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Der Fall Gullotta

Der höchste Schulbeamte des Landes, Vincenzo Gullotta, soll die nachträgliche Korrektur der Schulnoten seines Sohnes erwirkt haben. Jetzt stehen der Schulamtsleiter, ein Schuldirektor und ein Lehrer vor Gericht. 

von Artur Oberhofer

Man kann sich die Szene, die sich im Juni 2020 im Hause Gullotta abgespielt haben könnte, wie folgt vorstellen: Der Sohn des höchsten Schulbeamten des Landes, der damals die zweite Klasse der Mittelschule besucht und abgeschlossen hat, bringt sein Zeugnis heim.

Der Vater, der als Bildungsdirektor der italienischen Schule in Südtirol formal sogar höhergestellt ist als die Landesschuldirektorin Sigrun Falkensteiner, ist ganz und gar nicht zufrieden. Der Grund: Sein Sohn hat im Fach Musikerziehung nur eine 7 – und im Fach Technik gar nur eine 6 bekommen.

Der möglicherweise in seinem Beamten- und Vaterstolz verletzte Bildungsdirektor Vincenzo Gullotta ruft in der Schule – es ist die Mittelschule „Ugo Foscolo“ in Bozen – an. Daraufhin wird der Klassenrat zu einer Sondersitzung einberufen, die am Freitag, 12. Juni ab 15.20 Uhr stattfindet.

In dieser Sitzung, die eine halbe Stunde dauert, werden die beiden Noten des Gullotta-Sohnes jeweils auf die Note 8 nach oben korrigiert.

Vater zufrieden! Alle zufrieden?

Mitnichten!

Schulamtsleiter hat nicht damit gerechnet, dass KollegInnen, die diesen Vorgang für ethisch und moralisch fragwürdig hielten, die Geschichte an den „Corriere dell’Alto Adige“ durchstechen würden. Und damit kam eine Lawine ins Rollen, die den Schulamtsleiter und zwei weiteren Personen nun zum beruflichen Verhängnis werden könnte.

Der Grund: Nach 18-monatigen Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft am Landesgericht in Bozen ihre Ermittlungen abgeschlossen. Staatsanwalt Andrea Sacchetti hat – laut einem Bericht des Nachrichtenportals Salto.bz – den Betroffenen die Benachrichtigung über den Abschluss der Ermittlungen zugestellt. Dem Hauptschulamtsleiter Vincenzo Gullotta, dem Direktor der „Foscolo“-Mittelschule, Franco Lever, und dem Lehrer Francesco Migliaccio werden Falschbeurkundung im Amt und Anstiftung zur Vorteilsannahme vorgeworfen. Nun muss ein Richter entscheiden, ob gegen das Trio ein Hauptverfahren eröffnet wird.

Ein Rückblick: Nachdem der „Corriere dell’Alto Adige“ über diesen mutmaßlichen Fall von bildungspolitischer Einflussnahme berichtet hatte, bestritt der Direktor der Foscolo-Mittelschule, Franco Lever, zunächst den Anruf des Bildungsdirektors. „Es hat keinen solchen Anruf gegeben.“

Auch vonseiten Vincenzo Gullottas kam ein flammendes Dementi: „Die Darstellung (des Corriere dell’ Alto Adige, Anm. d. R.) entspricht nicht der Wahrheit und beruht auf Fakten, die es nie gegeben hat.“ Gullotta kündigte bereits damals eine Verleumdungsklage gegen den „Corriere dell’Alto Adige“ und gegen den „il Fatto Quotidiano“ an, der die Story übernommen hatte.

Die Klagen behängen noch. Die Erstverhandlung ist für den 7. Juli angesetzt.

Pech für Schuldirektor Franco Lever und Bildungsdirektor Vincenzo Gullotta: Nach den ersten Dementis tauchte ein offizielles Protokoll der Sondersitzung des Klassenrates der 2 F vom 12. Juni 2020 auf, bei der es nur einen einzigen Tagesordnungspunkt gab: „Revision des Abschlussbewertung“ des Schülers (…) Gullotta.“

Laut diesem offiziellen Sitzungsprotokoll habe es sehr wohl einen Anruf der „Familie Gullotta“ beim Schulleiter gegeben („… a seguito della comunicazione telefonica ricevuta dalla famiglia …“).

Schuldirektor Franco Lever rief in der Folge die betroffenen Professoren zum Rapport. Denn Fakt ist, dass in der Sondersitzung des Klassenrates vom 12. Juni 2020 eine schriftliche Stellungnahme des Technik-Professors, dessen Note beanstandet wurde, vorgelegt wurde. In dieser Erklärung sprach Professor Francesco Migliaccio – der in der Sitzung auch persönlich anwesend war – von einem „Formfehler bei der Abschlussbewertung“ der Leistungen des Schülers Gullotta und ersuchte das Gremium, die Note nach oben zu korrigieren – „von 6 auf 8“.

Etwas schwieriger und komplexer gestaltete sich die Korrektur der Musiknote des Schülers Gullotta von 7 auf 8: Musikprofessor Michele Di Mauro war nämlich nicht bereit, seine ursprüngliche Bewertung zu korrigieren. Warum auch? Der Notendurchschnitt des Schülers Gullotta lag – laut digitalem Klassenregister – bei 7 (im Fach Technik bei 6,17). Also beharrte Professor Di Mauro auf seiner Bewertung.

Wie konnte der Klassenrat dennoch die Musik-Note nach oben korrigieren?

Ganz einfach: Mit einem Verweis auf bestimmte Noten aus dem Fernunterricht, die angeblich nicht in die Abschlussbewertung (bzw. in das digitale Klassenregister) eingeflossen seien, wurde der Fachlehrer überstimmt – und auch die Musik-Note von 7 auf 8 angehoben.

Die erste offizielle Version, die Technikprofessor Francesco Migliaccio und Direktor Franco Lever später auch vor Gericht wiederholten, war: Dem Lehrer Migliaccio sei zuhause beim Essen mit seiner Frau plötzlich eingefallen, dass er bei der Errechnung der Note einen Fehler gemacht habe. Er, so behauptete Migliaccio, habe dann sofort per Mail eine schriftliche Stellungnahme an Direktor Franco Lever geschickt.

Direktor Lever habe noch am selben Nachmittag eine neue Notenkonferenz einberufen, und die beiden Noten des Gullotta-Sohnes wurden korrigiert.

Einer der Kernpunkte dieser Ermittlung ist ein Telefongespräch, das es am Vormittag des 12. Juni 2020 zwischen Vincenzo Gullotta und Franco Lever gegeben hat, in dessen Verlauf sich der Schulamtsleiter beim Direktor über die beiden Noten seines Sohnes beschwert haben dürfte.

Gullotta und Lever dementierten diesen Anruf.

In einer schriflichen Stellungnahme im Juni 2020 erklärte Vincenzo Gullotta, er habe am Morgen des 12. Juni mit Direktor Franco Lever sehr wohl ein Dienstgespräch geführt, bei dem es allerdings um andere Dinge gegangen sei. Während des Gesprächs habe er die gerade veröffentlichten Noten seines Sohnes gesehen und daraufhin angemerkt, dass da etwas nicht stimmen könne.

Die Schule sei dann ohne sein Zutun tätig geworden.

Gullotta bestritt also vehement, den Direktor unter Druck gesetzt zu haben.

Doch laut den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft unter dem Aktenzeichen Nr. 489/2021 stimmt die Darstellung des Schulamtsleiters nicht. Bei den Anhörungen vor der Gerichtspolizei sind die Beschuldigten – immer laut Salto.bz – anfänglich bei ihrer Version geblieben. So erklärte der Meraner Lehrer Francesco Migliaccio, dass er von sich aus tätig geworden sei und es vorab keinen Anruf bei ihm gegeben habe.

Die Telefondaten widerlegen diese Version. Denn aus den Aufzeichnungen der Telefongesellschaften, die die Staatsanwaltschaft angefordert und ausgewertet hat, geht hervor, dass sich Direktor Franco Lever unmittelbar nach dem Telefongespräch mit Gullotta bei Migliaccio gemeldet hat und dieser erst danach die E-Mail schrieb, die angeblich die Notenkorrektur auslöste.

Die Staatsanwaltschaft geht sogar noch einen Schritt weiter: Sie wirft Schulamtsleiter Vincenzo Gullotta vor, dem Schuldirektor Lever mit der Entsendung von Inspektoren gedroht zu haben, falls es zu keiner Neubewertung der Noten seines Sohnes kommen sollte.

Brisant: Nachdem der Fall Gullotta enthüllt wurde, ordnete Bildungslandesrat Giuliano Vettorato eine interne Untersuchung an. Die vom Generaldirektor der Landesverwaltung, Alexander Steiner, koordinierte Untersuchung endete mit einem vollen Freispruch für Gullotta, da es – so die Erkenntnis der Steiner-Detektive – die in den Medien dargestellten Vorfälle nie gegeben habe.

Landesrat Vettorato erklärte damals, er habe „vollstes Vertrauen“ in seinen Schulamtsleiter und pflege zu diesem „ein optimales berufliches und menschliches Verhältnis“.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (14)

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  • saustall_kritiker

    Nach welchen Kriterien wählt denn die Landesverwaltung ihre höchsten Beamten aus? Das ist ja reinste Vetternwirtschaft, von ganz oben gedeckt offensichtlich. Im Sinne des ehemaligen Landesrates Ferretti wohl….
    Wie sagte doch N.C. Kaser: Dem F. .. graust!

  • olle3xgscheid

    Und das in der Mittelschule.. . .kompletter Wahsinn

  • pantone

    Offensichtlich blöd gelaufen für Hr. Gullotta. Ich hätte mich mehr gesorgt, wenn bei wichtigen Fächern die Note niedrig gewesen wäre. Da wird wohl der Notendurchschnitt kompromittiert gewesen sein. Mein Gott …

  • brutus

    Mit Musik und Technik haben’s Politiker halt nicht so, da wurde das nur vom Vater weitervererbt!

  • artimar

    Das wirft kein gutes Licht auf die höchsten Amtsträger und die Schule, zu veranlassen bzw. veranlasst zu haben, die Bewertungen nur EINEM Schulkind, im wörtlichen Sinn, dem „figlio di papà“, zu heben. Den anderen betroffenen Schülern wurde die Note hingegen nicht gehoben.
    Ob man damit dem Kind Gutes getan hat, möchte ich bezweifeln.
    Hoffentlich kann nun zumindest die Staatsanwaltschaft und das Gericht helfen, den Verantwortlichen etwas zu lehren.

  • dn

    Mal gucken, wie das ausgeht. Zum Glück werden auch solche scheinbaren Nebensächlichkeiten augroglt.

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