenden ein Riegel vorgeschoben wurde, indem das Volk wieder mehr zu sagen hat und nicht nur alle 5 Jahre das Wahlkärtchen hervorziehen darf. Auch schlecht erstellte und von der realtiven Mehrheit durchgeboxte Landesgesetze können nun auch zwischendurch vom Volk gekappt werden bzw. umgebogen werden. Gut so!

  • artimar

    Was sagt uns das hier eigentlich über die Kompetenz/Professionalität in der derzeitigen SVP – Südtiroler Volkspartei , erst selbst vorher für das Gesetz stimmen und dann (als Partei, Mandatar-in) dafür nicht mal die Verantwortung übernehmen?
    Gerade diese geringe Wahlbeteiligung sollte doch ein Weckruf und Anlass sein, dies zu durch Abbau von Wahlhemmnissen zu ändern. Wieso ist es im digitalen Zeitalter noch immer nicht möglich auch außerhalb der eigenen Gemeinde abzustimmen usw.?
    Oder wie kann man konkret die direkte Demokratie alltagstauglich ausgestalten und praktikabel machen? Warum nicht durch Digitalisierung bei Initiativen und Abstimmungen z.B. über eine amtliche App (IO oder eine eigene landeseigene App) usw.?

  • gerhard

    Anstatt hinzustehen und zu sagen, DANKE, liebe Südtiroler Wählerschaft,
    wir haben verstanden. – Wir müssen und werden etwas ändern-
    gibt es nur fadenscheinige, oberflächliche und lächerliche Erklärungsversuche.
    .
    Wer die Wähler nach einer verlorenen Wahl so gnadenlos verarscht und für dumm hält, der hat einfach keinen Anstand.
    Diese Partei hat es einfach nicht verdient, ernstgenommen zu werden.
    Ich sehe schwarz für die SVP bei den nächsten Wahlen.

  • tirolersepp

    Und jede Wette, dass 90% derer die gewählt haben das Thema nicht mal kapiert haben. Es ging denen um Dagegensein, gegen was auch immer.

    Aber sie freuen sich gewiss, so konnten sie es der SVP mal zeigen

  • bettina75

    Wenn des mal kein Vorzeichen isch für die Londtogswohlen, meine lieben FREUNDE IM EDELWEIß!!!

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