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Zeugin aus dem Kriegsgebiet

Thomas Ladurner

Der Meraner Anwalt Thomas Ladurner muss trotz bestätigtem Freispruch kommende Woche sein zweites Berufungsverfahren in der Sachwalter-Causa bestreiten. Dass es sehr lange dauern könnte, hat auch mit dem Krieg in der Ukraine zu tun.

Von Thomas Vikoler

Im Juli 2017 schien Thomas Ladurner von einer großen psychischen Last befreit: Der Meraner Anwalt wurde am Bozner Landesgericht nach einem langen Hauptverfahren vom Vorwurf der Übervorteilung einer wehrlosen Person und der Unterschlagung von ihm als Sachwalter anvertrauten Geldern einer betagten Meranerin freigesprochen. Mit der stärksten Formel.

Doch dann legte die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil Berufung beim Bozner Oberlandesgericht ein: Der Freispruch für Ladurner wurde im Oktober 2020 bestätigt.

Doch auch damit war der Fall für ihn nicht abgeschlossen. Vor einem Jahr kippte die Kassation nach einer Beschwerde der Generalstaatsanwaltschaft das zweitinstanzliche Urteil an und ordnete einen neuen Berufungsprozess an.

Dieser ist für Mittwoch kommender Woche am Oberlandesgericht Trient angesetzt.

Doch dieser steht unter denselben Vorzeichen wie der erste Berufungsprozess: Die frühere „badante“ der Meranerin und Hauptzeugin Olga Barisheva, die in dieser Causa selbst einen gerichtlichen Vergleich wegen Unterschlagung abgeschlossen hatte, wird kaum bei der Verhandlung erscheinen.

„Nach unserem derzeitigen Wissensstand wird es keine Zeugenaussage von ihr geben, wir rechnen mit mehreren Vertagungen seitens des Oberlandesgerichts Trient, als einem langen Berufungsverfahren“, sagt Ladurners Anwalt Fabrizio Francia.

Die Kassation hat nämlich festgestellt, dass die Zeugin bereits vor dem Oberlandesgericht unbedingt hätte angehört werden müssen. Deshalb die Annullierung des Urteils. Nach dem Orlando-Gesetz ist im Berufungsverfahren ein sogenannter „verstärkter Beweis“ nötig. Das Bozner Oberlandesgericht hatte nach mehreren Vertagungen das Nicht-Erscheinen und die Unauffindbarkeit Barishevas festgestellt und sein Urteil ohne ihre Zeugenaussage gesprochen.

In der ersten Instanz waren die (belastenden) Aussagen Barishevas vom Gericht als unglaubwürdig eingestuft worden.

Die Kassation erinnerte in ihrem Aufhebungsurteil an die Pflicht zu Anhörung der Zeugin und wies darauf hin, dass die ukrainischen Behörden Barisheva Ende 2020 sehr wohl – ausgestattet mit einem Interpol-Mandat – ausfindet gemacht hätten.

Die Frau lebe unter falschem Namen in ihrem Herkunftsland.

Seitdem, so Verteidiger Francia, habe niemand mehr etwas von Olga Barisheva gehört. Sie halte sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in Italien auf.

Der am 24. Februar gestartete brutale russische Angriffskrieg auf die Ukraine dürfte die beantragte „Auslieferung“ der Zeugin, gegen die am Bozner Landesgericht zudem ein Hauptverfahren wegen Verleumdung in dieser Angelegenheit läuft, kaum erleichtern.

Die ukrainischen Behörden haben derzeit anderes zu tun, als sich um eine in Italien dringend benötigte Zeugin zu kümmern.

Dabei ist ein Großteil der Ladurner ursprünglich vorgeworfenen Straftaten – außer die Unterschlagung – inzwischen verjährt. Der vermeintliche Tatzeitraum liegt zwischen April 2010 und September 2013.

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