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Die Förder-Millionen

Hans Briegel, Kathrin Thedieck und Francesca Ferlaino

Die Physikerin Francesca Ferlaino, der Physiker Hans Briegel und die Biochemikerin Kathrin Thedieck von der Universität Innsbruck erhalten jeweils einen ERC Advanced Grant, die höchste europäische Förderung für etablierte Wissenschaftler*innen in der Grundlagenforschung.

Insgesamt fließen damit rund 7 Millionen Euro an Forschungsförderung an die Universität Innsbruck.

Für Francesca Ferlaino ist es bereits der dritte ERC-Grant, nach einem Starting Grant (2010) und einem Consolidator Grant (2016).

Mit ERC-Advanced-Grants zeichnet der Europäische Forschungsrat (ERC) etablierte Spitzenwissenschaftlerinnen und Spitzenwissenschaftler für ihre herausragende wissenschaftliche Forschung aus. Sie erhalten dafür bis zu 2,5 Millionen Euro über einen Zeitraum von fünf Jahren als Förderung für ihre Grundlagenforschung.

Am Dienstag gab der ERC in Brüssel bekannt, dass Francesca Ferlaino, Kathrin Thedieck und Hans Briegel von der Universität Innsbruck diese hochkarätige Auszeichnung erhalten. Sie werden an neuen Systemen für die Simulation von Quantenmaterie, der Kontrolle von mTOR-abhängigen Stoffwechselprozessen und Modellen für KI-gesteuerte Quantenexperimente forschen. „Der ERC Advanced Grant ist die höchste Auszeichnung für erfolgreiche WissenschaftlerInnen in der EU. Dass gleich drei unserer ForscherInnen heute diese millionenschwere Förderung erhalten, macht mich sehr stolz,” freut sich Rektor Tilmann Märk. „Insgesamt acht solcher Advanced-Grant-Auszeichnungen in den vergangenen fünf Jahren unterstreichen eindrücklich die sehr erfolgreiche Entwicklung in der Spitzenforschung der Universität Innsbruck.“

Francesca Ferlaino

Mit Hilfe von ultrakalten Gasen können Quantenphänomene im Labor gezielt herbeigeführt und erforscht werden. Francesca Ferlaino hat Pionierarbeit auf diesem Gebiet geleistet, indem sie eine neue Klasse von Atomen, die Metalle der seltenen Erden, zur Untersuchung von Vielkörper-Quantenphänomenen nutzt, die in keinem anderen System in dieser Weise erforscht werden können. Die Metalle der seltenen Erden sind die am stärksten magnetischen Elemente im Periodensystem. Jedes von ihnen verhält sich wie ein atomarer Magnet, und “eine Million dieser winzigen Magnete können dipolare Gase mit einzigartigen Eigenschaften erzeugen”, sagt die Physikerin.

Zusammen mit ihrem Team hat sie 2012 die erste Bose-Einstein-Kondensation von Erbium nachgewiesen und später sogar Erbium-Dysprosium-Gemische erzeugt. Erst kürzlich gelang ihrer Gruppe (www.erbium.at) der Nachweis von Quantenphänomenen, die lange auf eine Beobachtung im Labor gewartet haben, wie ein spezielles Minimum in der Anregungsenergie, ein sogenanntes Roton, und, parallel zu zwei anderen Gruppen, die Beobachtung einer neuartigen Phase der Materie, der Suprasolidität. „Unser Ziel ist es nun, mit den Kondensaten der Seltenen Erden noch weiterzugehen und auch ihre innere Struktur und ihre Freiheitsgrade zu nutzen“, sagt Francesca Ferlaino.

In ihrem ERC-Projekt will die Forscherin die Grenzen der Wechselwirkungskontrolle mit Hilfe maßgeschneiderter optischer Potenziale und Rydberg-Anregungen sowie der Verwendung von Quantengasmikroskopietechniken erweitern. „Wir werden die Multi-Valenzelektronen-Natur der magnetischen Lanthanoide nutzen, um die nächste Generation von Quantensimulatoren zu bauen, die erweiterte Fähigkeiten versprechen, die sonst nicht zugänglich sind“, sagt die Preisträgerin.

Francesca Ferlaino (geboren in Neapel, Italien) ist Professorin am Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck und wissenschaftliche Direktorin am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Sie wurde bereits vielfach ausgezeichnet und erhält nun den dritten ERC-Grant, nach einem Starting Grant (2010) und einem Consolidator Grant (2016).

Kathrin Thedieck

Das Protein mTOR steuert praktisch alle Stoffwechselprozesse in Zellen und Organismen und ist ein zentrales therapeutisches Zielmolekül in alterns-assoziierten Erkrankungen wie Krebs und neurodegenerativen Störungen. mTOR steht im Zentrum eines komplexen zellulären Signal- und Stoffwechselnetzwerks. Als Reaktion auf Wachstumsfaktoren, Nährstoffe, Energie und Stress fördert mTOR Stoffwechselprozesse, die Zellwachstum und Zelldifferenzierung steuern. Aber wie werden spezifische Stoffwechselreaktionen auf bestimmte Stoffwechselsignale vermittelt? Diese Frage möchte Kathrin Thedieck mit ihrer Forschung beantworten. Kürzlich hat sie mit ihrem Team beobachtet, dass Proteine aus sogenannten Stressgranula mit mTOR jenseits von Stress interagieren und mTOR-abhängige Stoffwechselprozesse kontrollieren. Mit ihrem BEYOND STRESS Projekt untersucht sie dieses Phänomen und seine Bedeutung für die Funktionen gesunder Zellen und in Tumoren.

Kathrin Thedieck ist Professorin und Leiterin des Instituts für Biochemie der Universität Innsbruck. Sie ist Honorary Professor an der Universität Groningen (Niederlande) und Angehörige der Universität Oldenburg (Deutschland). Ihre Arbeitsgruppe erforscht die Regulation des Stoffwechsels durch komplexe Signalnetzwerke, um grundlegende zelluläre Mechanismen der metabolischen Signaltransduktion experimentell und theoretisch zu untersuchen (www.metabolic-signaling.eu). Kathrin Thedieck ist vielfach ausgezeichnet und koordiniert das europäische Brustkrebskonsortium MESI-STRAT (www.mesi-strat.eu).

Hans Briegel

Maschinelles Lernen wird bereits in verschiedenen Bereichen der Physik eingesetzt, vor allem zur Verarbeitung und Klassifizierung großer Datenmengen. Aber die Entwicklung Künstlicher Intelligenz (KI) geht noch viel weiter und wird wahrscheinlich in naher Zukunft die Grundlagenforschung verändern. „In unserem ERC-Projekt werden wir den Einsatz von KI in der Grundlagenforschung untersuchen, wobei wir uns auf die Quantenphysik und insbesondere auf die Quanteninformation konzentrieren werden“, sagt der Theoretische Physiker Hans Briegel (www.uibk.ac.at/th-physik/qic-group).

Von ihm stammen wegweisende Arbeiten in den Bereichen Quantencomputing und Quantenkommunikation. So ist er einer der Erfinder des Einweg-Quantencomputers, an dessen Realisierung heute mehreren Unternehmen weltweit arbeiten.

In seinem ERC-Projekt will Briegel für die Grundlagenforschung Modelle künstlicher lernender Agenten entwickeln will. „Die von uns entwickelten Modelle werden Anwendungen für KI-gesteuerte Quantenexperimente und wissenschaftliche Entdeckungen erleichtern.“ Diese Modelle könnten in zukünftigen hybriden Laboratorien eingesetzt werden, in denen Forscher*innen mit KI-Assistenzsystemen zusammenarbeiten werden. Briegels ERC Projekt wird auch grundlegende Fragen zu Quantenagenten, der Rolle der Handlungsfähigkeit in der Quantenphysik sowie zur Erklärbarkeit von Quanten-KI erforschen.

Hans Briegel ist Professor am Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck und hat auch langjährige Kollaborationen mit Philosophen an der Universität Konstanz.

Seine Arbeitsgruppe erforscht grundlegende Konzepte der Quantenmechanik und der statistischen Physik sowie deren Anwendungen für die Informationsverarbeitung. Aktuelle Forschungsinteressen konzentrieren sich auf das Problem des Lernens und der künstlichen Intelligenz in der Quantenphysik, auf quanten-maschinelles Lernen sowie auf kollektives Verhalten in biologischen Systemen.

 

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