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„Sehr besorgt“

Stehen in Südtirol bald viele Baustellen still? Die steigenden Zement- und Energiepreise machen der Baubranche schwer zu schaffen. Michael Auer, Präsident des Baukollegiums, über die Situation. 

Tageszeitung: Herr Auer, wie ist die Stimmungslage in der Baubranche?

Michael Auer: Bis vor wenigen Wochen waren die Bauunternehmer zwar leicht besorgt, aber die Stimmung war noch gut. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine ist die Nervosität extrem gestiegen und tagtäglich sind die Konsequenzen mehr spürbar. Die Unternehmer sind jetzt sehr besorgt.

In Italien haben Beton- und Stahlwerke aufgrund der hohen Energiekosten bereits geschlossen. Welche Konsequenzen hat dies auf Südtirol? 

Die Dynamik und die Geschwindigkeit, von der die ganze Situation gekennzeichnet ist, kann nur mehr als sehr unübersichtlich bezeichnet werden. Die Energiepreise sind so sehr gestiegen, dass sich jedes Unternehmen überlegen muss, ob das Produzieren noch rentabel ist oder ob das Aussteigen und das Nicht-Arbeiten günstiger sind. In Italien haben Unternehmen die Stahlproduktion teils eingestellt. Dementsprechend wird der Baustahl knapp. Allein deswegen könnten nun bald Baustellen eingestellt werden.

Welche Folgen haben die erhöhten Treibstoffpreise? 

Die extreme Preissteigerung beim Treibstoff betrifft vor allem den Tiefbau: Maschinen, die dort eingesetzt werden, brauchen teils 30 bis 40 Liter Treibstoff die Stunde, bzw. 200 Liter am Tag. Diese Unternehmen müssen nun 50 Prozent mehr dafür ausgeben. Solche Ausgaben können nicht kurzfristig abgedeckt werden, es entsteht sofort ein großes Loch in der Kasse. Gerade deswegen müssen jetzt schon Betriebe von ihren Verträgen zurücktreten, sofern nicht nachverhandelt werden kann. Hinzugekommen ist noch ein weiterer Faktor…

Der wäre? 

Anfang des Jahres – das hängt aber nicht mit den steigenden Energiepreisen zusammen – ist der Zement viel teurer geworden, aufgrund der CO2-Zertifikate. Zement ist ein relativ großer CO2-Produzent. Damit die Unternehmen Zement verkaufen können, müssen diese auf dem Markt CO2-Zertifikate kaufen, aber der Markt spielt momentan verrückt. Die Konsequenz: Der Beton hat sich um zehn bis 15 Euro pro Kubikmeter verteuert, eine Teuerungsrate von 15 Prozent.

Trifft es zu, dass in Südtirol jetzt schon öffentliche Ausschreibungen leer ausgehen – beispielsweise bei Asphaltierungen von Straßen – weil Unternehmen um diesen Preis nicht mehr anbieten können? 

Ja, das trifft zu. In Südtirol wird meistens nach Richtwertpreis ausgeschrieben. Die öffentliche Hand muss nach diesen Preisen ausschreiben. Aber in vielen Fällen ist dieser Richtwertpreis nicht aktuell genug, um diese Preissteigerungen abzufedern. Gerade bei der Asphaltproduktion ist es zurzeit extrem: Asphalt besteht aus Bitumen. Der Preis beim Bitumen steigt im Verhältnis 1:1 mit dem Treibstoff. Daher reden wir auch dort schon fast von einer Verdoppelung. Zudem ist es energetisch sehr aufwändig, Asphalt herzustellen, es bedarf rund sechs Kubikmeter Gas für einen Kubikmeter Asphalt. Beim Asphalt reden wir daher von einer Preissteigerung von 25 Prozent.

Werden demnächst viele Baustellen stillstehen, weil die Unternehmen die Preissteigerungen nicht mehr stemmen können? 

Kurzfristig könnte dies sicher eintreten. Die Frage ist, wie sich die Situation entwickelt und ob es möglich ist, die Preissteigerung gemeinsam abzufedern. Zum heutigen Stand wird diese Entwicklung komplett auf die Baufirmen abgewälzt.

Besteht auch in Südtirol die Gefahr, dass Betriebe ihre Mitarbeiter in Lohnausgleichskasse schicken müssen? 

Ja, diese Gefahr besteht. Wir sind genauso von der Situation betroffen, wie das restliche Italien und das restliche Europa. Energiemäßig sitzen wir alle im gleichen Boot.

Was wird gefordert?

Es bedarf hinsichtlich Erhöhungen ein dynamischeres System. Bis vor kurzem hatten wir nur Fixpreisverträge, die keinerlei Preissteigerung bzw. Nachverhandlungen zugelassen haben. Ein italienisches Dekret ermöglicht nun in diesem Rahmen zwar mehr Spielraum, aber bei weitem nicht ausreichend, weil es viel zu lange dauert, bis dies greift.

Interview: Erna Egger

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (2)

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  • olle3xgscheid

    Wieviel % ihr Jammere , seid ihr in den letzten 2 Jahren gestiegen mit den Häuslepreisen, und das ohne Krieg???
    Führt einen Iban an dann können wir spenden….

  • brutus

    Hier wird nur um den Brei herumgeredet. Das Baugewerbe wird die Preissteigerungen schon weitergeben! Das ist nicht das Problem! Das Problem ist dass durch die Rohstoffpreise der normale Hauslebauer sich das gar nicht mehr leisten kann, und dem Gewerbe die Aufträge wegbrechen!
    Der Supersteuerbonus macht auch das nicht mehr wett!

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