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„…dann bricht alles zusammen“

Helmuth Renzler

Der SVP-Politiker Helmuth Renzler fordert angesichts der Preissteigerungen auch Unterstützungsmaßnahmen für mittlere Einkommen. Die Chancen auf spürbare Lohnerhöhungen seien indes gering.

Tageszeitung: Herr Renzler, wie sehen Sie die aktuellen Preissteigerungen. Was gilt es zu tun?

Helmuth Renzler: Man muss den Mittelstand absichern. Diesbezüglich hat der Landeshauptmann eine eigenartige Einstellung. Er hat die Philosophie, dass man immer von den Besserverdienern unter den Lohnabhängigen auf die Minderverdienenden umverteilen muss. Ich sage hingegen: Umverteilen muss man vom Kapital auf die Schwächergestellten. Das heißt, Arbeiten muss sich weiterhin lohnen anstatt durch einen höheren Steuersatz bestraft zu werden. Wenn man dem Mittelstand unter die Arme greifen will, muss man die Steuern reduzieren. Ich beziehe mich dabei vor allem auf die regionale und kommunale Irpef-Zusatzsteuer. Das Land muss jetzt all jene Kategorien unterstützen, die bis jetzt keine Fürsorgeleistungen beansprucht haben. Denn wenn der Mittelstand zusammenbricht, bricht alles zusammen. Der 500-Euro-Bonus der Landesregierung geht in Ordnung, aber er betrifft nur jene, die bereits einen Beitrag für Wohnungsnebenkosten erhalten.

Das sind rund 11.000 Haushalte, also nicht einmal fünf Prozent der Südtiroler…

Genau. Ein Rentner mit einer Netto-Rente von 800 bis 900 Euro, der in einer Eigentumswohnung lebt, bekommt keine Unterstützungsmaßnahmen. Er braucht sie aber genauso dringend. Man muss jetzt all jenen unter die Arme greifen, die durch den Rost fallen. Ich bin durchaus damit einverstanden, dass Besserverdiener keine Unterstützungsmaßnahmen brauchen, aber deshalb darf ich sie nicht noch mehr belasten.

Den 500-Euro-Bonus sollte man also stark ausweiten?

Ja. Vor allem für jene Kategorien, die die öffentliche Hand ansonsten nicht beanspruchen – Spitzenverdiener ausgenommen –, müsste man die Möglichkeit einer finanziellen Unterstützung finden. Ich beziehe mich vor allem auf Pensionisten und Rentner.

Wo würden Sie bei den Lohnabhängigen eine Grenze ziehen?

Ich denke an ein Einkommen von 35.000 Euro. Bis dahin gilt auch der Freibetrag bei der regionalen Irpef-Zusatzsteuer. Innerhalb dieser Grenze ist der größte Teil der Südtiroler mit einem mittleren Einkommen.

Ein generelles Problem in Südtirol ist, dass das Lohnniveau nicht dem Preisniveau entspricht. Sehen Sie Chancen, dass die Löhne in nächster Zeit spürbar steigen?

Das wird schwierig – wie es schon immer der Fall war. Es ist insofern kompliziert, als dass die Arbeitgeberverbände einfach die Leistungen seitens des Landes mitberechnen. Sie versuchen mit allen möglichen Ausreden, reale Lohnerhöhungen hinauszuzögern. Das ist der Nachteil der großen Anzahl an Unterstützungsmaßnahmen. Letzten Endes muss aber der reale Lohn so hoch sein, dass man mit der eigenen Arbeit leben kann, ohne Unterstützungsmaßnahmen seitens der öffentlichen Hand zu benötigen. Das wird extrem schwierig, aber die Wirtschaft wird sich ebenfalls Gedanken machen müssen, wie sie mit der Situation umgeht. Es wäre für die Wirtschaft einfacher, die Löhne über Zusatzverträge zu regeln anstatt über Individualverträge mit einzelnen Mitarbeitern.

Vor Corona gab es die politische Idee, die IRAP-Reduzierung für Betriebe an die Zahlung angemessener Löhne zu koppeln. Davon ist jetzt keine Rede mehr. Sehen Sie eine realistische Möglichkeit, dass eine Koppelung von Steuererleichterungen an ein faires Lohnniveau noch einmal aufs Tapet kommt?

Wenn es zum Vorteil der Arbeitnehmer geht, kann man sicherlich darüber reden. Man kann Lohnerhöhungen aber nicht von einer Steuerreduzierung abhängig machen, wenn dann wieder die Allgemeinheit dafür zahlt. Lohnerhöhungen müssen aufgrund der Leistung gemacht werden. Wenn die Betriebe in Zukunft noch Fachkräfte haben wollen, müssen sie unter anderem den Lebenshaltungskosten angepasste Löhne zahlen.

Sind in Südtirol die Gewerkschaften zu schwach, um Lohnerhöhungen durchzusetzen, die wirklich den Lebenshaltungskosten entsprechen?

Das Problem ist, dass es in Italien von Lampedusa bis Brenner die gleichen Kollektivverträge gibt. In Südtirol kann man nur Zusatzverträge abschließen – und dabei sind nicht alle Bereiche gleich vertreten und gleich stark. Eigentlich müsste es so funktionieren, dass die gesamtstaatlichen Kollektivverträge jährlich automatisch an die Landesinflation angepasst werden, sodass es effektiv zu angemessenen Lohnerhöhungen kommt. Das wäre machbar. Ich sehe nicht ein, dass man in Pfitsch neun Monate im Jahr heizen muss und in Lampedusa nur zwei Monate, aber der Inflationsausgleich derselbe ist.

An wem scheitert es dann?

Bei den Gewerkschaften ist das Problem, dass sie auf gesamtstaatlicher Ebene arbeiten. Bei den Zusatzverträgen geben sie zwar ihr Bestes, sind gegenüber den Verbänden aber etwas schwächer.

Interview: Heinrich Schwarz

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (13)

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  • fakt60ist

    Herr Renzler hat da vollkommen recht. Wenn der Mittelstand zusammen bricht, bricht alles zusammen. Ein Problem das wir haben ist auch, dass wir viel zu viele spitzenverdienende haben, die aber leider sehr unproduktiv sind. Mach mal ein Peispiel: Ein Baumeister würde in der Praxis auch ohne allerhand unproduktive Herren die mit Kravatten am Bau erscheinen ein Haus bauen! Das gilt auch für alle anderen Handwerker. Teuer und kompliziert macht alles nur die Bürokratie und der Vorschriftenwahnsinn. Um viel Geld zu verdienen ohne sich die Hände schmutzig zu machen, muss man genau solche teilweise unsinnige Bürokratie schaffen. Das Geld wäre bei denen, die Wunde Hände haben viel besser aufgehoben.

  • criticus

    „Ein generelles Problem in Südtirol ist, dass das Lohnniveau nicht dem Preisniveau entspricht.“
    Das Herr Renzler war schon immer so, und wo waren die Arbeitnehmervertreter, als die Abstimmungen für Arbeitnehmervorteile untergingen? Und das mit den Stimmen der Arbeitnehmervertreter, eigentlich müsste man „Arbeitnehmertreter“ sagen.
    z.B.: der Strombonus und die Abstimmung, dass öffentlich Bedienstete über 300 Euro jährlich Parkgebühren bezahlen müssen? Es gäbe da schon mehr Punkte. Herr Renzler, jetzt nach all den Jahren gscheid reden nützt nichts mehr. Gilt auch für Frau Amhof. Beide habt ihr kläglich versagt!

  • andreas

    Es kann doch nicht sein, dass bei jeder wirtschaftlichen Schwankungen sofort alle um Hilfe rufen und die Hand aufhalten.
    Subventionen oder Hilfen können selten gerecht verteilt werden und heben, wie man beim Bau sieht, das Preisniveau noch zusätzlich an.
    Die 110% für Sanierung hat z.B. zu Milliardenbetrug geführt und kann gar nicht kontrolliert werden.

    Warum zahlt der Staat bei einem günstigen Heizkessel z.B. ca. 20% und bei einem 6.000 Euro Kessel über 50%, wohl wissend, dass der Installateur den Preis vorher stark angehoben hat?

    Die 600 Euro bei Corona haben dazu geführt, dass Leute wie Köllensperger, Lanz, Schuler oder Tauber sie kassieren wollten und andere mit dem 100.000 Euro Mercedes sie abgeholt haben.

    Mitbeiträge haben dazu geführt, dass Hoteliere ihr Personal nur teilweie offiziell bezahlt haben, damit die den Mietbeitrag nicht verlieren, usw.

    Die Gesellschaft ist zu verlogen, als dass wirklich nur die Bedürftigten zum Zuge kommen.
    Der Bauernbund ist z.B. ein Paradebeispiel dafür, dass es nicht immer um wirtschaftliche Notwendigkeit geht, sondern nur ja alles zu holen, was es zu holen gibt und dies auch noch mit einer peinlichen Unverschämtheit verteidigt und jeder für blöd erklärt wird, der nicht so gierig ist.

  • unglaublich

    Die Arbeitnehmer wurden in der „VOLKSpartei“ immer und immer wieder über den Tisch gezogen. Die Ergebnisse sind traurig und beschämend. Ein Niedriglohnland und gleichzeitig ein Hochpreisland. Südtirol hat eine Autonomie für Reiche.

  • tirolersepp

    Dramatische Situation in der Ukraine

    Hier geht’s zur Onlinespende

    https://nachbarinnot.orf.at/nin/2022-hilfe-ukraine100.html

  • dn

    Schwarz und rot unter einem Hut ist etwas zu viel verlangt, so viel Schizophrenie geht sich nicht aus.

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