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Georg Erlacher: Paradise Lost

Der Fotograf und Restaurator Georg Erlacher widmet sich im Kunstraum Café Mitterhofer, Innichen, der Welt der Bienen.

Zu den ersten Arbeiten eines Imkers im Frühjahr gehört es nachzuschauen, wie die Bienen die Wintermonate überstanden haben. Vieles erkennt man schon, wenn man das Treiben an den Fluglöchern beobachtet. In den ersten warmen Tagen kann man dann die Beuten öffnen um nachzusehen. Im Frühjahr 2018 stelle ich fest, dass eines meiner Völker verhungert ist. Das erkennt man daran, dass die Köpfe der Bienen in den Waben stecken. Es ist nicht am Varroa-Druck eingegangen oder an einer anderen Krankheit. Es ist verhungert, was ich auch meiner Nachlässigkeit zuschreiben kann. Ich habe es im Herbst zu wenig aufgefüttert, ich habe es verabsäumt früher zu kontrollieren, durch eine nachträgliche Futtergabe hätte es vielleicht gerettet werden können. Das sind Gedanken, die auftauchen, getragen von einem zunächst diffusen Gefühl der Wehmut. Es lässt sich schwer bestimmen. Ist es Wut über das eigene Versagen, schlechtes Gewissen? Wem gegenüber? Den Bienen, der Natur, meinem Vater, von dem ich vor vielen Jahren die Bienenstöcke übernommen habe? Was geblieben ist, ist die Erinnerung an das Gefühl, etwas unwiederbringlich verloren zu haben, etwas versäumt zu haben, das sich nicht mehr rückgängig machen lässt…….

Indem Bienen Blüten anfliegen, um Nektar und Pollen zu sammeln, bestäuben sie 80 Prozent unserer Nutzpflanzen und auch viele Wildpflanzen. Die Arbeit der Honigbienen ist für die Produktivität der Landwirtschaft immer wichtiger, zumal es immer weniger Insekten wie Wildbienen, Hummeln und dergleichen gibt, die diese leisten könnten. Der wirtschaftliche Wert der Honigbiene weltweit wird in Hunderten Milliarden Euro angegeben. Trotzdem schwindet die Zahl der Bienen. Imker sind alarmiert. Bereits seit vielen Jahren wird vom Bienensterben berichtet. Die Ursachen sind nicht vollständig geklärt. Auf der Hand liegt aber, dass unser Umgang mit der Natur nicht unschuldig daran ist: Monokulturen, massiver Herbizid- und Insektizid-Einsatz, Zerstörung von Lebensräumen bringen unser Ökosystem aus dem Gleichgewicht, lassen Tier- und Pflanzenarten verschwinden und machen eben auch den Honigbienen das Leben schwer. Viele kehren von ihren Sammelflügen nicht mehr zurück.

Fehlen die Insekten als Bestäuber, muss diese Arbeit der Mensch übernehmen. Was das bedeutet, lässt sich heute z.B. schon in China beobachten. Mit Pinseln ausgerüstet, tummeln sich unzählige Menschen in Obstplantagen und übertragen Pollen auf die Fruchtknoten. Ohne diese Bemühungen ist mit empfindlichen Ernteeinbußen zu rechnen. Deshalb scheint es nicht überzogen, wenn Forscher durch das Bienensterben auch die Ernährung der Menschen bedroht sehen und vor Hungerkatastrophen warnen.

Mein Gefühl im Frühjahr 2018 galt meinem toten Bienenvolk. Müssten wir aber in Anbetracht der oben geschilderten Tatsachen nicht alle so fühlen? Dieser unwiederbringliche Verlust von Arten, Lebensräumen, diese tägliche Zerstörung, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, müssen wir darüber nicht alle wehmütig werden ….  oder ein schlechtes Gewissen haben.

Termin: Eröffnung am 12. März um 19.00 Uhr im Kunstraum Café Mitterhofer, Innichen

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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