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„Dann lassen wir ihn hupfen“

Mit einer verzweifelten Desinformationskampagne versucht Thomas Widmann, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Aber gegen die sonore Wucht der Audio-Dateien ist selbst der mit allen Wassern gewaschene Landesrat machtlos.

von Artur Oberhofer

Es ist wohl der letzte und verzweifelte Versuch, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

Am vergangenen Mittwoch, nach einer mehrtägigen Phase der Schockstarre, beschloss Thomas Widmann, in die Offensive zu gehen. Zuerst erkundigte sich der Gesundheits-Landesrat bei der TAGESZEITUNG, ob er etwas zum SAD-Skandal sagen könne („… oder herrscht bei euch Zensur?“).

Zuerst gegenüber TAGESZEITUNG Online, dann am darauffolgenden Tag im Interview mit „Dolomiten“-Chefredakteur Toni Ebner, stellte sich Thomas Widmann als „Opfer von Ingemar Gatterer“ und als „Retter des Landeshauptmannes“ dar.

Thomas Widmann hat ein Problem:

Gegen die sonore Wucht der QR-Codes und der Audio-Dateien im Buch „Freunde im Edelweiß“ lässt es sich schwer ankämpfen. Denn es sind dies authentische Protokolle, die nicht nur wegen der politischen Inhalte für große Aufregung sorgen.

Es ist vor allen Dingen die Melodie, die in diesen abgehörten Telefongesprächen mitschwingt, die die Menschen in Südtirol so entsetzt und erschüttert: das präpotente und zynische Lachen der Protagonisten, der sonore Hochmut und die herablassend-abschätzigen Zwischentöne. Aus der Tonalität der abgehörten Telefongespräche hört man die Arroganz der Macht heraus, die Niedertracht und die beklemmende und verstörende Vanitas, alle und alles in der Hand zu haben.

Was Thomas Widmann nicht sagt:

Es gibt in den 500 Stunden, die die Behörden mitgelauscht haben, kein einziges Gespräch des Gesundheits-Landesrates, in dem er sich positiv oder anerkennend über Landeshauptmann Arno Kompatscher äußert.

Gäbe es diese Audio-Dateien tatsächlich, dann hätten sie Thomas Widmann und seine Getreuen längst veröffentlicht und gespielt.

Das Gegenteil von dem, was Thomas Widmann jetzt zu seiner Verteidigung verbreitet, ist nämlich der Fall:

Durch sämtliche Gespräche Widmanns, die die Ermittler abgehört haben, zieht sich ein roter Faden – der Faden der Illoyalität, der Faden der Verachtung, der Faden des Komplottes.

Mit ebendieser – nobel ausgedrückt – systematischen Illoyalität sollten Landeshauptmann Arno Kompatscher gestürzt bzw. geschwächt und der dem Unternehmen SAD nicht genehme Daniel Alfreider als Mobilitäts-Landesrat verhindert werden.

Im Fall von Thomas Widmann gibt es also nicht das eine oder andere Telefonat, in dem er sich despektierlich und angeblich im Affekt über den LH geäußert hat, sondern den vielen Gesprächen liegt ein glasklarer politischer Plan zugrunde: Arno Kompatscher sollte nach dem Willen einer kleinen Clique um Thomas Widmann, Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder, Christoph Perathoner, Meinhard Durnwalder & Co. verräumt werden.

Als erschwerender Umstand kommt hinzu:

Geschehen ist das Ganze unter der freundlichen Schirmherrschaft von SVP-Chef Philipp Achammer.

Diese kleine Gruppe innerhalb der SVP hat es nun tatsächlich geschafft, dass die übergroße Mehrheit der Anständigen im Edelweiß sich jetzt ernüchtert eingestehen muss, dass das S im Namen SVP nicht für Südtirol, sondern für Schlangengrube steht.

Vermutlich wären Philipp Achammer und Thomas Widmann mit ihrer These des „blöden Geredes“ durchgekommen, wenn in dem Buch nicht die QR-Codes veröffentlicht worden wären. Die Audio-Dateien stellen im Zeitalter der Fake News und der alternativen Wahrheiten ein Beweismittel dar, das nicht widerlegt werden kann.

Und dabei sind die bislang veröffentlichten Audio-Dateien nur die Spitze des Eisberges.

So lässt sich Thomas Widmanns neueste Version, er selbst sei ein Gatterer-Opfer gewesen, mit einem einzigen Telefonat widerlegen.

In dem mittlerweile viral gehenden Anruf, in dem Thomas Widmann seinen Chef Arno Kompatscher als den „schlechtesten Landeshauptmann, den wir je hatten“ bezeichnet, kommt der Landesrat erst nach Minute 2.12 zur Sache, also zum eigentlichen Grund seines Anrufes. Er bittet Gatterer um einen Gefallen.

„Ich wollte dich nur fragen, ob du mir da helfen kannst“, sagt Widmann zunächst zu Gatterer.

Der in Afing wohnhafte SVP-Politiker interveniert beim SAD-CEO für das Jenesiener Busunternehmen „Domanegg Reisen“.

Widmann führt aus, dass Besitzer Rudi Domanegg mit dem Präsidenten des „Konsortiums der Südtiroler Mietwagenunternehmer“ (KSM) Martin Plattner nicht auskomme und dieser deshalb einen Schulterschluss mit Gatterer suche. Thomas Widmann wörtlich:

„Ob du dich einmal mit ihm treffen kannst ..[…].. und ob du ihm vielleicht eine oder zwei Linien irgendwo da geben kannst.“

Ingemar Gatterer erklärt ihm daraufhin, dass das durchaus möglich und machbar sei. Doch im Hinblick auf die anstehende Ausschreibung des gesamten Südtiroler Nahverkehrs müsse sich Domanegg entscheiden, auf welcher Seite er stehe. Es gehe rein rechtlich nicht an, dass Domanegg Reisen einen Vertrag mit der SAD habe und gleichzeitig mit dem KSM gegen die SAD in die Ausschreibung gehe.

Ein Auszug aus dem Telefongespräch:

Ingemar Gatterer: Er muss Farbe bekennen. Mir ist es egal, ob ich von diesen ganzen Diensten dem Rudi zwei Dienste gebe. Das ist mir wurscht.

Thomas Widmann: Ok. Super. Dann sage ich ihm: Er muss sich entscheiden. Soll er sich dann bei dir melden, oder wie tun wir?

Gatterer: Genau. Aber fädle du das ein. Ich mein, das ist ja politisch für dich. Net.

Widmann: Ja, ja.

Gatterer: Du ladest uns zwei ein und dann können wir das vor dir ausmachen.

Widmann: Super, mache ich. Danke dir. Und wir hören uns und sehen uns einmal. Okay.

Das ist der Kontext des Gesprächs.

Auf die Beschimpfung des Landeshauptmannes folgt also das Geschäft.

Noch aussagekräftiger ist ein Anruf, den die Ermittler am 21. Dezember 2018 im Zuge der Hütten-Affäre um Daniel Alfreider mitlauschen.

Am 21. Dezember 2018, acht Tage nach dem Erscheinen der ff-Titelstory über Daniel Alfreiders Hütten und die entsprechenden Ermittlungen der Bozner Staatsanwaltschaft, entwickelt sich zwischen Ingemar Gatterer und dem damaligen SVP-Landesrat in spe ein interessanter Dialog.

Ingemar Gatterer: Du, Thomas, ich habe mir gedacht, du bringst mir ein Weihnachtsgeschenk und sagst mir, dass du Landesrat wirst …

Thomas Widmann (lacht): Ich bringe dir ein Ostergeschenk.

Gatterer: (lacht)

Widmann: Du sollst wissen, dass ich dafür kämpfe, Mobilitäts-Landesrat zu werden, wobei die Chancen jetzt gestiegen sind, weil der Daniel es vielleicht nicht mehr macht.

Gatterer: (lacht) Aber nicht wegen mir?

Widmann: Nein, weil er die Eier mit dem Bauen hat, weißt du.

Ingemar Gatterer mit seinem Ferrari hinter dem Palais Widmann (Foto: FB/Gatterer)

Nachdem Thomas Widmann den SAD-Chef in diesem Gespräch – wie man im Buch „Freunde im Edelweiß“ nachlesen kann – mit Argumenten gegen Daniel Alfreider aufrüstet und ihn dazu drängt, diese medial zu spielen, kommt Ingemar Gatterer auf sein zentrales Thema zu sprechen: das Mobilitäts-Assessorat – und wer dieses Ressort in der Landesregierung bekommt.

Gatterer: Du, meinst du, es geht?

Widmann: Der Arno ist total neben die Schuach … 

Gatterer: Was passiert jetzt?

Widmann: Er möchte mir die Sanität geben und vielleicht Hochbau. Dann habe ich gesagt, die Mobilität. Dann hat er gesagt, nein, die möchte er dem Daniel geben, wenn der Daniel nicht mehr ist, dann erhöhen sich die Chancen. Und das Nächste ist, dass er im Prinzip – wie soll ich sagen – er mir nicht vertraut, er hat Angst vor mir, verstehst du. Aber er kommt nicht um mich herum. Er möchte sogar bei der Sanität einen Schattenassessor reintun, und dann kann er sich das selber machen. Da habe ich bald ein Gespräch und ich sag dir es dann.

Und dann kommt die zentrale Passage.

Thomas Widmann, der jetzt plötzlich behauptet, er habe Arno Kompatscher vor Gatterer „retten“ wollen, erklärt sich sogar bereit, den LH „hupfen zu lassen“

Ein Auszug aus dem Telefongespräch

Ingemar Gatterer: Ihr müsst ihn nur hupfen lassen, dergaling.

Thomas Widmann: Ja, logisch lassen wir ihn hupfen, wenn nichts mehr geht. Da brauchen wir nicht mehr viele Elemente, net. Dann hauen wir ihn raus.

So spricht also ein angehender Landesrat über „seinen“ Regierungschef.

„Dann hauen wir ihn raus …“ „Logisch lassen wir ihn hupfen …“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (35)

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  • andreas

    Widmann geh mit Gott, aber geh.
    Und nimm den Alten, Perathoner, Jungdurnwalder und den Alber gleich mit.

    Laut Palermo, kann der LH Widmann als Landesrat nicht austauschen, er müsste selbst zurücktreten und eine neue Regierung bilden.

    Dass es in der Politik so zugeht, ist wohl durchaus üblich.
    Sie sollten halt nicht so dämlich sein, solche Angelegenheiten am Telefon zu besprechen.
    Gatterer sagte öfters in den Telefonaten, dass er abgehört wird.

    Für Achammer und Premstaller wars das wohl ebenfalls.
    Ich nehme nicht an, dass noch einer der Bürgermeister die stützt und auch dass keiner groß Lust hat beim Mitgliedbeitragsammeln sich verarschen oder beschimpfen zu lassen.

    Mehr als Spott, haben die eigentlich nicht mehr zu erwarten.

    • gorgo

      Was hätte sich Gatterer von Tommy als Mobilitätslandesrat eigentlich konkret erwartet?
      Das Animositaten in der Politik an der Tagesordnung sind, Gemauschel ebenso, ist wohl nicht Neues. Das sich Kompatscher umgekehrt ständig wertschätzend über Widmann geäußert hat, ist wohl kaum anzunehmen.
      Jetzt muss halt Widmann „hupfen“.
      Aber dämlich sind die Protagonisten sicher nicht, sie haben sich nur nicht erwartet, dass aus diesen paar Sagern „investigativer Journalismus“ gebastelt wird.

      • andreas

        Die Dämlichkeit war, wie in diesem Telefonat, solche „Freundschaftsdienste“ oder Beeinflussungen von Wahlen, so direkt am Telefon zu besprechen.

        Gatterer, der Alte und Perathoner haben sich wohl erhofft, dass der zukünftige Apelsaftbauer den LH von einem PPP Modell überzeugt.

  • besserwisser

    der obmann und der tommy sind nicht mehr zu halten. das hält die partei nicht aus. wenn sie wirklich auch mal dem volke dienen wollen dann wissen sie was zu tun ist! zackzack!!!

  • criticus

    Wenn Widmann Anstand hat, dann wird er sein Amt niederlegen und mit ihm einige andere! Mal sehen, ob diese Personen Anstand haben?
    Was wollte ein Herr Toni Ebner mit dem Interview eigentlich erreichen oder retten? Wie kann man als Verantwortlicher einer „katholischen Tageszeitung“, nach so vielen Beweisen gegen Widmann, noch heiteren Sonnenschein vorgaukeln?

  • fakt60ist

    Was für eine Morallosigkeit müssen all diese Herren nur haben, um immer noch zu glauben, sie könnten ihre Machenschaften noch retten. Wenn diese Herren noch annähernd ein wenig Anstand beweisen möchten, dann sollten sie noch ein letztes Gespräch organisieren und vereinbaren, dass sie geschlossen zurücktreten um dem Arno den Weg frei zu machen, um einen Neuanfang zu ermöglichen. Also, die Bürger Südtirols warten darauf bitte.

  • pingoballino1955

    Ich sag es mit den Worten von diesen Herren???? Haut sie raus und lasst sie „hupfn“ und zwar zack,zack.

  • gulli

    Was die ganze Sache noch schlimmer macht als sie bereits ist, dass dies wahrscheinlich nur ein Fall von vielen ist… möchte nicht wissen was sich in den letzten Jahren und wahrscheinlich auch heute noch hinter den Kulissen abspielt…
    Nicht umsonst wollen die „Gewählten“ oder wie sie selbst glauben die „Auserwählten“ die Einführung des Ehrenkodex!

  • prof

    Jetzt trinke ich keinen Apfelsaft mehr von Widmanns Hof, der Saft wurde fast sicher mit Faulen Äpfeln gemacht.

  • foerschtna

    Wer von diesen Figuren Anstand erwartet, der glaubt wohl auch an den Osterhasen. Gebt ihnen ein paar Millionen Euro Abfindung und jagt sie zum Teufel. Das ist für die Menschen im Land immer noch billiger, als jeder weitere Tag, an dem sie noch auf ihrem Sessel kleben und unserem Land und seinen Menschen weiteren Schaden verursachen. Widmann kann sich dann auf seinem Hof einen schönen Lebensabend machen, Achammer kann sein abgebrochenes Studium fortsetzen und dann ja seinen Freund Sebastian Kurz fragen, ob er nicht vielleicht auch für ihn was Passendes bei Thiel Capital hat.

  • leser

    Ihr tollen analytiker hier
    Ihr versteht aber schon was oberhofer und franceschini hier sagen will
    Es geht nicht um den skandal von widmann und co , sondern es geht darum wie salonfähig die heuchelei, die schlaumeierei und die übervorteilerei des einzelnen in den köpfen steckt und dass es praktisch keine grenzen gibt diese durchzusetzen
    Und obendrein sind diese gauner rechtlich nicht angreifbar

  • bettina75

    RÜCKTRITT Herr Landesrat !!!

  • cosifantutte

    Es wird Zeit, den Laden durch einen von Rom ernannten Gouverneur kommissarisch verwalten zu lassen und die Autonomie als gescheitertes Projekt abzuwickeln. Zur demokratischen Regierung reicht langfristig die Region. Die UNO hat momentan wichtigeres zu tun, als sich um die Problemchen von wohlstandsverwahrlosten Bergvoelkern zu kümmern. Billiger ist es allenthalben.

  • artimar

    Was 2018 bei Gatterer ankommen sollte oder angekommen ist, ist eines. Das Ergebnis war ein ganz anderes. Sie, die Landesregierung, ja ihn hupfen lassen.

  • tirolersepp

    Isch für de mandr die Partei überhaupt lei mehr Dreck !

    Wer hat sie großgemacht ???

  • sukram

    Mandr, es isch Zeit! PS. Ob Widmann ein Mann ist und Konsequenzen zieht, werden wir in den nächsten Tagen sehen…

  • dn

    Wahnsinn. Sogar in einer Bananenrepublik wie der unseren sind Politiker schon über weniger gestolpert. Es wird Zeit, dass wir, die Wahlschafe, solche Typen in die Wüste schicken.

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