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Das Ende der Anhimmelei

Schein und Sein bei den Tiroler Festspielen in Erl: Nun hat der Wahl-Südtiroler Hans Peter Haselsteiner auch den letzten von 18 Prozessen gegen den Tiroler Blogger Markus Wilhelm verloren.

von Artur Oberhofer

Markus Wilhelm kann sich eine gewisse Schadenfreude nicht verkneifen: „Der Herr von der Strabag“, so schrieb der Tiroler Blogger gestern in seinem Netz-Tagebuch, „wollte im Frühjahr 2018 kurzen Prozess mit mir machen; es ist ein sehr langer geworden. Und er hat ihn verloren. Jetzt endgültig.“

Der jahrelange Rechtsstreit in der Causa rund um die Tiroler Festspiele in Erl hat jetzt ein endgültiges Ende gefunden. Mit Markus Wilhelm als juridischen und moralischen Sieger.

Es war im Februar 2018, als der Tiroler Blogger Markus Wilhelm mit einem Artikel über „Die unfassbaren Zustände bei den Tiroler Festspielen Erl“ ein gesellschaftspolitisches Tiroler Tabu brach und an der Fassade einer fast heiligen Fassade kratzte.

Ein Auszug aus dem Wilhelm-Artikel über Schein und Sein in Erl:

„Genau betrachtet, handelt es sich beim Festspielunternehmen Erl um einen aufgeblasenen, immens teuren Jubelverein, dessen Objekte der Huldigung Hans Peter Haselsteiner und Gustav Kuhn sind. Für deren Anhimmelei wird eine Heerschar an Hungerlöhnern eingespannt, gegen welche die geschundenen Radieschenzieher auf den Thaurer Feldern sich beinahe schon wie fast korrekt bezahltes Personal ausnehmen.

Wir reden hier noch gar nicht von Besetzungscouch und ,unangemessenem sexuellen Verhalten‘, wie es seit Neuestem ebenso beschönigend wie arg verharmlosend heißt (…).

Was so im Raum steht, im Bühnenraum und im Probenraum: Verdacht auf Lohndumping, auf Lohnwucher, Scheinselbständigkeit, Abgabenhinterziehung, auf Verstoß gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetzt, Arbeitsverfassungsgesetz, Arbeitszeitgesetz, Arbeitsruhezeitgesetz, Urlaubsgesetz, auf Umgehung des Dienstvertrages, Aushebelung des Urheberrechtsgesetzes usw.“

Markus Wilhelm handelte sich mit seiner gleichwohl mutigen wie journalistisch fundierten Berichterstattung sage und schreibe 18 Klagen ein, wobei der Wahl-Südtiroler Hans Peter Haselsteiner wohl dachte, er könne den vorlauten Blogger kraft seiner Beziehungen und seiner Moneten mundtot machen.

Doch bei Wilhelm und bei der Innsbrucker Gerichtsbarkeit bissen der Beton-Milliardär und dessen Freund, der Maestro, auf Granit.

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat nun die Berufung gegen die letzte der 18 Klagen abgewiesen.

Das OLG befand, dass der Blogger Markus Wilhelm seine Vorwürfe rund um arbeitsrechtliche Missstände in Erl zu Recht erhoben habe. Und dass ein besonderes öffentliches Interesse vorgelegen habe.

Zu dem von Wilhelm vorgebrachten Vorwurf auf Lohndumping und Abgabenhinterziehung meinte das Gericht, dass man bei der Bezahlung von weißrussischen Sängern, die nur 35 Euro pro Tag verdient hatten, sehr wohl von einem Lohnniveau sprechen könne, dass – Zitat – „derart niedrig ist, dass der Vorwurf des Lohndumpings und Lohnwuchers nach Ansicht des Senats gerechtfertigt erscheint“.

Außerdem habe es sich um eine Arbeitskräfteüberlassung gehandelt, daher hätte man die Musiker bei der Sozialversicherung anmelden müssen, so der OLG Innsbruck.

Hans Peter Haselsteiner und der selbstherrliche Maestro Kuhn haben zwar frühzeitig erkannt, dass sie den Blogger Wilhelm auf dem Rechtsweg nicht beikommen können. Wissend, dass die Finanzmittel des Bloggers begrenzt sind, versuchten die Haselsteiner-Anwälte, Markus Wilhelm zu einem Vergleich zu bewegen. Letzterer hätte sich allerdings verpflichten müssen, nie mehr über Haselsteiner oder die Festspiele zu berichten.

Für Markus Wilhelm war dies der „Versuch einer Knebelung“, das Angebot habe er daher „nicht-dankend“ abgelehnt, wie er auf seinem Blog zur Entscheidung des OLG schreibt.

Markus Wilhelm hat gut daran getan, das „unmoralische Angebot“ (so der Blogger) nicht anzunehmen. Denn die Gerichte haben auf dem langen Instanzenweg nicht nur festgestellt, dass Wilhelms Recherchen von einem „gewichtigen öffentlichen Interesse“ gewesen sei. Auch habe der Blogger eine durch „umfangreiche Quellen recherchierte Verdachtslage“ dargelegt und sich damit innerhalb des Bogens der verfassungsrechtlich garantierten Meinungsfreiheit bewegt.

Immerhin haben die Tiroler Festspiele Erl allein im Zeitraum 2018-2023 Landesförderungen von 9,3 Millionen Euro erholten – und noch einmal so viel Geld vom Bund.

Markus Sint von der Tiroler Oppositionspartei Liste Fritz sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Apa, es sei „erschreckend“, dass nicht die „für die Millionenförderungen zuständige ÖVP-Landesrätin Beate Palfrader die Missstände erkannt und abgestellt hat, sondern dass es das Engagement von Markus Wilhelm gebraucht hat“.

Die Causa Erl war von Markus Wilhelm vor vier Jahren mit Vorwürfen der sexuellen Belästigung und des Machtmissbrauchs gegen den Gründer und Künstlerischen Leiter Gustav Kuhn ins Rollen gebracht worden.

Die Vorwürfe des sexuellen Übergriffs hatte Kuhn stets vehement bestritten, auch nachdem sich fünf Künstlerinnen mit einem Offenen Brief an die Öffentlichkeit wandten. Der Maestro stellte im Sommer 2018 dennoch seine Funktion als künstlerischer Leiter der Festspiele bis zur vollständigen Klärung der Vorwürfe ruhend und legte im Oktober schließlich all seine Funktionen zurück.

Zu einer Anklage gegen Gustav Kuhn kam es in Folge aber nicht. Im März 2020 stellte die Staatsanwaltschaft Innsbruck das Ermittlungsverfahren gegen ihn ein, da am Ende kein Vorfall übergeblieben sei, der strafbar, nicht verjährt und beweisbar gewesen wäre. Die Gleichbehandlungskommission im Bundeskanzleramt hatte jedoch in ihrem Gutachten festgestellt, dass eine sexuelle Belästigung durch Kuhn stattgefunden hatte.

Markus Wilhelm spricht jetzt von einem „sehr gelungenen Abschluss“. Die Festspiele Erl hätten durch das „selbstherrliche Verhalten“ von Hans Peter Haselsteiner viel mehr verloren als die Prozesse.

Hans Peter Haselsteiner hat er vor wenigen Tagen in ORF-Sendung „Menschenkinder“ verraten, wie er sich im Falle von Rückschlägen tröstet:

„Ich habe eine Schwäche für teure Uhren oder für verhältnismäßig teure Uhren, für die ganz teuren eh nicht, aber für eine teure Mittelklasse. Und ich habe mir eigentlich angewöhnt, wenn ich eine große Niederlage erlitten habe, habe ich mir eine Uhr gekauft – sozusagen als Trost, als Trostpreis.“
Markus Wilhelm sagt dazu: „Das heißt, jetzt ist wohl ein ordentlicher Pletschn fällig.“

Hans Peter Haselsteiner

 

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (7)

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  • prof

    Also,Geld gewinnt nicht immer ( so wie auch im Fußball) und Haselsteiner kann sich jetzt eine “ Patacca“ kaufen.

  • gerhard

    Lieber Herr Haselsteiner, kaufen Sie sich am Besten diesmal eine Uhr mit besonders großem Ziffernblatt.
    So können Sie sehen, dass Ihre Zeit abgelaufen ist.
    All die Millionen, all die einflußreichen Bekannten, all die (vermeintliche) Macht.
    Sie sind kläglich gescheitert.
    Und das ist gut so.
    Am Besten, Sie backen in Zukunft etwas kleinere Brötchen.
    Und Ihren Kuhn nehmen Sie am Besten gleich auch mit in die Versenkung.

  • ostern

    Gustav Kuhn! Ein Musiker bzw. Dirigent??
    Mah…………………., den hot ebn a hochrangier Politiker
    noch Bozen gebrocht.

  • schwarzesschaf

    Ja das mit den förderungen kommt mir bekannt vor wenn 2 bekannte Herren festspiele organisieren die nie rentabel sein werden aber durch ihrer namen geld von land gemeinde bekommen dann kann man sich schön damit schmücken. Naja einer der herren ist nun verstorben

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